Kinder unter sieben Jahren gelten als deliktunfähig – für durch sie entstandene Schäden können sie nicht verantwortlich gemacht werden. Geschädigte können versuchen, die Eltern des Kindes haftbar zu machen – dafür müssen sie aber nachweisen, dass diese ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
Wie weit diese reicht, ist immer wieder eine Frage, die gerichtlich ausgefochten werden muss. So auch vor kurzem vor dem Karlsruher Landgericht (Az: 2 O 135/24). Das Gericht stellte dabei fest: Die Überwachung eines Kindes kann nicht lückenlos erfolgen – selbst bei einem sogenannten Augenblicksversagen der Eltern müssen diese nicht haften.
Kollision mit Auto
Konkret ging es um einen Unfall, bei dem ein knapp sechs Jahre altes Kind beim Rundendrehen mit seinem Fahrrad mit einem Auto kollidiert war. Der Junge hatte sein Fahrrad urplötzlich nach links gelenkt, so dass eine vorbeifahrende Frau nicht mehr bremsen konnte. Das Kind wurde bei dem Zusammenstoß leicht verletzt, am Auto entstand ein Sachschaden.
Diesen wollte die Autofahrerin von den Eltern des Kindes erstattet bekommen. Der Vorwurf: Diese hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt, da sie ihren Sohn unbeaufsichtigt hatten Fahrrad fahren lassen.
Dieser Ansicht schloss sich das Gericht jedoch nicht an. Zwar könne es auch bei fünf- bis sechsjährigen Kindern noch zu kognitionsbedingten Wahrnehmungs- und Reaktionsdefiziten kommen – daraus folge aber nicht, dass diese nur unter engmaschiger ständiger Kontrolle am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Es genüge vielmehr eine Aufsicht, „die dem konkreten Gefahrenpotenzial sowie dem Verhalten des Kindes im bisherigen Verlauf gerecht wird“, so das Gericht. Dies entspricht der geltenden Rechtsprechung.
So hatte unter anderem das OLG Celle in der Vergangenheit entschieden, dass ein fast sechsjähriges Kind ohne Begleitung Radfahren kann, wenn es über genügend Erfahrung und Übung verfügt und sich in vertrauter Umgebung bewegt.
Im vorliegenden Fall kam das Gericht nach Befragung der Eltern zu der Überzeugung, dass das Kind schon länger sicher Fahrrad fuhr. Zudem fuhr es regelmäßig kurze Runden im verkehrsberuhigten Bereich vor dem eigenen Haus, also in sehr vertrauter Umgebung. Dabei befand es sich regelmäßig in Sichtreichweite der Eltern.
Unfall nicht zu verhindern
Zudem stelle das Gericht fest, dass zwischen dem Zeitpunkt, zu dem das heranfahrende Auto für den Vater sichtbar wurde, und der Kollision gerade einmal zwei Sekunden vergingen. Der Unfall beruhte auf einem spontanen Augenblickversagens des Kindes. Selbst für den Fall, dass die Eltern ihr Kind stets im Blick gehabt hätten, hätten diese eine Kollision nicht verhindern können, so das Gericht.
Entsprechend müssen die Eltern nicht für den am Fahrzeug entstandenen Schaden haften. Die notwendigen Reparaturen sind folglich von den Autobesitzern selbst zu zahlen.
Long Story short
Das Landgericht Karlsruhe entschied, dass Eltern nicht für einen Unfall haften, den ihr knapp sechsjähriges Kind beim Fahrradfahren verursachte, da sie ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hatten und eine lückenlose Überwachung rechtlich nicht verlangt wird. Selbst bei ständiger Beobachtung hätte der Unfall wegen des spontanen Augenblicksversagens des Kindes nicht verhindert werden können, sodass der Autoschaden vom Fahrzeughalter selbst zu tragen ist.

