220.000 Verträge bis Anfang August

Riester-Kündigungen droht Rekord: Was das für die Frühstartrente heißt

Die Zahl der gekündigten Riester-Verträge könnte in diesem Jahr so hoch liegen wie noch nie. Statt sich auf Frühstartrente zu konzentrieren, sollte die Bundesregierung die geförderte Altersvorsorge umfassend reformieren, fordert das Portal Finanztip. Dabei sollte sie 5 Lehren aus der Riester-Rente ziehen.

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13:09 Uhr | 24. September | 2025
Ein Kind wirft Kleingeld in ein Sparschwein

Aus Sicht von Finanztip greift die seitens der Bundesregierung geplante Frühstartrente zu kurz.

| Quelle: LeManna

Ein Gesetzesentwurf zur Frühstartrente liegt noch nicht vor, jedoch bringen sich interessierte Parteien bereits öffentlich in Stellung. Auf der einen Seite die Versicherungswirtschaft – sie verspricht sich von den Plänen der Bundesregierung großes Potenzial für ihre Geschäfte. Schließlich könnten die Versicherer ihre Produkte bei jungen Menschen frühzeitig etablieren. Eine am Mittwoch veröffentliche Studie des Beratungshauses Capgemini zeigt auf, dass vor allem jüngere Menschen Vorbehalte gegenüber Versicherungslösungen haben.

Mit der Frühstartrente – sofern diese über Versicherungen abgebildet würde – ließe sich dieses Problem beheben. Eine aktuelle Sirius-Campus-Studie verdeutlichte jüngst das Potenzial: Rund 80 Prozent der hierbei befragten Eltern gab an, zusätzlich zu den 10 Euro vom Staat eigene Beträge einzahlen zu wollen. Ein Drittel gab an, gleich zu Beginn der Frühstartrente einen entsprechenden Vertrag abschließen zu wollen – das wären somit knapp 3 Millionen Verträge direkt zum Start.

GDV veröffentlicht Frühstart-Rechner

„Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die Frühstart-Rente ein zukunftsweisendes Konzept für die Altersvorsorge werden”,  lässt sich Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV, zitieren. Der Verband veröffentlichte an diesem Mittwoch einen digitalen Rechner auf seiner Seite, mit dem Interessierte simulieren können, wie sich die staatliche Förderung sowie private Zuzahlungen auf das Altersvorsorgekapital auswirken.

In einem Beispiel rechnet der Verband vor. Wenn zu den 10 Euro im Monat, die Kinder ab dem sechsten Lebensjahr künftig bekommen sollen, weitere 40 Euro beispielsweise von Eltern oder Großeltern eingezahlt werden, komme man – bei einer Renditeerwartung von vier Prozent nach Kosten – auf ein Altersvorsorgekapital von rund 64.000 Euro. Zahle man nach Erreichen des 18. Lebensjahr zudem – nachdem die Frühstartrente in eine private Altersvorsorge überführt wurde - monatlich weiter 100 Euro monatlich ein, könne sich daraus eine zusätzliche Rente im Alter von 1.300 Euro im Monat ergeben, so der Verband.

Das klingt stattlich, doch vieles im Zusammenhang mit der Frühstart-Rente ist bislang noch ungewiss. Ist eine Verrentung vorgegeben, oder ist auch eine Auszahlung mittels Auszahlungsplan oder einer Einmalauszahlung möglich? Wie wird die Frühstartrente besteuert? Und wie lässt sich die Frühstartrente in andere geförderte Altersvorsorgeprodukte, wie beispielsweise die Riester-Rente, einbinden?

Gerade der letzte Punkt ist essentiell. Denn die Riester-Rente gilt – in ihrer jetzigen Form - weitgehend als nicht zukunftsträchtig und stößt bei vielen Menschen hierzulande auf keine Akzeptanz mehr. Eine Reform der Riester-Rente wird seit Jahren eingefordert – eine Forderung, die durch die Einführung der Frühstartrente nun wieder lauter zu vernehmen ist. „Die Frühstart-Rente darf nicht isoliert stehen. Wenn Kinder mit einem Vorsorgeprodukt starten, muss auch gewährleistet sein, dass es im Erwachsenenalter sinnvoll weitergeführt werden kann. Hierfür braucht es zwingend eine Reform der Riester-Rente“, machte sich Martin Gattung, Geschäftsführer der Aeiforia GmnH, gegenüber procontra für eine umfassendere Reform stark.

Und auch das Portal Finanztip macht sich dafür stark, das Thema Frühstartrente breiter zu denken. In einem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier kritisierte Finanztip die Begrenzung der staatlichen Förderung auf junge Menschen. Zwar sei ein möglich früher Start der eigenen Altersvorsorge aufgrund des Zinseszinseffektes sinnvoll und demzufolge auch nachvollziehbar, dass die Bundesregierung mit der geförderten Altersvorsorge beim Nachwuchs ansetzen wolle. „Dieser Vorstoß allein greift aber zu kurz und nimmt nur einen Teil der Realität in den Blick: Werden nur Kinder gefördert, lässt die Frühstartrente das Ziel einer breiten Vorsorge links liegen“, heißt es im Positionspapier. Altersvorsorge sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine exklusive Kinderzulage.

Riester-Kündigungen auf Rekordkurs

Entsprechend brauche es ein staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt für alle Menschen in Deutschland. Dieses sollte aus Sicht von Finanztip möglichst wenig mit der bisherigen Riester-Rente zu tun haben, die das Portal als „gescheitert“ bezeichnete. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die hohe Zahl der Riester-Kündigungen. So seien bislang rund 5 Millionen der 20 Millionen abgeschlossenen Riester-Verträge gekündigt worden. Allein in diesem Jahr seien bis zum 8. August bereits 220.000 Riester-Verträge gekündigt worden, berichtet Finanztip und beruft sich dabei auf Daten der Deutschen Rentenversicherung. Ein neuer Rekordwert an Kündigungen scheint in diesem Jahr somit möglich.

Aus der Riester-Rente könnte man aber fünf Lehren für die Reform der geförderten Altersvorsorge ziehen. „Teure Versäumnisse der Vergangenheit müssen korrigiert werden“, erklärte Finanztip-Chefredakteur Saidi Suliatu. Als Probleme der Riester-Rente benennt Finanztip die hohen Kosten, komplizierte Steuerregeln sowie die unflexible Auszahlung. Zudem spricht sich das Portal für ein Opt-out-System aus. Dies würde insbesondere finanzfernen Gruppen und Geringverdienern den Einstieg erleichtern – also den Gruppen, die am stärksten von Altersarmut bedroht sind.

Wie die private Altersvorsorge künftig aussehen wird, bleibt abzuwarten. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte das zuständige Finanzministerium, keine Angaben zum Zeitplan machen zu können. Da ist die Frühstartrente schon einen Schritt weiter. Als die Bundestagsfraktion der Grünen im Sommer eine kleine Anfrage zur Frühstartrente stellte, ließ die Bundesregierung den überwiegenden Teil der Fragen unbeantwortet. Konkret wurde sie nur in einem Punkt: „Die Frühstartrente soll als Element des zweiten Teils des Rentenpakets der Bundesregierung im Herbst dieses Jahres im Bundeskabinett beschlossen werden.“

Long Story short

Während die Versicherungswirtschaft in der geplanten Frühstartrente großes Potenzial sehen, fordert das Portal Finanztip eine breitere Reform der Altersvorsorge. Die Riester-Rente betrachtet das Portal als gescheitert und verweist auf die hohen Kündigungszahlen.