Kolumne

Kumulschäden erfolgreich managen

Der Herbst steht vor der Tür und damit die Sturmsaison. Unwetterereignisse nehmen zu, was Kunde, Vertrieb und Versicherer besonders fordert. Wie Vermittler durch effizientes Management den Regulierungsprozess unterstützen können.

13:11 Uhr | 03. November | 2023
Timo Heitmann

Timo Heitmann, Versicherungsdetektiv und Teamleiter Schadenaußendienst

| Quelle: Privat

Unwetterereignisse können uns als Versicherungsbranche im besonderen Maße fordern. Kommt es zu sogenannten Kumulschäden, also viele Schadenfälle aufgrund eines Ereignisses, werden im Rahmen des Schadenmanagements auf Seiten der Versicherer individuelle Maßnahmen eingeleitet und Regelbetriebsprozesse angepasst. Da aber alle Betroffenen auf einmal Hilfe benötigen, braucht es ein cleveres Kumulmanagement, wofür ich ein paar Tipps an die Hand geben möchte, um diese hektische Zeit weniger belastet durchzustehen.

Schadennummer besorgen

Bei einem Kumulschaden besteht besonderer Kommunikationsbedarf. Die Telefone klingeln auf allen Leitungen, Chatnachrichten auf dem Smartphone und den Social-Media-Kanälen, auch das E-Mail-Postfach läuft voller und voller.

Die Kommunikation mit dem Versicherer erfordert in der Regel eine eindeutige Schadennummer. Ich rate dazu, so schnell wie möglich eine Schadennummer zu erhalten (online oder telefonisch) und diese in jedem Schriftwechsel im Betreff einer E-Mail einzutragen (auch die Kunden darum zu bitten, dies zu beherzigen).

Der Versicherer erhält dadurch eine möglichst schnelle Schadenmeldung zu jedem betroffenen Vertrag und einen Überblick über die Kumulregion und die Schadensverteilung im eigenen Bestand. Dies ist besonders zur Steuerung von Schadenaußendiensten, die die Schäden vor Ort besichtigen und zum Teil direkt regulieren können, elementar wichtig.

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Datenbank zum Schadenmanagement

Außerdem sollten die Schäden über eine Datenbank gemanagt werden. Das kann ein Bestandsführungssystem mit Schadenfunktionen oder eine einfache Excel-Tabelle sein. Wichtig ist, jede Information konsequent zu erfassen und übersichtlich abzulegen (selbstverständlich datenschutzkonform). In der Regel müssen relevante Informationen mehrfach geteilt oder weitergeleitet werden. Liegen diese bereits digital und übersichtlich vor, erleichtert das die Bearbeitungsqualität und beschleunigt die Prozesse. Andernfalls geht der Überblick schnell verloren und der Stresslevel steigt bei allen Beteiligten. Auch kleine Notizen sollte man festhalten, um stets den aktuellen Stand aller Absprachen mit allen Schadensbeteiligten auf Knopfdruck dokumentiert und griffbereit zu haben.

Erwartungen des Kunden managen

Ebenfalls wichtig ist die Kommunikation zum Kunden im Sinne seiner emotionalen Verfassung und der optimalen Prozesssteuerung. Ich empfehle, die Schäden möglichst frühzeitig (gerne bereits im Erstkontakt) in Abstimmung mit den Kunden in eine Kategorie einzusortieren und aktives Erwartungsmanagement zu betreiben.

Habe ich als Vertreter*in eigene Schadensregulierungsvollmachten und liegt der Anspruch im Rahmen meiner Vollmacht? Falls ja, sollte von der Regulierungsvollmacht Gebrauch gemacht werden. Der Kunde wird begeistert sein, die Prozesskette ist dramatisch verkürzt. Auch der Versicherer kann sich auf die weiteren offenen Schäden konzentrieren. Darüber hinaus lohnt es sich in diesem Zusammenhang darüber nachzudenken, mit welchen Prozessanpassungen die eigenen Schadenregulierungskapazitäten erhöht werden können – zum Beispiel in punkto Personalplanung, Fokussierung der Tätigkeiten oder externe Unterstützung.

