Könnte die EU-Kleinanlegerstrategie bis Ende des Jahres durch sein?
Auf europäischer Ebene wird nach einer längeren Pause wieder die Gesetzgebung zur Retail Investment Strategy (RIS), oder Deutsch: EU-Kleinanlegerstrategie, vorangetrieben. In der Versicherungswirtschaft hatte man sich mit der neuen Ratspräsidentschaft erhofft, dass auch der geplante Bürokratieabbau Einzug in die Verhandlungen finden würde oder zumindest nicht noch mehr Bürokratie eingeführt würde.
Seit der Sommerpause haben nun bereits drei Triloge zur Retail Investment Strategy (RIS) stattgefunden – zuletzt am 21. Oktober. Im ersten Trilog im Juli wurde eine vorläufige Einigung über verbindliche Verträge für die Zusammenarbeit von Finanzunternehmen mit Finfluencern erzielt und neue Maßnahmen zur besseren finanziellen Bildung abgestimmt. Laut Vermittlerverband Votum handelt es sich dabei um eher unkritische Randthemen der RIS.
Jetzt geht es aber langsam ans Eingemachte. Im September traf man sich erstmals, um über eine Vereinfachung des Gesetzestextes zu verhandeln. Der Auftrag ging an die EU-Kommission, hierfür bis zum nächsten Trilog Vorschläge vorzubereiten. Am 21. Oktober wurde der Trilog fortgesetzt. Erneut standen Kundenklassifizierung und Kostenausgestaltung auf der Agenda. Diese Diskussionen sollen nun auf eine technische Ebene außerhalb der eigentlichen Trilogverhandlungen verlagert werden.
Kann die RIS noch gekippt werden?
Laut Votum gibt es insbesondere bei den Parlamentariern weiterhin signifikanten Widerstand gegen den aus Sicht des Verbandes unpassenden Ansatz der RIS. „Sofern die EU-Kommission nicht zu maßgeblichen Vereinfachungen bereit ist – insbesondere zum Verzicht auf eine Vielzahl der geplanten Level-2- und Level-3-Ermächtigungsgrundlagen – ist auch eine Einstellung des Projekts möglich“, so zumindest der Wunsch des Verbandes. „Die RIS ist symptomatisch für die Widersprüchlichkeit des Handelns der Kommission“, sagt Martin Klein. „Sie steht für ein kleinteiliges, selbstermächtigendes Drehen an der Regulierungsschraube, das neue Pflichten schafft, statt Potenzial freizusetzen. Zudem ist sie eine Kompetenzaneignungsmaschine, wie sie Verheugen beschrieben hat. Sie enthält im Entwurf der EU-Kommission unzählige Ermächtigungen, um auf zweiter und dritter Ebene weitere Regulierung seitens der Kommission anzuschieben und sich hierbei weitestgehend der parlamentarischen und nationalen Kontrolle zu entziehen.“
Letztlich wäre aber aus Sicht von Votum bereits das Ergebnis, dass es bei den im ersten Trilog vereinbarten Inhalten bleibt, als Erfolg zu werten, da sie hierin keinen maßgeblichen Anstieg der Bürokratie sehen.
Der BVK geht allerdings nicht davon aus, dass die RIS komplett gekippt werden kann – im Gegenteil. Bereits bis Dezember sollen die letzten Punkte im Trilog geklärt werden. Bis Jahresende wollen die Verhandlungspartner (EU-Kommission, EU-Rat und -Parlament) eine Einigung erzielen und sind an einem zügigen Abschluss interessiert. Ob mit einer finalen Entscheidung noch in diesem Jahr zu rechnen ist, kann man nach Einschätzung der Verbände zurzeit nicht definitiv sagen, auch wenn Dänemark als Vorsitz im Rat dieses Ergebnis gerne für sich verbuchen würde. Der nächste Trilog wird am 25.11. stattfinden. Sollte bis Ende des Jahres eine vollständige politische Einigung erzielt werden, könnte die endgültige Abstimmung über den Text im Jahr 2026 erfolgen.
Provisionsverbot scheint vom Tisch – aber weitere kritische Punkte
Doch es gibt auch eine sehr gute Nachricht für den Versicherungsvertrieb: Das Thema Provisionsverbot wurde erfreulicherweise nicht erneut thematisiert und wird wohl nicht mehr aufgegriffen.
Trotzdem müssen die geplanten Anforderungen an den Anlegerschutz laut BVK noch deutlich verbessert werden, ohne die Beratungsprozesse durch zusätzliche Bürokratie und andere Hindernisse zu belasten. Unangemessene Kostenbenchmarks und Value for money-Vorgaben schränkten das Angebot ein und schadeten eher. Die Bewertung von Produkten allein anhand von Kosten greife zu kurz und vernachlässige wichtige Kriterien wie Performance und Risikoprofil.
Besonders kritisch sieht der BVK die geplante Überarbeitung des Informationspapiers für IBIP-Produkte (Insurance-Based Investment Products). Das neue vereinfachte KID (Key Information Document) soll laut EU-Vorschlag modernisiert werden, um Kleinanlegern eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bieten. Der BVK fordert, dass diese Dokumente klar, verständlich und praxisnah gestaltet werden – ohne die Beratungsprozesse unnötig zu verkomplizieren. Der BVK wird sich gemeinsam mit seinem europäischen Dachverband der Vermittler BIPAR für eine ausgewogene, verbraucherfreundliche und wettbewerbsfördernde Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie einsetzen.
Long Story short
Fortschritt und Streitpunkte der RIS-Verhandlungen: Nach der Sommerpause fanden drei Triloge zur Retail Investment Strategy (RIS) statt. Während erste Einigungen zu Finfluencer-Regeln und Finanzbildung als unkritisch gelten, stehen nun zentrale Themen wie Kundenklassifizierung und Kostenregelungen im Fokus. Diese sollen künftig auf technischer Ebene weiterverhandelt werden.
Kritik und Widerstand: Branchenverbände wie Votum kritisieren die RIS als überreguliert und bürokratisch. Sie fordern deutliche Vereinfachungen und den Verzicht auf zusätzliche Ermächtigungen der EU-Kommission (Level-2- und -3-Regelungen). Andernfalls sei eine Einstellung des Projekts wünschenswert.
Aussichten und offene Punkte: Eine vollständige Ablehnung der RIS gilt laut BVK als unwahrscheinlich – bis Jahresende soll eine politische Einigung erzielt werden. Das Provisionsverbot scheint endgültig vom Tisch, doch bei Themen wie Anlegerschutz, Kostenbewertung und Informationspflichten (KID für IBIP-Produkte) sehen die Verbände weiterhin erheblichen Nachbesserungsbedarf, um Beratungsprozesse nicht weiter zu belasten.

