„Die nachhaltigste Geldanlage ist die, die nicht stattfindet"
procontra:
Niko Paech:
Die einfachste und direkteste Option ist, sich nach ökologisch verantwortbaren Anlagemöglichkeiten umzuschauen. Das kann bedeuten, in erster Linie bei Genossenschaftsbanken, die einen ökologischen und sozialen Anspruch vertreten, Kapital anzulegen. Das zweite ist, eine andere Abwägung zu treffen in Hinblick auf Anlagebedingungen und die erwartete Rendite als bislang üblich: Am besten ist es, auf Sicherheit, Transparenz und ökologische Verträglichkeit zu achten und dies als nicht-monetäre Rendite anzusehen. Je höher die monetäre Rendite, die ich verlange, desto größer ist der Wachstumszwang, der sich daraus ergibt. Die Verwender des Kapitals stehen so unter einem immer größeren Druck, Überschüsse zu erwirtschaften; dabei ist die von mir geforderte Verzinsung meines Kapitals die Untergrenze. Die einzige tragfähige Nachhaltigkeitsdefinition ist aus meiner Perspektive daher, Abstand zu nehmen vom Wachstum. Und ein wichtiger Wachstumstreiber ist das, was wir als Rendite- oder Zinsanspruch antreffen.
Paech:
Vielen Menschen fällt es schwer, eine geringere Rendite zu akzeptieren. Aber das wird durch folgende Vorstellung erleichtert: Ein monetär niedrigeres Ergebnis ermöglicht einen ökologischen Hebeleffekt und oftmals mehr Sicherheit. Denn viele ökologisch orientierte Banken und Finanzdienstleister meiden komplexe und nicht kontrollierbare Anlageformen. Der frühere Chef der Genossenschaftsbank GLS-Bank Thomas Jorberg zum Beispiel hat nach den letzten Ausläufern der Lehman-Krise auf die Frage, wie denn die GLS-Bank die Krise durchlebt hat, sinngemäß gesagt: „Krise? Stimmt, ich habe davon in der Zeitung gelesen.“ Die Bank legt das Geld so an, dass zwischen Anleger und Kapitalnutzung nur kurze Distanzen liegen. Anleger können prüfen, für welche wirtschaftlichen Zwecke ihr eingelegtes Geld eingesetzt wird. Insgesamt ergibt die Ökologieorientierung als Nebeneffekt mehr Transparenz und Sicherheit. Oft besteht die Möglichkeit, zu entscheiden, in welchen Bereichen das Geld investiert werden soll und sich gegebenenfalls mit einer geringeren Rendite zufriedenzugeben, was einen besonderen Fördereffekt hat.
procontra:
Welche weiteren Anlageansätze halten Sie für sinnvoll, um umweltverträglicheres Wirtschaften zu fördern?
Paech:
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, direkt Nachhaltigkeitsprojekte zu fördern, etwa Genossenschaften. Ich habe zum Beispiel unter anderem die Olegeno Oldenburger Energiegenossenschaft mitgegründet und dort Geld eingelegt. Damit gehe ich zwar ein gewisses Risiko ein. Aber als Mitglied habe ich Einblick in das Geschehen und kann zu einem gewissen Grad auch Einfluss nehmen auf das, was mit dem Geld geschieht. Weitere Möglichkeiten sind Nachhaltigkeitsprojekte in der Landwirtschaft, wie etwa Betriebe der solidarischen Landwirtschaft oder die Regionalwert AG. Auch hier spielt die monetäre Rendite eine geringere Rolle als die Nachhaltigkeitswirkung.
procontra:
„Klassische“ Anlageprodukte wie etwa Aktienfonds sind nach Ihrem Konzept also weniger empfehlenswert.
Paech:
Es lässt sich generell bezweifeln, dass Aktiengesellschaften aufgrund ihres chronischen Zwangs zur Überschussmaximierung eine geeignete Unternehmensform für eine nachhaltige Entwicklung sind. Eine Ausnahme bilden Bürger-Aktiengesellschaften, wie etwa die Regionalwert-AG. Diese bildet eine hervorragende Anlagemöglichkeit, um eine resiliente und verantwortbare Gestaltung des wichtigsten Versorgungsbereichs zu befördern, nämlich eine dezentrale ökologische Landwirtschaft.
procontra:
Ihre Einschätzung zu Aktienfonds gilt vermutlich auch für jene Fonds mit dem Anspruch, negative Umwelteinflüsse zu reduzieren, etwa über einen eigenen Nachhaltigkeitsansatz oder mit einem bestimmten Umweltziel.
Paech:
Bevor Anleger „Business as usual“ betreiben, sind derartige Aktienfonds immer noch eine bessere Lösung. Aber letzten Endes sind es für mich wachstumsorientierte Anlagen mit ökologischem oder grünem Anstrich. Denn ich vertrete die Meinung, dass Wirtschaftswachstum nicht in Einklang zu bringen ist mit einer nachhaltigen Entwicklung, die diesen Namen verdient.
procontra:
Die Nachhaltigkeitsdebatte in der Kapitalanlage dürften Sie somit ebenfalls sehr kritisch sehen.
