Nun schaltet sich auch die Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) in die Diskussion um das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Oktober ein (Az. 14 U 1740/24). Wie berichtet, dürfen Versicherungsmakler danach nicht mehr mit dem Begriff „unabhängig“ werben, sofern sie – wie in der Branche üblich – Courtage von Versicherern erhalten. Eine solche Werbung sei irreführend, urteilten die Richter und hoben damit ein vorheriges Urteil des Landgerichts Leipzig zugunsten des beklagten Maklers auf.
Urteil juristisch schlüssig, aber inhaltlich falsch
Der IGVM, der das betroffene Mitglied in dem Rechtsstreit juristisch und finanziell unterstützt hat, zeigt sich tief enttäuscht von der Entscheidung. Zwar sei das Urteil „schlüssig begründet“ und wenig angreifbar, inhaltlich aber verkenne es die Rolle des Maklers als treuhänderähnlichen Sachwalter seiner Kunden – eine Position, die seit Jahrzehnten höchstrichterlich anerkannt sei.
Formell wird das Urteil erst Ende des Monats rechtskräftig. Wie procontra erfuhr, prüft die von Maklerseite beauftragte Kanzlei Jöhnke & Reichow aus Hamburg derzeit noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH), mit der die vom OLG Dresden verweigerte Revision gegen das Urteil ausgehebelt werden könnte. Die Erfolgsaussichten für diesen Schritt hält der IGVM allerdings für wenig aussichtsreich. Dafür sei der Streitwert zu gering und die Argumentation des Gerichts rechtlich kaum angreifbar.
Symptom staatlichen Misstrauens
Aus Sicht des Verbands liegt das eigentliche Problem ohnehin tiefer: Das Urteil spiegele das tiefe Misstrauen in das Urteilsvermögen der eigenen Bevölkerung wider. „Es zeugt von einem Staat, dessen Institutionen in einem einig sind: dem Willen, alles bis ins Kleinste zu regeln“, meint IGVM-Vorstand Stefan Rumpp.
„Die Ziele sind alle mit Begriffen versehen, gegen die man sich nicht wehren kann. Wer wollte etwas gegen Verbraucherschutz sagen, wer wollte gegen Umweltschutz, faire Löhne, erneuerbare Energien, Klimaneutralität usw. sein? Und doch fehlt es an echten Reformen, die diesen Zielen dann auch Rechnung tragen würden.“
Besonders kritisch bewertet die Interessengemeinschaft die Rolle des Klägers: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erbringe selbst entgeltliche Versicherungsberatung und stehe damit in Konkurrenz zu Maklern – werde aber gleichzeitig aus öffentlichen Mitteln finanziert. „Man könnte also überspitzt sagen, dass Versicherungsmakler mit ihren Steuern dazu beitragen, dass sie von einem Wettbewerber auf Unterlassung verklagt werden“, so Rumpp.
Forderung nach Doppelzulassung
Für echten Verbraucherschutz müsse der Gesetzgeber strukturelle Reformen angehen, fordert der IGVM. So sollte etwa wie in Österreich auch in Deutschand eine Doppelzulassung als Versicherungsberater und Versicherungsmakler möglich gemacht werden. Dann stünde es dem Berater und seinem Kunden frei, die Art, wie die Dienstleistung und/oder Vermittlung vergütet werde, frei zu wählen. Denkbar wären dann Courtage, Honorar oder eine Mischform aus beiden Vergütungsformen.
Stefan Rumpp: „Ergänzend müsste der Gesetzgeber den Produktanbietern auferlegen, dass sie im Rahmen ihrer unternehmenseigenen Annahmerichtlinien Geschäft, welches ihnen angetragen wird, unabhängig von einer bestehenden Zusage annehmen müssen. Damit wäre sichergestellt, dass Berater tatsächlich einen vollständigen Marktzugang haben.“
Für eine Änderung der aktuellen Rechtsauffassung seien politische Schritte erforderlich. Versicherungsmakler, für die Unabhängigkeit ein hohes Gut sei, sollten sich dafür organisieren, fordert der IGVM-Vorstand.
Was nach dem Urteil für Makler zu tun ist
Parallel zur politischen Debatte ruft der Verband alle Versicherungsmakler dazu auf, ihre Außendarstellung an die nun geltende Rechtslage anzupassen. Insbesondere der Begriff „unabhängig“ sollte nicht mehr verwendet werden, solange eine Vergütung durch Versicherer erfolge. Stattdessen sollten neutrale Formulierungen gebraucht werden, die die kundenorientierte Tätigkeit und die breite Marktkenntnis der Makler betonten.
Konkrete Handlungsempfehlungen des IGVM für Makler:
Außendarstellung: Entfernen Sie Begriffe wie „unabhängig“ aus Ihrer Website, Broschüren und Werbung, sofern Sie Courtage erhalten. Nutzen Sie stattdessen neutrale Formulierungen wie „ungebundener Makler“ oder „Vermittler mit breiter Marktübersicht".
Werbeaussagen: Vermeiden Sie Aussagen, die vollständige Neutralität suggerieren. Heben Sie Ihre kundenorientierte Beratung und die Auswahl aus vielen Anbietern hervor.
Transparenz für Kunden: Informieren Sie Ihre Kunden offen über Ihre Vergütungsstruktur – z. B. im Rahmen der Erstinformation oder im Impressum.
Seinen Mitgliedern stellt der IGVM bei Bedarf auch Musterformulierungen zur Verfügung, um die Umsetzung zu erleichtern. Ziel bleibe es, das Vertrauen der Verbraucher durch Transparenz und Professionalität zu erhalten – auch ohne den Begriff „unabhängig“.
Long Story short
Keine „Unabhängig“-Werbung mehr: Das OLG Dresden stuft entsprechende Aussagen von Maklern als irreführend ein, wenn Courtage fließt.
BGH-Beschwerde unwahrscheinlich: Obwohl eine Nichtzulassungsbeschwerde geprüft wird, sieht der IGVM kaum Chancen wegen geringen Streitwerts und solider Urteilsbegründung.
IGVM fordert politische Reformen: Der Verband kritisiert übermäßige Regulierung, sieht strukturelle Probleme im Verbraucherschutz und empfiehlt Maklern, ihre Außendarstellung sofort anzupassen.
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