ESG

Nachhaltige Investments: Zu Tode reguliert?!

Der negative Trend bei ESG-Fonds erschwert auch den sogenannten „Green Deal“ der EU. Auch deswegen gibt es erste Forderungen aus der Branche, die entsprechende Regulierung zu beenden.

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14:09 Uhr | 19. September | 2025
Eine kleine Pflanze auf einem Tisch und eine Hand legt Geldmünzen drumherum

| Quelle: baona

Was Sie erfahren werden:

  • Schwache Nachfrage nach ESG-Fonds im Green Deal-Kontext

  • Forderung nach einer Abschaffung der Regulierung

  • Reaktion der Finanzbranche auf die Forderung

Der Green Deal der EU sieht vor, dass zwischen 2021 und 2030 eine Billionen Euro in EU-Mitgliedstaaten mobilisiert werden, um die Vergrünung der Wirtschaft zu finanzieren. Bei dem Vorhaben sollte die deutsche Fondsbranche eine Lenkungsfunktion übernehmen. Die Branche hat auch geliefert – so gibt es inzwischen einige Fonds entweder mit einer nachhaltigen Strategie (Artikel-8-Fonds) oder solche, die eine grüne Wirkung erzielen sollen (Artikel-9-Fonds).  

Allerdings ist die Nachfrage nach den Produkten stark abgeflacht. Wie der Fondsverband BVI mitteilt, flossen zwischen April 2021 und Dezember 2024 den nachhaltigen Fonds 37,2 Milliarden Euro zu, während konventionelle Fonds 98,1 Milliarden Euro an Zuflüssen verbuchten. Der Trend verstärkte sich im ersten Halbjahr 2025: Während konventionelle Fonds 49,1 Milliarden Euro an Zuflüssen verbuchten, flossen aus den nachhaltigen Produkten sogar 1,3 Milliarden Euro ab. 

Präferenzabfrage ist ein Flop 

Keine guten Aussichten für den Green Deal also. Die Absatzschwäche führt der BVI zunächst auf eine „Neubewertung des Themas Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund politischer Krisen, der Wirtschaftsschwäche und hoher Inflationsraten“ zurück. Interessanterweise macht der BVI aber auch die Regulierung der EU, insbesondere die ESG-Präferenzabfrage, für die Absatzschwäche verantwortlich. Seit dem Start der Abfrage 2022 müssen Vermittler ihre Kunden fragen, ob sie nachhaltig investieren und damit auch ihren Beitrag zur Vergrünung der Wirtschaft leisten wollen. Doch weil die Abfrage und die damit verbundenen Begriffe wie „Principal Adverse Impacts“ die Kunden offenbar überfordern, spielt sie in der Beratung kaum eine Rolle. 

  Ende der ESG-Regulierung der Finanzbranche

Auch angesichts des Scheiterns der Abfrage fordert Henry Schäfer ein Ende der ESG-Regulierung der Finanzbranche. In einer Kolumne für das Fachmedium „Bankmagazin“ stellt der ESG-Experte fest, dass die Regulierung unsinnig sei, weil die Finanzbranche eigentlich verpflichtet werde, einen politischen Zweck zu erfüllen. Dabei habe sie der Branche keinen geschäftlichen Vorteil gebracht, sondern vielmehr „ausufernde Bürokratiekosten und drohende Ertragseinbußen“, schreibt er. Auch in Sachen Dekarbonisierung hat sich die ESG-Regulierung als wirkungslos gezeigt, so Schäfer. Über seine Forderung sprach der emeritierte Finanzprofessor mit procontra (siehe Interview). Die Branchenerfahrung mit der Abfrage scheint die Kritik auch zu bestätigen. Die Anforderung hat tatsächlich zu mehr Bürokratie und Kosten geführt, aber eben nicht zu mehr Umsatz.  

Branche fordert eine Vereinfachung 

Trotzdem findet die Branche die ESG-Regulierung der EU nicht verkehrt. „Die grundsätzliche Zielsetzung – nämlich Kapitalströme in nachhaltige Bahnen zu lenken – bleibt richtig und wichtig,“ sagt zum Beispiel Michael H. Heinz, Präsident des Vermittlerverbandes BVK. „Der BVK plädiert daher für eine Verschlankung und praxisnahe Ausgestaltung der ESG-Vorgaben, nicht für deren vollständige Abschaffung. Die Regulierung muss wirksam, verständlich und umsetzbar sein – insbesondere für kleine und mittelständische Vermittlerbetriebe.“ 

Dennis Hänsel, ESG-Experte bei der DWS, sieht ebenfalls eine Schlüsselrolle für die Branche bei der Vergrünung der Wirtschaft. Diese Transformation werde die Finanzbranche aber allein nicht erzwingen können und somit nicht dafür sorgen, dass das Thema ESG bei den Anlegern beliebter werde. Seine Lösung: „Wenn die staatlichen Ziele zum Erreichen der Anforderungen des Pariser Klimaabkommens überall umgesetzt werden, dann würden nachhaltige Produkte gegenüber konventionellen Investments attraktiver werden.“ Die ESG-Regulierung könne beispielsweise ergänzt werden, damit die Unternehmen mehr angehalten werden, grüner zu werden. „Die Regulierung muss hier steuernd eingreifen – nicht nur durch Verbote, sondern auch durch Anreizsysteme, die klimaneutrale Geschäftspraktiken fördern“, so Hänsel. Henrik Pontzen, Nachhaltigkeitschef bei der Union Investment, schlägt zudem vor, dass die juristischen Bezeichnungen Artikel 8/9-Fonds durch leicht verständliche Produktkategorien ersetzt werden.  

Die Forderungen für eine Vereinfachung hat die Europäische Kommission auch ernst genommen und will nun kleinere Unternehmen von der ESG-Berichtspflicht befreien. Doch das schafft laut dem BVI neue Probleme für Fondsgesellschaften, da sie unter Umständen teure ESG-Daten für entsprechende Fonds einkaufen müssten. Das wiederum bedeutet höhere Kosten für die Anleger in den Fonds. Ob Schäfer mit seiner Forderung, die ganze ESG-Regulierung einfach zu beenden, letztlich Recht behalten wird? 

  

ESG-Regulierung der Branche abschaffen?

  • Regulierung richtet sich an die falsche Adresse

  • Regulierung bringt der Branche wenig, finanziell gesprochen

  • Regulierung ist in Sachen weltweite Dekarbonisierung wirkungslos

  • Finanzbranche kann/soll die Transformation unterstützen

  • Regulierung muss vereinfacht werden

  • Regulierung muss mehr Anreize statt Verbote liefern