Neues Normal?

Lange Wartezeiten und fehlende Ansprechpartner bedrohen Maklerstatus

Makler kämpfen weiterhin mit erheblichen Serviceproblemen bei Versicherern: Lange Bearbeitungszeiten, unzureichende Erreichbarkeit und fehlende persönliche Ansprechpartner sorgen für Unmut. Besonders bei der Schadenregulierung häufen sich Probleme. Wie lange können Makler diese Herausforderungen noch meistern?

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15:05 Uhr | 14. Mai | 2025
Leeres Call Center

Der Fachkräftemangel macht auch vor der Versicherungswirtschaft nicht Halt. Geeignetes Personal ist schwer zu finden und selbst wenn Unternehmen gezielt ausbilden, dauert es, bis Nachwuchskräfte einsatzbereit sind – oft jedoch noch ohne praktische Erfahrung. Den Maklern fehlen so die geeigneten Ansprechpartner für ihre Anliegen.

| Quelle: Blue Planet Studio

Bereits vor einem Jahr hatte procontra über große Missstände im Service der Versicherer berichtet – ob bei Kfz-, PKV oder Gewerbeversicherern – die Probleme trafen schon 2024 nicht nur vereinzelte Vorgänge. Doch die damals noch erhoffte Kehrtwende bei telefonischer Erreichbarkeit, bei den langen Bearbeitungszeiten und bei der Anzahl persönlicher Ansprechpartner ist bislang ausgeblieben. Das ergeben aktuelle procontra-Recherchen. Viele Makler fragen sich, ob das nun die neue Normalität darstellt und welche Konsequenzen sie daraus ziehen müssen.

Rückrufe von Sachbearbeitern zugunsten der Makler erfolgten nur noch zufällig, Schadenregulierungen würden ohne ersichtlichen Grund abgelehnt – das ist das Ergebnis von vielen Gesprächen, die procontra mit Versicherungsmaklern geführt hat.

Gruppenpostfächer, Call Center, Ticketsysteme: Maklerstatus bedroht?

Für einige Makler nimmt das Problem sogar solche Ausmaße an, dass sie sich in ihrem Maklerstatus bedroht fühlen. Denn in dem Moment, wo Vermittler keine individuellen Antworten mehr auf der Angebots- bzw. Vertragsseite erhalten und in der Schadenregulierung über keinen Ansprechpartner mehr verfügen, ist der Maklerberuf nicht mehr ausübbar. Wie sollen die Makler einem Kunden verständlich machen, warum er keine Antwort erhält? Darüber klagen selbst große und namhafte Maklerhäuser.

Wie Franziska Geusen, Geschäftsführerin Hans John Versicherungsmakler GmbH, ausführt, gibt es noch einige Gesellschaften, die ihre vertrieblichen und fachlichen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner nach wie vor persönlich bereitstellen und damit eine direkte sowie effiziente Kommunikation ermöglichen, aber andere Versicherer gehen einen anderen Weg: Sie setzen auf zentrale Gruppenpostfächer und Ticketsysteme.

Das bestätigt auch Wohngebäude-Spezialist Nico Streker von Asspik Versicherungsmakler: „Viele Versicherer haben lokale Ansprechpartner abgeschafft und Callcenter-Strukturen aufgebaut. Dort fehlt oft das Fachwissen oder die Entscheidungsbefugnis, was Rückfragen und unnötige Wartezeiten nach sich zieht. Wir sind als M&P Partner zwar oftmals als „A-Makler“ kategorisiert, aber am Ende leiden wir natürlich auch unter den Zentralisierungen in der Fläche“, so Streker.

Lösung: Versicherer aussortieren?

Im Einzelfall mag das dazu führen, dass A-Partner sich weiterhin über eine gute Betreuung freuen können, wie beispielsweise im Hause Finanzberatung Bierl. „Es könnte - insbesondere bei Produkten mit wenig Marge für den Versicherer - natürlich immer etwas besser laufen, aber eine generelle Unzufriedenheit stellen wir bei unseren Versicherern nicht fest“, sagt Tobias Bierl auf Nachfrage von procontra.  Allerdings hat das Maklerhaus ohnehin einen guten Stand und Bekanntheitsgrad bei den Versicherern.

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum viele der Schreckensnachrichten offenbar an den Bierls vorbeilaufen. Denn das Maklerhaus arbeitet stetig an der Versicherer-Hygiene. „Generell gilt - je kleiner und Makler-orientierter, desto besser. Wir leben auch gerne die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit“, erläutert Tobias Bierl.

