Urteil

Rente oder Einmalzahlung bei der bAV?

Arbeitnehmer bekommen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung meist als Rente. Manche bevorzugen jedoch die Einmalzahlung. Was erlaubt ist, steht in der Versorgungsordnung. Wie das Bundesarbeitsgericht in vier Streitfällen entschieden hat.

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09:01 Uhr | 19. Januar | 2023
Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Die Betriebsrente ist so auszuzahlen, wie es die Versorgungsordnung vorgibt. Gut ist ein Wahlrecht für Arbeitnehmer.

| Quelle: Bundesarbeitsgericht

Lohnt die betriebliche Altersversorgung (bAV) angesichts von aktuell knapp zehn Prozent Inflation und gleichzeitig weiter niedrigen Anleihezinsen? Das dachte sich wohl auch ein Neu-Betriebsrentner, lehnte deswegen eine Einmalzahlung seiner bAV-Leistung ab und entschied sich für die monatliche Zahlung der Betriebsrente. Doch sein Arbeitgeber beharrte auf Einmalzahlung.

Der Streit ging vor Gericht bis zur letzten Instanz. Zunächst lehnten das Arbeitsgericht Arnsberg und in zweiter Instanz auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm den Wunsch des Rentners nach Rentenzahlung ab. Begründung des LAG: Der Arbeitgeber darf seiner Verpflichtung per Einmalzahlung nachkommen (Az.: 4 Sa 221/21). Dies erstaunt, denn nur in der ursprünglichen Versorgungszusage von 1997 stand: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“ Der Rechtsnachfolger des Arbeitgebers präzisierte 2005: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“ Und 2006 wurde im Anhang eines neuen Dienstvertrages ergänzt: „Der Arbeitgeber zahlt eine lebenslängliche Altersrente von 1.022,58 Euro im Monat.“

Arbeitnehmer bekommt wie gewünscht Rente

Dennoch bot der neue Arbeitgeber anstelle einer monatlichen Rente nur eine einmalige Kapitalabfindung, beziffert auf gut 153.000 Euro brutto. Der Arbeitnehmer widersprach und führte mehrere Gründe an: Es handele sich um AGB, die sich am Transparenzgebot messen lassen müssten; im Dienstvertrag sei nur noch von Rente die Rede; eine Kapitalabfindung verstoße gegen Paragraf 3 BetrAVG; billiges Ermessen sei dazulegen; Willkür auszuschließen, Wertgleichheit fehle, Gleichbehandlung zu anderen Ausgeschiedenen ebenso – und außerdem wolle er sich nicht mit der Anlage des Geldbetrags befassen müssen, den er im Rahmen einer Kapitalabfindung erhielte.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun am 17. Januar 2022 in letzter Instanz: Der Arbeitgeber darf sich nicht auf die Einmalzahlung berufen. Das Urteil des LAG Hamm wurde aufgehoben und die Sache zur Klärung der offenen Punkte - auch über die Kosten der Revision - an das LAG zurückverwiesen (Az.: 3 AZR 501/21).

Arbeitnehmerin bekommt wie gewünscht höhere Rente

 In einem zweiten Fall war es genau umgekehrt. Eine Betriebsrentnerin schickte gut 100.000 Euro postwendend an den Arbeitgeber zurück. Die Krankenpflegerin war über eine pauschaldotierte Gruppen-U-Kasse abgesichert. Die Kasse schrieb ihr kurz vor dem Ruhestand: Man behalte sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen. Zu Rentenbeginn 2021 nahm der Arbeitgeber 123.649 Euro brutto in die Hand, führte gut 17.000 Euro Lohn- und Kirchensteuer ab und überwies 106.476 Euro netto an seine Ex-Mitarbeiterin. Die aber schickte das Geld zurück und wurde vom Arbeitgeber verklagt.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage der Ex-Arbeitnehmerin statt. Diese kritisierte, der Arbeitgeber sei zur Kapitalabfindung gar nicht berechtigt gewesen, sondern nur die U-Kasse – die aber davon keinen Gebrauch gemacht hatte. Außerdem sei der gezahlte Betrag nicht ausreichend, die Frau verlangte den Gesamtbetrag von 123.649 Euro, weil die Leistung steuerfrei sei. Das LAG Düsseldorf stimmte der Frau zu und sahen in der Einmalzahlung einen Änderungsvorbehalt, welcher der AGB-Inhaltskontrolle (gemäß Paragraf 308 Nr. 4 BGB) unterliegt (Az.: 12 Sa 1068/21).

Das Verhältnis von Einmalzahlung und Rente im Gesetz

Begründung: Laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen seien nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der bAV. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um zwei unterschiedliche und inhaltlich deutlich anders ausgestaltete Leistungen handelt. Folge: Die Einmalzahlung sei nicht zumutbar. Wäre sie es, handelte es sich bei der vorliegenden Kapitalleistung nicht um den versicherungsmathematischen Barwert der versprochenen laufenden Rente, sondern um den davon zu unterscheidenden, niedrigeren Wert, nämlich die zehnfache Jahresleistung dieser Betriebsrente.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte auch in diesem Fall das letzte Wort und entschied nun am 17. Januar 2022 in letzter Instanz: Die Revision gegen das Urteil des LAG Düsseldorf wird zurückgewiesen (Az.: 3 AZR 220/22). Damit muss der Arbeitgeber die Einmalzahlung rückgängig machen und der Frau eine monatliche Betriebsrente zahlen. Der Arbeitgeber hat die Kosten der Revision zu tragen.

Klage nur mit echter Unterschrift wirksam eingegangen

In den beiden anderen Fällen ging es mehr um Formalien. Hauptfrage: Vordergründig ging es bei dem Streit um die Höhe der Betriebsrente, die das Arbeitsgericht Frankfurt/Main für unbegründet hielt. Der Arbeitnehmer legte zweimal per Fax (im E-Mail-to-Fax-Verfahren) und zusätzlich per beA Berufung beim Hessischen LAG ein und schickte die Begründung später ebenfalls per Fax, jedoch nur mit eingescannten Unterschriften.

Eine im E-Mail-to-Fax-Verfahren übermittelte Berufungsbegründung genügt jedoch grundsätzlich nicht den gesetzlichen Formanforderungen, wenn sie lediglich eine eingescannte Unterschrift enthält, so das LAG. Damit lehnte das Gericht die eigentliche Entscheidung in der Sache ab und verwarf beide Berufungen als unzulässig (Az.: 6 Sa 1248/20 und 6 Sa 1249/20). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 17. Januar 2022 in letzter Instanz: Die Urteile des Hessischen LAG werden aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen (Az.: 3 AZR 158/22 sowie 3 AZR 159/22). Damit dürfte eine gescannte Unterschrift künftig wohl doch genügen.

Den Volltext der vier Urteile wird das BAG erst in etwa zwei Monaten veröffentlichen, so ein Sprecher gegenüber procontra. Nur Kurzfassungen waren bei Redaktionsschluss auf der BAG-Website eingestellt.