Pflicht statt Freiwilligkeit

Elementarschutz: LBBW-Studie fordert Umdenken

Die Schäden durch Starkregen oder Überschwemmungen werden immer größer. Nur ein Bruchteil der Immobilienbesitzer ist abgesichert. Eine LBBW-Studie fordert nun eine bessere Verteilung der Lasten und eine Pflichtversicherung.

17:02 Uhr | 05. Februar | 2024
Ahrtalbahnbrücke Mayschoss

Die Schäden durch Starkregen oder Überschwemmungen werden immer größer. Eine LBBW-Studie fordert nun eine bessere Verteilung der Lasten und eine Pflichtversicherung.

| Quelle: Fotomax

Wetterextreme wie Sturm, Hagel und Überschwemmungen in Folge von Starkregen hatten im Jahr 2023 deutschlandweit Versicherungsschäden in Höhe von 4,9 Milliarden Euro verursacht. Auch wenn die Naturgefahrenbilanz des gesamten Jahres damit nicht einmal ansatzweise an das versicherte Schadenvolumens der Ahrtal-Katastrophe vom Juli 2021 heranreicht: von den geschädigten Immobilienbesitzern im Jahr 2023 dürften rund 46 Prozent auf ihren Schäden sitzen bleiben.  

In Deutschland besitzen nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 54 Prozent aller Wohngebäude eine Elementarschadenversicherung, 99 Prozent aller Wohngebäude wären nach GDV-Angaben versicherbar.  

Infolge des Klimawandels dürften die Unwetter heftiger werden und damit die Klimaschäden in den kommenden Jahrzehnten steigen. Vor dem Hintergrund fordert nun eine Studie des Landesbank Baden-Württemberg Research (LBBW) eine Mischsystem aus staatlicher Elementarschaden-Pflichtversicherung und privaten Absicherung.  

LBBW beleuchtet in aktueller Studie mögliche Lösungsansätze 

Und skizziert Lösungen, die bereits in einigen Europäischen Staaten, aber auch in den USA, existieren oder zum Teil lediglich als Vorschlag bestehen. Die Vorschläge der LBBW reichen von einer EU-weiten Absicherung für Naturkatastrophen über nationale Public-private Partnerships bis zu Elementarschaden-Pflichtversicherungen. Die Studienautoren sind dabei insbesondere der Frage nachgegangen, inwiefern eine entsprechende Versicherungspflicht die Probleme hierzulande entschärfen könnte.  

"Außerhalb des Sozialversicherungswesen sind Pflichtversicherungen hierzulande selten", sagt Werner Schirmer, der als Senior Investment Analyst maßgeblich für die Studie bei der LBBW verantwortlich ist. Jede Form von Pflichtversicherung schränke das Recht des Einzelnen auf Vertragsfreiheit ein, so Schirmer weiter. "Gleichzeitig könnte die Elementarschaden-Pflichtversicherung für Gebäudesitzer deren Existenzschutz bedeuten, sollte es zu einem Schadensfall kommen", so Schirmer weiter. Laut dem Experten ist die Pflichtversicherung schon lange kein theoretisches Konstrukt mehr: Mehrere europäische Länder hätten sie bereits in unterschiedlicher Form eingeführt. Auch in Deutschland sprachen sich neben Lobbygruppen zuletzt auch zahlreiche Politiker und Politikerinnen und der Bundesrat für die Einführung einer Pflichtversicherung aus. Die Umsetzung durch das Justizministerium blieb jedoch bislang aus. 

Mischsystem staatlicher und privater Policen  

In Summe empfiehlt das Research der LBBW ein Mischsystem staatlicher und privater Policen, wie es zum Beispiel auch der Bundesverband der Versicherten (BdV) anrät. "Zusätzlich zu dieser Idee schlagen wir vor, die bislang praktisch nicht versicherten Schäden durch Sturmflut in den Gefahrenkatalog des Pflichtversicherungssystems mit aufzunehmen", sagt Schirmer. "Zur Umlage von Prämien für Hochrisikoobjekte schlagen wir eine geografische Ausweitung des Kompensationsverfahrens auf die ganze Bundesrepublik vor", ergänzt er. Damit würden beispielsweise auch mittel- und süddeutsche Hausbesitzer ihren Anteil an möglichen Überschwemmungen in Norddeutschland übernehmen. Gleichzeitig würden diese durch norddeutsche Immobilienbesitzer entlastet, wenn es um das nach Süden hinzunehmende Erdbebenrisiko geht.  

Umdenken auf kommunaler Ebene 

Gleichwohl dürfte aber auch eine Kombination aus Pflichtversicherung und privater Elementarabsicherung die Probleme nicht lösen. Notwendig sei stattdessen ein Umdenken der Länder und Kommunen in Flächen- und Bauplanung und der Prävention, betonte der GDV gerade erst zum Jahresbeginn auf einer Pressekonferenz. Die Forderung der Versicherer reichten dabei von einem Baustopp für Gebäude in ausgewiesenen Gefahrengebieten über eine Verankerung von Prävention und Klimafolgenanpassung in den Landesbauordnungen bis hin zu einem bundesweiten Naturgefahrenportal, das die Gefahrenlagen deutlich benennt. „Nur Prävention verhindert Schäden oder mindert deren Höhe. Eine Versicherungspflicht allein löst kein einziges Problem“, betont in dem Zusammenhang Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. 

Bereits im Jahr 2022 hatte die Zurich Versicherung Deutschland eine Studie zur Hochwasser-Katastrophe an der Ahr in Auftrag gegeben. Die Studie war seinerzeit im Rahmen des Zurich Flood Resilience Programs mithilfe der PERC-Methode (Post Event Review Capability) entstanden, das regelmäßig große Hochwasserereignisse erforschen soll; und sie zeigte, dass ein unzureichendes Hochwasserverständnis, eine problematische Wiederaufbaustruktur sowie ungenügende Maßnahmen zur Risikoreduktion im Vorfeld einen entscheidenden Teil an der Katastrophe beitrugen. Dass die Sensibilität immer noch nicht vorhanden ist, zeigte die Zurich Studie. So dürfen von 9.000 im Ahrtal zerstörten Gebäuden ganze 34 nicht wieder aufgebaut werden.