Vorstoß

Pflegevollversicherung: Gerechte Idee oder Geschenk für Wohlhabende?

Laut einer Umfrage wünschen sich zwei Drittel der Deutschen eine Pflegevollversicherung. Während sich deren Befürworter mehr soziale Gerechtigkeit erhoffen, spricht ihnen der PKV-Verband genau dieses Argument ab.

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15:10 Uhr | 23. Oktober | 2025
Pflegevollversicherung: Gerechte Idee oder Geschenk für Wohlhabende?

Die soziale Pflegeversicherung deckt bei weitem nicht die tatsächlichen Pflegekosten. Nicht wenige Menschen in Deutschland bringt das in finanzielle Probleme.

| Quelle: FredFroese

Zwei Drittel der Deutschen (65 Prozent) wünschen sich, dass die gesetzliche Pflegeversicherung alle pflegebedingten Kosten übernimmt. Das geht aus einer Forsa-Umfrage unter 1.001 Bürgerinnen und Bürgern hervor. Laut dem Auftraggeber, dem Bündnis für eine solidarische Pflegevollversicherung, ist die Datenbasis der Befragten repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. 18 Prozent finden, die Menschen sollten zur Deckung des Eigenanteils privat vorsorgen. Nur 6 Prozent finden die selbst zu tragenden Kosten angemessen, 11 Prozent machten keine Angabe.

Angesichts eines mittlerweile durchschnittlichen monatlichen Eigenanteils von 3.108 Euro (der Anteil der pflegebedingten Kosten darin beträgt ca. 1.800 Euro) für die stationäre Unterbringung im Pflegeheim ist die Haltung der Mehrheit nachvollziehbar. Die Leistungen durch die gesetzliche Pflegeversicherung sind dabei schon abgezogen. Laut dem Bündnis würde dies dazu führen, dass mehr als ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen auf Sozialhilfe, also Grundsicherung angewiesen sei. Dazu komme, dass in der ambulanten Pflege notwendige Pflegeleistungen oft nicht in Anspruch genommen würden, weil Betroffene sich die Kosten nicht leisten könnten.

 

Das Bündnis, dem unter anderem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di angehört, fordert deshalb die Einführung einer solidarischen Pflegevollversicherung. „Die Umfrageergebnisse sind ein klarer Auftrag an die Bundesregierung, in Sachen Pflegeversicherung endlich ihre Hausaufgaben zu machen“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.

Doch wie soll das finanziert werden? Laut dem Bündnis wäre dies ohne große Beitragssteigerungen möglich, nämlich durch die Einführung einer Bürgerversicherung. Laut einem, ebenfalls im Auftrag des Bündnisses erstellten Gutachten solle in diese die gesamte Bevölkerung, also auch bislang Privatversicherte einzahlen. Zudem berücksichtigt es eine Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf alle Einkunftsarten, also beispielsweise auch auf Aktiengewinne und Mieteinnahmen.

 

Der Verband der Privaten Krankenversicherung kritisiert den Vorstoß von ver.di und Co. Dieser würde weniger den sozial Schwachen helfen als vielmehr Vermögensschutz für wohlhabende Pflegebedürftige betreiben, heißt es in einer Presseinformation des Verbands. Er verweist in diesem Zuge auf eine Erhebung des IW Köln, wonach im Jahr 2023 gut zwei Drittel der deutschen Rentnerhaushalte die Eigenanteile an den stationären Pflegekosten aus eigener Kraft hätten stemmen können.

„Die vermögendste Rentnergeneration aller Zeiten erhielte zusätzliche Leistungen aus der Gießkanne, obwohl die meisten von ihnen in Eigenverantwortung für ihre Pflegekosten selbst vorsorgen können“, sagte dazu PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. Eine gute Pflege für alle Generationen könnten wir in unserer alternden Bevölkerung nur dann langfristig sicherstellen, wenn wir mehr Eigenverantwortung und kapitalgedeckte Vorsorge fördern würden, so Reuther.

 

Laut dem PKV-Verband würden die Mehrausgaben durch eine Pflegevollversicherung den Beitragszahlern eine merkliche Mehrbelastung aufzwingen. Sein Wissenschaftliches Institut (WIP) habe berechnet, dass eine Pflegevollversicherung eine Erhöhung des Beitragssatzes für die soziale Pflegeversicherung um 0,82 bis 0,88 Prozentpunkte notwendig machen würde, während das Bündnis von gleichbleibenden bis sinkenden Pflegebeiträgen ausgeht. Bei den WIP-Berechnungen gilt es aber zu wissen, dass diese von einer unveränderten Beitragszahlergemeinschaft für die soziale Pflegeversicherung ausgehen. Die Aspekte des Bündnisses, auch Privatversicherte sowie Aktieneinnahmen und so weiter mit einzubeziehen, sind hier nicht mit berücksichtigt.

Dass es zur Einführung einer Pflegevollversicherung kommt, ist unwahrscheinlich. Erst am 13. Oktober hatte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ ihre ersten Zwischenergebnisse für eine Reform der sozialen Pflegeversicherung vorgestellt. Dort steht gleich als oberste Prämisse, dass an dem Umlage- und Teilleistungssystem festgehalten werden soll. Genau so wichtig sei es aber, Lösungen zur Begrenzung der steigenden Eigenanteile zu finden.