Zusatzbeiträge: Bundesregierung macht den Schweigefuchs

Für Millionen GKV-Mitglieder dürfte es Anfang des kommenden Jahres teurer werden. Doch die Krankenkassen müssen ihre Mitglieder darüber nicht wie sonst per Brief informieren. Warum die Bundesregierung mit dieser Entscheidung selbst postulierte Ziele mit Füßen tritt, kommentiert procontra-Redakteur Martin Thaler.

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14:10 Uhr | 31. Oktober | 2022

„Wettbewerb im Gesundheitswesen nützt den Patientinnen und Patienten. Sie erhalten so eine größere Wahlfreiheit und am Ende eine bessere Behandlung.“ Diesen hehren Worten, die das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Homepage veröffentlicht hat, dürften wahrscheinlich nur die wenigsten widersprechen.  

Die Krankenkassen sind angehalten, ihren Kunden möglichst gute Leistungen zum bestmöglichen Preis zu bieten. Mögliche Stellschrauben sind hier beispielsweise Bonusprogramme, die Kooperation mit privaten Krankenversicherern, aber auch der Zusatzbeitrag. Die Höhe des Zusatzbeitrags variiert von Kasse und Kasse und gibt unter anderem auch preis, wie gut die Kasse mit den Beiträgen ihrer Mitglieder wirtschaftet.  

Unvorstellbar? Leider nein!

Reicht das Geld nicht aus, muss die Kasse die Zusatzbeiträge anheben. Ganz im Sinne des geforderten Wettbewerbs zwischen den Kassen, haben die Kunden im Fall einer Erhöhung des Zusatzbeitrags ein Sonderkündigungsrecht.  

Doch man stelle sich vor, der Zusatzbeitrag wird angehoben und keiner kriegt es mit. Unvorstellbar? Leider nein. Denn die Bundesregierung hat im Zuge des jüngst verabschiedeten Krankenkassen-Stabilisierungsgesetzes nicht nur eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte beschlossen, sondern auch, dass die Kassen die nun stattfindende Beitragserhöhung inklusive der damit verbundenen Wechselmöglichkeit nicht mehr explizit mitteilen müssen. Begründet wird dieser Schritt mit dem Bestreben, Verwaltungskosten einsparen zu wollen.  

Flatterte bislang stets parallel zur Beitragsanhebung ein Brief ins Haus, der dem Kassenmitglied unmissverständlich klar machte, dass er zukünftig mehr zu zahlen habe, muss dieses Anfang kommenden Jahres selbst auf die Suche gehen. In der Sondersituation des kommenden Jahres sei es ausreichend, die Menschen „auf andere geeignete Weise zu informieren“, teilt das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage mit.  

Und liefert auch gleich noch zwei Vorschläge dazu. Denkbar sei beispielsweise eine Informierung via Internetseite oder Mitgliederzeitschrift der Krankenkasse. Aha. Eingequetscht neben Artikeln über Pollenflug und Wadenwickel soll der gesetzlich Versicherte dann also über die anstehenden Beitragssteigerungen auf dem Laufenden gehalten werden. Viel Glück beim Suchen, kann man hier nur sagen.  

Präzedenzfall

Beschränkt ist die Aussetzung der Informationspflicht auf das erste Halbjahr des kommenden Jahres. Danach muss wieder ordentlich per Brief informiert werden. Ein schwacher Trost, denn hier wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen sind weiterhin akut und durch das oben genannte Stabilisierungsgesetz alles andere als behoben – das räumt sogar die Bundesregierung ein. Durchaus denkbar also, dass 2024 erneut eine großflächige Erhöhung des Zusatzbeitrags ansteht. Der Schritt, den Kassen dann erneut eine Aussetzung der Kunden-Informierung via Brief zu ermöglichen, ist ein kleiner.  

Den so viel beschworenen Wettbewerb zwischen den Kassen dürfte diese Maßnahme eher nicht stärken. Höchstens den der Krankenkassen, besagte Information möglichst fantasiereich im Mitgliedermagazin zu verstecken.