Betriebsschließungsversicherung: Druck auf Versicherer steigt

Der bayerische Kompromiss wackelt zusehends. Zahlreiche Gastronomen haben sich mittlerweile für eine Klage entschieden. Mit einem Urteil dürfte so schnell jedoch nicht zu rechnen sein.

10:06 Uhr | 10. Juni | 2020
Der mit der Versicherungswirtschaft ausgehandelte "bayerische Kompromiss" gerät immer stärker unter Druck. Zahlreiche Gastronomen klagen mittlerweile gegen ihre Versicherer.

Der mit der Versicherungswirtschaft ausgehandelte "bayerische Kompromiss" gerät immer stärker unter Druck. Zahlreiche Gastronomen klagen mittlerweile gegen ihre Versicherer. Bild: Adobe Stock/ lassedesignen

Es war eine Nachricht, wie sie heutzutage des Öfteren zu lesen ist. Zu Beginn dieser Woche vermeldete das Landgericht Osnabrück den Eingang dreier Klagen auf Versicherungsleistungen wegen der Covid-19-Pandemie. Geklagt hatten die Betreiber zweier Restaurants aus Osnabrück sowie die Betreibergesellschaft eines Hotels auf Norderney.  

Alle drei Betriebe hatten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, die jeweiligen Versicherer verweigerten jedoch die Auszahlung der im Rahmen der Versicherungsbedingungen vereinbarten Tagespauschalen. Die Versicherer beriefen sich unter anderem darauf, dass allgemeine Seuchenschutzmaßnahmen, wie die präventive Schließung sämtlicher Hotel- und Gastronomiebetriebe, nicht vom Versicherungsschutz erfasst seien. Zudem sei Covid-19 nicht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgeführt gewesen.  

Es ist eine Argumentation, auf die sich einige Versicherer zurückgezogen haben und die nicht nur unter den betroffenen Gastronomen auf Unverständnis stößt. Etliche überregionale Medien griffen das Thema auf, auch die ZDF-Satiresendung „Heute Show“ widmete der Betriebsschließungsversicherung einen spottenden Beitrag, der die Versicherer in einem sehr negativen Licht zeichnete.  

Kompromiss zunehmend kritisch betrachtet

Zur Glättung der Wogen hatten mehrere Versicherer unter Vermittlung des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger den sogenannten „bayerischen Kompromiss“ erarbeitet. Dieser sieht vor, dass die Versicherer freiwillig zwischen 10 und 15 Prozent der bei Betriebsschließungen vereinbarten Tagessätze erstatten.  

Doch nicht nur die Osnabrücker Klagen lassen den Eindruck entstehen, dass dieser Kompromiss zunehmend von den betroffenen Gastwirten kritisch betrachtet wird. „Nur wenige der von uns betreuten Mandanten nehmen die bekannten Vergleichsangebote der Versicherer an. Viele sind motiviert, den Klageweg zu gehen“, berichtet Dr. Mark Wilhelm von der Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte auf procontra-Nachfrage.  

Rund 700 betroffene Unternehmen habe man bislang beraten, die sich auf über 40 Versicherer verteilten. Noch ist Hoffnung vorhanden, auf außergerichtlichem Wege zu einer Einigung zu kommen. „Es geht für die Betroffenen oft um das Lebenswerk, um jahrelanges engagiertes Unternehmertum, was nun vielleicht vor dem Scheitern steht. Und die vielen Arbeitsplätze nicht zu vergessen. Wir jagen insofern auch nicht massenweise Klagen raus, sondern versuchen in jedem einzelnen Fall zu einer raschen einvernehmlichen Klärung zu kommen“, erklärt der Berliner Fachanwalt Norman Wirth, dessen Kanzlei ebenfalls eine dreistellige Anzahl von Fällen betreut.  

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Ob dieses Bemühen zur Vermeidung langwieriger Rechtsstreitigkeiten von Erfolg gekrönt ist, unterscheide sich von Anbieter zu Anbieter erklärt Wirth. „Für manche Betroffene konnten wir schon sehr gute Ergebnisse deutlich über dem Bayern-Kompromiss erzielen. Ohne Klage erheben zu müssen“, berichtet Wirth. Andere Versicherer halten jedoch konsequent an ihrer ablehnenden Haltung fest. „Grundsätzlich kann man bei den notorischen Verweigerern aber sagen, dass die Fronten doch sehr verhärtet sind.“  

Einen Eindruck, den auch Rechtsanwalt Wilhelm bestätigt. So befände man sich mit einigen Versicherern derzeit in außergerichtlichen Gesprächen, andere zeigten sich hingegen weniger gesprächsbereit. „Dort, wo sich Versicherer nicht gesprächsbereit zeigten, bereiten wir aktuell Klagen vor. Das betrifft unter anderem die Haftpflichtkasse, die Allianz und die Sparkassenversicherung.“  

Vor allem die Haftpflichtkasse beschäftigte zuletzt die gängigen Branchen-Medien. Grundlage war eine Pressemitteilung der Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte aus der vergangenen Woche. Hierin warfen die Anwälte der Haftpflichtkasse vor, noch im März auf der eigenen Homepage darauf hingewiesen zu haben, dass „eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Coronavirus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert“ gelte.  

Haftpflichtkasse nimmt Stellung

Als absehbar war, dass es zu flächendeckenden Schließungen von Restaurants, Gaststätten und Hotels kommen würde, hätte sich, so der Vorwurf, die Kommunikation der Haftpflichtkasse jedoch um 180 Grad gedreht. „Die Aussage, Corona-bedingte Betriebsschließungen seien mitversichert, verschwand aus dem Netz“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung. Gegenüber dem Portal fondsprofessionell verteidigte Torsten Wetzel, Vorstand für Betrieb und Schaden der Haftpflichtkasse, das Vorgehen des Versicherers: „Die BSV greift, wenn im Betrieb selbst versicherte Infektionskrankheiten auftreten und dieser deshalb geschlossen wird. Auf dieser Grundlage wurden die Versicherungsverträge mit unseren Versicherungsunternehmern zu sehr moderaten Prämiensätzen geschlossen.“  

Diese Argumentation ist durchaus angreifbar. Schließlich ist den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen, dass der Betrieb konkret betroffen sein muss. Wie die entsprechenden Klauseln auszulegen sind, bleibt in vielen Fällen somit den Gerichten überlassen.  

Hier machte zuletzt ein Urteil des Landgerichts Mannheim (Az: 11 O 66/20) betroffenen Gastronomen Hoffnung. Hierbei handelte es sich jedoch um ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, nicht um ein Hauptsacheverfahren. „Wann erste Urteile in Hauptsacheverfahren kommen, ist schwer zu sagen“, erklärt Wirth. Auch sein Düsseldorfer Kollege Wilhelm mahnt zur Geduld: „Auf nachhaltige erstinstanzliche Urteile werden wir vermutlich noch einige Monate warten müssen.“  

Geht eine der Parteien gegen das ergangene Urteil zudem in Berufung, muss von den Klägern noch mehr Zeit eingeplant werden: „Die Erfolgsaussichten sind hoch, aber vor Gericht kann sich eine Auseinandersetzung über vielleicht zwei Instanzen schon zwei Jahre hinziehen“, erklärt Wirth.

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