Doch bei vielen anderen unabhängigen Vermittlerinnen und Vermittlern stellt diese Entwicklung eine große Herausforderung dar. Die Bearbeitung über Gruppenpostfächer führt in der Praxis häufig zu Verzögerungen, Rückfragen und mangelnder Verbindlichkeit. „Bei komplexeren Sachverhalten oder in der Schadenregulierung erschwert der Verzicht auf persönlichen Kontakt den reibungslosen Ablauf. Für die Vermittlerschaft bedeutet dies einen erhöhten Aufwand sowie teils erhebliche Zeitverluste – Zeit, die letztlich für die individuelle Kundenbetreuung fehlt“, so Franziska Geusen. Insbesondere im Bereich der gewerblichen Versicherungen werden laut Geusen beim AfW-Vermittlerbarometer telefonische Erreichbarkeit, lange Bearbeitungszeiten sowie die Reduzierung persönlicher Ansprechpartner als wesentlicher Grund genannt, warum ein Teil der Vermittlerschaft sich aus der Gewerbeversicherung zurückzieht.

Werden Lösungen hinter den Kulissen herbeigeführt?

Beim Votum Verband wird weiterhin darauf gesetzt, dies in Hintergrundgesprächen sowohl mit dem GDV aber auch der BaFin zu lösen. Der BaFin ist die Situation bereits bekannt. „Solange diese Probleme nur temporär auftreten, ist das nicht per se problematisch“, sagt ein BaFin-Sprecher gegenüber procontra. Anders stelle sich die Situation allerdings dar, wenn es Anzeichen für Mängel in der Geschäftsorganisation gibt. Dann würde die BaFin einschreiten und Maßnahmen gegenüber den betreffenden Unternehmen ergreifen, um etwaige Missstände zu verhindern oder zu beseitigen. Doch zu möglichen aufsichtlichen Maßnahmen im Einzelnen äußert sich die Aufsichtsbehörde generell nicht.

4 Wochen sollte die Bearbeitung eigentlich dauern

Anders sieht es bei den Wartezeiten in der Schadenbearbeitung aus, hier hat die BaFin bereits reagiert und kürzlich eine Aufsichtsmitteilung zur Bearbeitung von Leistungsanträgen veröffentlicht. Versicherer müssen demnach in durchschnittlich gelagerten Versicherungsfällen Leistungsanträge grundsätzlich spätestens nach einem Monat abschließend bearbeiten. „Mangelnde Personalressourcen oder ein erhöhtes Schadenaufkommen können kein Grund für dauerhafte Verzögerungen in der Bearbeitung von Leistungsanträgen sein. Wir erwarten, dass die Versicherer zügig arbeiten“, sagt Julia Wiens, BaFin-Exekutivdirektorin der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht.

GDV sieht kein strukturelles Problem

Doch die Realität sieht derzeit vollkommen anders aus. Die Bearbeitungszeiten von Leistungsanträgen dauert in vielen Fällen deutlich länger als einen Monat – so berichten es wenigstens die Vermittler aus der täglichen Arbeit. Anders als die BaFin hält sich der Gesamtverband der Versicherer (GDV) bedeckt. Ein strukturelles Problem könne man dort nicht erkennen, heißt es im Austausch mit procontra. Es handele sich bei der Schadenbearbeitung um einzelne Ausreißer.

Mit dieser Einschätzung steht der Versicherer-Verband jedoch ziemlich alleine da. „Wir erhalten auch Rückmeldungen bzw. Beschwerden von BVK-Mitgliedern, wonach die direkte Erreichbarkeit von Sachbearbeitern und insbesondere die Schadensachbearbeitung bei einigen Versicherern immer schlechter wird, teilweise mit Bearbeitungszeiträumen von mehreren Monaten“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz auf Nachfrage von procontra. Die entsprechenden Versicherer sollten diese strukturellen Probleme laut Heinz zeitnah beheben, auch um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Denn insbesondere Versicherungsmakler könnten geneigt sein, nur noch Verträge von Gesellschaften zu vermitteln, bei denen diese Probleme nicht bestehen. „Der Aufbau zusätzlicher Personalkapazitäten, verbunden mit dem verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Schadenbearbeitung, ist aus unserer Sicht wünschenswert“, sagt Heinz.

Digitalisierung hält noch nicht, was sie verspricht

Doch die künstliche Intelligenz kann es, Stand heute, noch nicht richten. „Die Herausforderungen im Service der Versicherer treffen auf einen allgemeinen Fachkräftemangel und die KI kann hier noch nicht zur Entlastung beitragen, sondern gehört derzeit eher zu den Projekten, die Ressourcen binden“, erläutert Martin Klein, Vorstand des Votum-Verbands. Die KI befinde sich bei den meisten Unternehmen noch in der Implementations- und Umsetzungsphase.

