Lobbypolitik für Versicherer und Banken? Kritik am zukünftigen Finanzminister Lindner

Dass sich der designierte Bundesfinanzminister Christian Lindner für einen Erhalt der Provisionsberatung eingesetzt hat, beurteilen Verbraucherschützer als fatal. Aus einem anderen Lager kommt zudem Kritik an seinen Plänen, die Altersvorsorge auf Aktien zu stützen.

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16:11 Uhr | 30. November | 2021

Christian Lindner ist seit 2013 Bundesvorsitzender der FDP und soll innerhalb der Ampel-Koalition nun zum neuen Bundesfinanzminister werden. Viele Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler dürfte das freuen. Schließlich steht die FDP bei ihnen traditionell hoch im Kurs und kratzt bei Wahltrends sogar an der Schwelle zur stärksten Kraft.

Doch so leicht hat es Lindner nicht bei allen Bevölkerungsschichten beziehungsweise bei ihren Interessenvertretern. „Klar scheint schon jetzt: Ohne starken Druck aus der Zivilgesellschaft wird Herr Lindner vor allem der Finanzlobby das Wort reden“, tat dieser Tage die Bürgerbewegung Finanzwende eindeutig ihre Missgunst zur geplanten Personalie kund. Auch im Ausland würde man Lindners Nominierung mit Sorge betrachten. So hätten der Ökonomienobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Historiker Adam Tooze öffentlich vor Lindner gewarnt, betont man seitens der Verbraucherschutzvereinigung, die vom früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick geführt wird.

Einige gute Vorschläge hätten bei den Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch gelegen und wären maßgeblich von Lindner in den letzten Stunden gekippt worden, heißt es in einem Presse-Statement von Finanzwende. Als konkretes Beispiel wird die Abschaffung des provisionsbasierten Finanzvertriebs und deren Ersatz durch Honorarberatung genannt. Dieser Wechsel wäre zum Wohle der Kundinnen und Kunden dringend erforderlich gewesen, monieren die Verbraucherschützer.

Mangelnde Begeisterung verwundere nicht

Argumentative Unterstützung für Finanzwende kam heute vom Bundesverband der Rentenberater – allerdings ohne dass dieser konkret gegen die Personalie Lindner wettert. Aus Sicht des Vereins bleiben die Rentenpläne der Ampel-Koalition hinter den Erwartungen zurück. Jetzt als zentralen Lösungsansatz auf Kapitalmarktrenditen zu setzen, wie es vor allem die FDP immer wieder gepredigt hatte, sei als zentraler Lösungsansatz aber zu wenig.

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„Wer im aktuellen Marktumfeld noch nennenswerte Renditen erzielen will, muss zu Risiken bereit sein. Einem Großteil der Bevölkerung fehlen hierfür aber die finanziellen Spielräume. Denjenigen, für die es auf jeden Euro ankommt, dürfen keine Nachteile entstehen, wenn der Renteneintritt mit einem Börsencrash zusammenfällt. Das muss sichergestellt werden“, schreiben die Rentenberater in einem Statement.

Auch Betriebsrenten dürften nicht nur als weiterer Vertriebskanal der Finanzindustrie verstanden werden, der man mit immer weiteren Lockerungen entgegenkomme. Wer für eingesetzte 100 Euro nur noch 80 Euro oder weniger garantiere, dürfe sich über mangelnde Begeisterung bei Gering- und Durchschnittsverdienern nicht wundern, so die Kritik.

„Sowohl bei Betriebsrenten, bei der privaten Vorsorge und sogar bei der gesetzlichen Rente sollen die globalen Aktienmärkte nun alles richten. Das ist noch kein zukunftssicheres Konzept", sagte Thomas Neumann, der Präsident des Bundesverbands der Rentenberater. Sein Verein empfiehlt die Einsetzung eines breit aufgestellten Expertengremiums, ähnlich den Wirtschaftsweisen, das für die Regierung geeignete Vorschläge zur Beantwortung der wichtigen Zukunftsfragen der Alterssicherung erarbeitet.

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