BSV: Allianz unterliegt in Innsbruck

Der Streit um Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen beschäftigt weiter die Gerichte, nicht nur in Deutschland. Ein Gericht in Österreich hat die Allianz in erster Instanz zu Entschädigungszahlungen an einen Hotelier verurteilt.

Author_image
07:01 Uhr | 19. Januar | 2021

Bei vielen Versicherern sind die BSV-Bedingungen unklar formuliert gewesen. Bislang fallen die Urteile im Streit um Entschädigung unterschiedlich aus, die betroffene Gewerbekunden gegen ihre Versicherer angestrengt hatten. Der Bundesverband Deutscher Versicherungs-Makler (BDVM) schätzt, dass sich die Urteile zugunsten der Kunden durchsetzen werden, weil sie durchweg fundierter begründet waren als ablehnende Entscheidungen einiger Landgerichte.

Vor dem Landgericht München bekamen bislang meist die Kunden recht, so gegen die Haftpflichtkasse oder die Versicherungskammer Bayern. Die Allianz hat dort durch einen Vergleich in letzter Sekunde ein Urteil gegen sich verhindert.

In Deutschland noch keine Tendenz bei Prozessen

Nun scheint auch der Bayerische Kompromiss die Versicherer einzuholen: Der Wirt des Münchener Restaurants Donisl hat Klage gegen die Allianz auf Zahlung der vollen BSV-Entschädigung trotz einer mit dem Versicherer zuvor getroffenen Kompromiss-Vereinbarung eingereicht. Der Ausgang ist noch offen, zumal die unterlegenen Versicherer regelmäßig in Berufung gehen und noch keine OLG-Urteile vorliegen.

Anzeige

Ähnliches hört man auch aus anderen Ländern, etwa von Gerichtsprozessen in Großbritannien und Frankreich. In Frankreich ruderte die Axa zurück und zahlte in vielen Fällen. Nun lässt ein neues Urteil aus Österreich aufhorchen. Das Landesgericht Innsbruck gab mit Urteil vom 16. Dezember 2020 der Klage eines Hoteliers aus Tirol gegen die Allianz Elementar Versicherung AG (Wien) statt. Der Hotelier aus dem kleinen Ort Hochgurgel, der nur aus sechs Tourismusbetrieben besteht, hatte bei der Allianz eine gewerbliche Sachversicherung abgeschlossen, die auch eine All-Risk-Deckung für eine Seuchen-Betriebsunterbrechung beinhaltet.

Wie die Allianz vor Tiroler Landesgericht abschnitt

In der AVB-Aufzählung der versicherten Erreger wurden auch „oder andere gefährliche Infektionskrankheiten“ genannt. Folglich wähnte sich der Wirt versichert, als die Behörden sein Hotel auf allgemeine Verordnung zwischen 16. März und 13. April 2020 schlossen. Er verlangte die versicherte Entschädigung abzüglich beeinflussbarer Kosten von letztlich 140.000 Euro (knapp 4.830 Euro pro Tag). Die Allianz lehnte die Zahlung mit fadenscheinigen Begründungen ab.

Seite 1: Warum es vor Gerichten in Sachen BSV spannend bleibtSeite 2: Welche Argumente der Allianz in Tirol nicht verfingen

Es kam zum Prozess. Das Landesgericht Innsbruck entschied zunächst, dass die Forderung des Hoteliers zu Recht besteht. So sei die behördliche Anordnung zur Betriebsschließung sehr wohl ein versicherter Grund, ein Bescheid für eine Seuche in dem betroffenen Betrieb sei nicht nötig. Zudem müsse der Wirt auch keine Außerhaus-Angebote seines Restaurants anbieten, da sich der Versicherungsschutz explizit auf das Hotel bezieht, für das ein faktisches Betretungsverbot galt.

Einwendungen des Versicherers abgeschmettert

Der Hotelier ist mit einem Sublimit von 400.000 Euro versichert. „Ausschließlich um die Kosten des Rechtsstreites gering zu halten, wurde ein Teilbetrag von 140.000 Euro geltend gemacht - mit Ausdehnungsvorbehalt“, sagt Rechtsanwalt Hans-Jörg Vogl von der Kanzlei Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, der den Wirt vertreten hat. Die Allianz hatte alle möglichen und unmöglichen Einwendungen erhoben, darunter Pandemie, Forderungsübergang und das Einreiseverbot für Deutsche.

Doch das Gericht sah es anders. Die Schadensumme sei nachvollziehbar und begründet. Auch ein vollständiger Stillstand der Betriebsabläufe im versicherten Objekt lag zweifelsfrei vor. Nach den AVB gehe der Entschädigungsanspruch des Wirtes gegen den Staat auf den Versicherer über (Artikel 3.4.). „Sämtliche Einwendungen der Beklagten gehen daher ins Leere“, so die Urteilsbegründung. Der Anspruch des Wirtes bestehe dem Grunde nach zu Recht. Die Allianz muss 140.000 Euro Schaden erstatten (Az.: 8 Cg 59/20g).

„Damit können Hoteliers, die eine sogenannte Seuchen-Betriebsunterbrechungs-Versicherung abgeschlossen haben, im Falle eines Prozesses mit Optimismus in die Zukunft blicken“, sagt Anwalt Vogl, der sich gegenüber procontra zuversichtlich zeigt, im weiteren Verfahren die Gesamtsumme von 400.000 Euro für den Hotelier zu erstreiten.

Hotelier-Anwalt auch für zweite Instanz optimistisch

Mit einigen Versicherern sei es ihm zudem gelungen, tragfähige Vergleiche herbeizuführen. Namen darf der Anwalt nicht nennen, da absolutes Stillschweigen vereinbart wurde. Vogl ist akademisch geprüfter Versicherungskaufmann und allgemein gerichtlich beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für das gesamte Versicherungswesen und vertritt ausschließlich Geschädigte.

Das Urteil gegen die Allianz ist noch nicht rechtskräftig. Wie Vogl auf Nachfrage von procontra berichtet, liegt seit 14. Januar die Berufungsschrift der Allianz vor. Als Berufungsgründe werden „Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache“ geltend gemacht. Das Verfahren sei nicht entscheidungsreif gewesen. „Die Allianz wiederholt im Wesentlichen nur die Argumente, die sie schon in erster Instanz vorgetragen hatte“, kommentiert Vogl. Zuständig für die zweite Instanz ist das Oberlandesgericht Innsbruck. Ein Aktenzeichen ist noch nicht vergeben.

Seite 1: Warum es vor Gerichten in Sachen BSV spannend bleibtSeite 2: Welche Argumente der Allianz in Tirol nicht verfingen