Paech:
Die Debatte hält immer noch an „grünem“ Wachstum fest. Ich kenne jedoch kein Beispiel dafür, dass eine Entkopplung wirtschaftlichen Wachstums von ökologischen Schäden gelungen ist, wenn alle Auswirkungen der dabei zum Einsatz gelangten Maßnahmen und Technologien einbezogen werden. Die Umweltbank beispielsweise verspricht für zahlreiche Produkte hohe Renditen mit gleichzeitiger ökologischer Gewissensberuhigung. Das scheitert an vielen Rebound-Effekten. Damit sind die Nebenwirkungen technologischer Nachhaltigkeitsmaßnahmen gemeint, die deren Erfolg schmälern oder zunichtemachen, insbesondere auch deshalb, weil zusätzliche grüne Häuser, Produkte und Technologien nie zum ökologischen Nulltarif zu haben sind.
Paech:
Es wäre nach Möglichkeiten zu suchen, Geld so einzusetzen, dass Wirtschaftswachstum vereitelt wird. Das schließt nicht aus, zum Beispiel im Gebäudebereich zu investieren – aber nur im Bereich der Sanierung und energetischen Optimierung, um Neubau zu verhindern. Denn zusätzliche Häuser sind auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn sie in Holzrahmenbau, mit Heuballen, Vierfachverglasung, als Passivbau et cetera errichtet werden.
Paech:
Das Gleiche gilt für den Verkehr, der sich nur durch konsequenten Rückbau zukunftsfähig gestalten lässt. Dass eine Umstellung auf Elektromobilität oder Wasserstoffantrieb weiterhilft, gründet auf magischem Denken. Auch eine Verlagerung auf den öffentlichen Personennachverkehr stößt an physische Grenzen. Erst nach einer Reduktion der zurückgelegten Personenkilometer kann der Rest an nötiger Mobilität auf Basis grüner Technologien bewerkstelligt werden.
procontra:
Ein weiterer Vorschlag von Ihnen ist, auch über die Reduzierung von Erwerbsarbeit Nachhaltigkeit zu fördern.
Paech:
Die nachhaltigste Geldanlage ist die, die gar nicht stattfindet, weil Menschen Geld gegen Zeit tauschen. Statt immer mehr Vermögen aufzutürmen, wäre eine veränderte Kombination zwischen monetär entgoltener Erwerbsarbeit und Selbstversorgungspraktiken sinnvoll. Wer etwa nur noch 20 Stunden in der Woche für Geld arbeitet und die freigestellten 20 Stunden nutzt, um durch Pflege, Instandhaltung und Reparatur die Nutzungsdauer der meisten Dinge durchschnittlich zu verdoppeln, verringert die Finanzlast. Ähnliches gilt für die Eigenproduktion und die gemeinschaftliche Nutzung von Gegenständen, um abermals Geld zu sparen. Dies entlastet die Volkswirtschaft auf doppelte Weise vom Wachstumszwang. Denn erstens lässt sich durch Arbeitszeitverkürzung Vollbeschäftigung in einer verkleinerten Volkswirtschaft erzielen. Zweitens wird der Bedarf an Güterproduktion verringert, was die Versorgungssicherheit steigert. Natürlich lassen sich Menschen finden, denen dies schwerfällt. Aber die Mehrheit der Menschen könnte dieses Modell praktizieren, auch unter Inkaufnahme des Abschmelzens eines Teils des Vermögens. Das private Geldvermögen in Deutschland beträgt etliche Billionen Euro.
Paech:
Damit würden Umweltgüter zu Spekulationsobjekten und außerdem würde dadurch einer geregelten Umweltpolitik entgegengewirkt. Schon in den 1970er Jahren haben Umweltökonomen darüber gestritten, ob eine marktwirtschaftliche Steuerung der Ressourcenverbräuche über den Preis oder über die Menge erfolgen soll. Preissteuerung hieße beispielsweise, eine CO2-Steuer oder Öko-Steuer einzuführen, was den Nachteil hat, die resultierende Emissionsmenge nicht direkt kontrollieren zu können. Eine Mengensteuerung hätte demgegenüber den Vorteil, die maximale Emissionsmenge festzulegen und dann in diesem Umfang handelbare Zertifikate auszugeben. So kann sich ein Markt für diese Lizenzen bilden, auf dem sich dann ein bestimmter Preis einstellt, so dass auch hier ein Anreiz besteht, Emissionen zu vermeiden. Eines der wichtigsten Argumente gegen diese Lösung war stets, dass solche Märkte zu schweren Wettbewerbsverzerrungen führen können.
Paech:
Finanzstarke Unternehmen könnten größere Mengen an Emissionsrechten aufkaufen, ohne sie für den eigentlichen Zweck zu nutzen, sondern um sie zu horten und so den Preis hochzutreiben. Damit ließen sich Konkurrenten aus dem Markt drängen und so Teile der Wirtschaft ausbremsen. Dies ist aber nur ein Argument gegen die Spekulation, die zu unterbinden wäre. Ansonsten halte ich die Zertifikatelösung, oft auch als „Cap and Trade“ für „Deckelung und Handel“ bezeichnet, für die mit Abstand beste Umweltpolitik, eben weil sie der ökologischen Zerstörung eine Obergrenze setzt. Zukünftig wird es notwendig, diese Logik dahingehend weiterzuentwickeln, dass sich Nachhaltigkeitsmaßnahmen an individuellen Emissionskontingenten orientieren.