procontra: Herr Haybach, können Sie zunächst ein paar Worte zu Ihrem Unternehmen sagen?
Markus Haybach: Ja, gerne: Wir sind ein kleiner mittelständischer Maklerbetrieb mit Fokus auf das Privatkundengeschäft. Wir haben derzeit vier Vollzeit- und vier Teilzeitkräfte und erwirtschaften einen Umsatz von rund 600.000 Euro im Jahr. Unser Motto ist: „Versicherung einfach machen.“ Und genau danach arbeiten wir auch, übrigens papierlos und überwiegend digital.
procontra: Das OLG Dresden hat Ihnen nun untersagt, den Begriff „unabhängig“ in Ihrer Werbung zu verwenden. Wollen Sie gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen?
Haybach: Wir stimmen uns dazu gerade mit unserem Verband ab. Eine Revision wurde durch das OLG nicht zugelassen, also bliebe nur eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH. Die Erfolgsaussichten sind aber wohl eher gering.
procontra: Können Sie das Urteil selbst überhaupt nachvollziehen?
Haybach: Nur bedingt. Wir Makler befinden uns in einer Doppelrolle: Wir stehen auf Seiten des Kunden, vertreten dessen Interessen und nicht die des Versicherers – das hat der BGH im sogenannten Sachwalterurteil klar festgestellt. Gleichzeitig wird unsere Vergütung im Regelfall von der Versicherungsseite gezahlt. Das Gericht bewertet schon diese Vergütungsstruktur als Grund, den Begriff „unabhängig“ nicht nutzen zu dürfen.
procontra: Aber ist das für den Kunden nicht tatsächlich verwirrend?
Haybach: Nein, das sehe ich anders. Das Gericht unterstellt, der durchschnittliche Verbraucher wisse nicht, wie Makler vergütet werden. Das entspricht überhaupt nicht meiner Erfahrung. Die meisten Kunden suchen gezielt einen unabhängigen Makler – also jemanden, der keine Produktvorgaben eines Versicherers hat.
Wir sprechen das Thema außerdem bei jedem Neukunden proaktiv an, erklären unsere Vergütung, auch Optionen wie Vermittlung gegen Honorar. Die große Mehrheit entscheidet sich dann für die klassische Courtagevariante. Wir grenzen uns auch bewusst von der Arbeit eines Versicherungsberaters ab.
procontra: Was bedeutet die Entscheidung des OLG Dresden konkret für Ihr Geschäft?
Haybach: In der Beratung selbst ändert sich wenig – wir arbeiten weiter wie bisher. Aber in der Außenwirkung verändert das Urteil enorm viel. Sehr viele Neukunden finden uns im Internet über Suchbegriffe wie „unabhängiger Versicherungsmakler“. Wenn wir diesen Begriff nicht mehr verwenden dürfen, verlieren wir Sichtbarkeit. Andere Makler, die noch nicht abgemahnt wurden, dürfen ihn aber weiter benutzen. Das schafft einen Wettbewerbsnachteil.
procontra: Haben Sie schon eine Idee, wie Sie sich künftig sprachlich positionieren wollen?
Haybach: Wahrscheinlich gehen wir in Richtung „freier Versicherungsmakler“. Das entspricht unserem Selbstverständnis.
procontra: Das Oberlandesgericht Dresden ist nach dem Landgericht Leipzig schon die zweite Instanz, die sich mit Ihrem Fall beschäftigt. Wie viel Geld hat sie das bislang schätzungsweise gekostet?
Haybach: Die reinen Anwalts- und Gerichtskosten für die zwei Instanzen dürften grob gerechnet bei rund 13.000 Euro liegen, wobei wir in der zweiten Instanz durch unseren Verband, die Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM), unterstützt wurden. Hinzu kommt ein enormer zeitlicher Aufwand, den man bestimmt auch noch einmal mit 10.000 Euro beziffern kann.
Gravierend ist außerdem der indirekte Schaden, der kaum messbar ist: Menschen suchen uns bei Google, sehen als Erstes die Verbandsklage – und buchen erst gar keinen Termin. Kürzlich hat ein Interessent deshalb sogar sein vereinbartes Erstgespräch wieder abgesagt. Wie viele so gar nicht erst kommen, wissen wir nicht.
procontra: Sie müssen auch Ihre Webseite und alle Werbemittel umgestalten.
Haybach: Das stimmt. Für die Website-Umstellung veranschlagen wir ca. 3.000 Euro. Physische Werbemittel haben wir zum Glück kaum.
procontra: Neben der „Unabhängigkeit“ standen noch weitere Aussagen auf Ihrer Website in der Kritik.
Haybach: Richtig. Wir hatten erwähnt, dass unsere Vermögensschadenhaftpflicht dem Kunden ein „doppeltes Sicherheitsnetz“ bietet. Das wurde als Werbung mit Selbstverständlichkeiten gewertet – nachvollziehbar.
Und wir hatten darauf hingewiesen, dass Verbraucherzentralen generell empfehlen, sich bei anonymen BU-Voranfragen an Makler zu wenden. Auch das wurde untersagt. Diese Punkte hätten wir sofort akzeptiert. Aber der zentrale Streitpunkt war der Begriff „unabhängig“.
Ich bin Makler aus voller Überzeugung. Die Freiheit in der Beratung ist mein Antrieb. Dass jetzt ausgerechnet dieser Kern unserer Tätigkeit infrage gestellt wird, trifft mich.Markus Haybach
Geschäftsführer RISK007
procontra: Sind Sie von dem Urteil auch persönlich enttäuscht?
Haybach: Ja, sehr. Ich bin Makler aus voller Überzeugung. Ich habe bei einem großen Versicherer gelernt, war dort ein Jahr als Vertreter tätigt. Mit Produktvorgaben konnte ich mich aber nicht anfreunden – das passte oft nicht zum Kunden. Deshalb bin ich vor 15 Jahren in die Maklerschaft gewechselt. Genau diese Freiheit in der Beratung ist mein Antrieb. Dass jetzt ausgerechnet dieser Kern unserer Tätigkeit infrage gestellt wird, trifft mich. Vor allem, weil es in der Finanz- und Versicherungsberatung andere Probleme gibt.
procontra: Was raten Sie mit Blick auf das Urteil Kolleginnen und Kollegen?
Haybach: Das ist schwierig. Ich würde Kollegen raten, vorsorglich ihre Außenkommunikation zu entschärfen, alternative Begriffe zu prüfen und nicht abzuwarten, bis man selbst abgemahnt wird. Und gleichzeitig hoffe ich, dass es in dieser Angelegenheit bald zu einem höchstrichterlichen Urteil durch den BGH kommt – damit wir endlich Rechtssicherheit haben.
Long Story short
Das OLG Dresden untersagt dem Leipziger Makler Risk007 die Nutzung des Begriffs „unabhängig“, weil die Vergütung durch Versicherer laut Gericht eine echte Unabhängigkeit ausschließe.
Das beklagte Unternehmen sieht darin einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, da viele Neukunden über Suchbegriffe wie „unabhängiger Versicherungsmakler“ kommen.
Der Makler hofft nun auf ein BGH-Urteil, um endlich Rechtssicherheit für die gesamte Branche hinsichtlich der Werbebegriffe zu bekommen.
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