Bei Obliegenheitspflichten unterstützen

Kunden fühlen sich im Schadenfall schnell einem Spagat hinsichtlich ihrer Obliegenheitsverpflichtungen ausgesetzt. Die Pflicht, eine Schadensstelle unverändert zu lassen, bis der Versicherer eine Veränderung freigibt, beißt sich dann mit der Obliegenheit, schadenmindernde Maßnahmen ergreifen zu müssen. Die Schadenminderung hat Priorität, Kunden gehören trotzdem dahingehend beraten, aussagekräftige Fotos und Videos zu machen, um dann im direkten Anschluss die Sofortmaßnahmen einzuleiten, ohne ggf. wichtige Beweise zu vernichten.

Dabei sollte nur so viel wie nötig verändert werden, damit sich der Schaden nicht ausweitet. Der Rest erfolgt dann in Abstimmung mit dem Versicherer. Das betrifft auch Gegenstände, die direkt entsorgt werden müssen. Hier sollten vorher Fotos angefertigt werden. Denn trotz der Schwere der Situation bleibt es dabei, dass der Versicherungsnehmer die Schadensursache und die Schadenhöhe zu beweisen hat, um einen Anspruch aus seinem Vertrag zu begründen.

Erwartungen auf realistisches Niveau bringen

Die persönliche Betroffenheit und der emotionale Umgang der Menschen mit der Situation und im Ergebnis auch die Erwartungen an uns Versicherer sind sehr unterschiedlich. In diesen Fällen hilft es, das Erwartungsmanagement des Kunden frühzeitig auf ein realistisches Niveau zu bringen. Je transparenter die Kommunikation gelingt, desto besser. Idealerweise sollte die Dringlichkeit der Bearbeitung jedes Schadensfalls mit den Kunden besprochen werden. Durch eine bewusste Sensibilisierung der Kunden für nicht dringende Schäden könnte deren Solidarität eingeholt werden, bei der eigenen Erwartung an die Bearbeitungsgeschwindigkeit etwas zurückzustecken.

Dies empfehle ich speziell bei Schäden, wo der Kunde nach Befragung von sich aus einräumt, dass ein Schaden eher einen optischen Mangel darstellt. Dieser Geduldskredit darf natürlich nicht überzogen werden. Erfahrungsgemäß schafft eine derartige offene Absprache jedoch kostbare Zeit und führt vor allem dazu, dass einverstandene Kunden seltener eine Sachstandsanfrage stellen.

Laufende Kommunikation

Ich empfehle diesbezüglich, die Kunden aktiv über die laufende Korrespondenz und den Fortschritt der Bearbeitung zu informieren. Ist dem Kunden bewusst, dass aufgrund der Masse an Schäden die Reaktionszeiten länger ausfallen als üblich, kann das Verärgerungspotential reduziert werden. In der Folge bleiben unnötige Sachstandsanfragen aus, die ansonsten lediglich Mehrarbeit beim Vertrieb und Versicherer generieren und die Abwicklungen in der Regel auch nicht sinnvoll vorantreiben.

Maßnahmen mit dem Versicherer abstimmen

Ist mein Bestand extrem stark vom Kumulgeschehen betroffen, wodurch der Versicherer zu den beschriebenen Prozessanpassungen gezwungen ist, empfehle ich die Abstimmung von Kumulmaßnahmen: Wie kann bei der Schadenanlage möglichst entlastend zugearbeitet werden (Stichwort Datenbank)? Können Regulierungsvollmachten temporär für Schäden aus dem Kumulereignis erhöht werden? Besonders große Schäden, die einen Schadenregulierer oder Sachverständigen erfordern, sollten in der eigenen Übersicht entsprechend kenntlich und beim Versicherer bekannt gemacht werden. Dabei sollte informiert werden, auch mit Hinweis die Dringlichkeit, dass Besichtigungsbedarf vor Ort besteht.

Binnen kurzer Zeit müssen die Versicherer einschätzen, ob die Schadenregulierer in einer Region die Situation bewältigen können oder ob es überregionale Maßnahmen braucht.

Gerade bei der Abwicklung von Schäden, die als gut eingespieltes Tandem aus Vertrieb und Schadenregulierern im Außendienst vor Ort bearbeitet werden, sind die Kunden, trotz der für alle in der Regel turbulenten und emotionalen Situation (vielleicht auch gerade deshalb), in der Regel sehr zufrieden und manchmal sogar begeistert, ob der Geschwindigkeit und Regulierungskompetenz.

Nun bedanke ich mich fürs Lesen bis zu dieser Stelle und freue mich, wenn Sie meine Tipps annehmen möchten und Ihnen sogar eine Umsetzung gelingt. Leider ist eines sicher: Die nächsten Schäden kommen – der Herbst hat gerade begonnen – Sturmzeit.