Wohngebäude-Spezialist Nico Streker bemängelt die bisher nur halbherzige Umsetzung der Digitalisierung: Statt echte Automatisierung und Prozessoptimierung gibt es oft nur Insellösungen. Das führe zu Medienbrüchen und ineffizienten Abläufen, besonders bei komplexeren Anliegen von Maklerhäusern. Auf der anderen Seite werde beim Faktor Mensch gespart: Viele Versicherer haben in den letzten Jahren Personal abgebaut oder finden kaum qualifizierte Fachkräfte. Das wirkt sich direkt auf Erreichbarkeit und Bearbeitungsdauer aus. „Auch im Underwriting und bei Risikobesichtigungen bedarf es oftmals langer Vorlaufzeiten“, berichtet Streker. Viele Sachbearbeiter bleiben nur kurz oder wechseln laut Streker intern häufig, was zu mangelnder Kontinuität und wiederholten Erklärungen führt. Speziell bei Rahmenvereinbarungen für den Makler ein ärgerlicher Zustand.

Gründe liegen auf der Hand: Fachkräftemangel, Ersatzteilprobleme, Reparaturzeiten

Es gibt auch durchaus Versicherer, die sich der Verantwortung bewusst sind: „Die Lage im Bereich Kfz-Schäden bleibt schwierig“, räumt eine Axa-Sprecherin ein. „Da z. B. bei Reparaturen weiterhin einzelne Ersatzteile noch nicht wieder in der Geschwindigkeit verfügbar sind wie vor der Corona-Pandemie. Das führt zu längeren Reparaturzeiten und mehr Rückfragen von Kundinnen und Kunden.“ Trotzdem erreiche die Axa bei über 90 Prozent der Anfragen die festgelegten Servicelevel. „Um unseren Service weiter zu verbessern, stellen wir aktuell neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein und investieren in die Optimierung unserer IT-Systeme für schnellere Abläufe“, stellt die Axa in Aussicht.

Auch der HDI räumt ein, dass der Versicherer über den Jahreswechsel temporär ein erhöhtes Arbeitsaufkommen hatte. Dieses sei zwischenzeitlich erfolgreich abgearbeitet, sodass die Erreichbarkeit der Serviceeinheiten heute wieder gewährleistet sei.

Auf die Missstände angesprochen gibt sich die Allianz selbstbewusst. „Aktuell beobachten wir in all unseren Sachversicherungssparten eine gute Situation. In einzelnen Bereichen sind wir sogar so weit, dass es gar keine Wartezeiten mehr gibt – dies ist auch in Summe unser Ziel in allen Bereichen. Über 40 Prozent unserer Schäden durchlaufen den Prozess komplett digitalisiert“, heißt es von dem Versicherer.

Aus Sicht vom Johannes Neder, Vorstand der Vema, bringt es ohnehin nichts mit dem Finger auf die Versicherer zu zeigen. „Die Ursachen liegen klar auf der Hand und wir werden nicht müde, dies zu betonen: Der Fachkräftemangel macht auch vor der Versicherungswirtschaft nicht Halt“, so Neder. Geeignetes Personal sei schwer zu finden und selbst wenn Unternehmen gezielt ausbilden, dauere es, bis Nachwuchskräfte einsatzbereit seien – oft jedoch noch ohne praktische Erfahrung. Bei Quereinsteigern dasselbe: Sie brächten zwar frische Perspektiven, stünden aber häufig vor denselben Hürden, wenn es um komplexe Fragen gehe. „Wir arbeiten jedenfalls weiter daran, zwischen Maklern und Versicherern bestmöglich zu vermitteln und Prozesse zu optimieren“, so Neder.

Lösung noch nicht in Sicht

Kunden steht es laut BaFin frei, sich bei „Nichterreichbarkeit“ einer Versicherung über das betreffende Unternehmen zu beschweren. In diesem Zusammenhang macht die Aufsicht jedoch darauf aufmerksam, dass die BaFin im Rahmen ihres kollektiven Verbraucherschutzmandats Verbraucherinnen und Verbrauchern im Einzelfall nicht zu ihrem individuellen Recht verhelfen kann. Dafür gibt es allerdings die Schlichtungsstelle des Ombudsmannes. Letztendlich bleibt ansonsten nur der zivilrechtliche Klageweg.

Und für den Makler? Um die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen, empfiehlt der AfW, genau hin zu schauen und gezielt auf Versicherer zu setzen, die persönliche Erreichbarkeit gewährleisten. Die Verbände bieten zudem an, im Zweifelsfall die Interessen der Makler bei den Versicherern zu vertreten.