PKV-Beitragsanpassungen: BGH spezifiziert Anforderungen an Versicherer

Im Dezember legte der BGH in einem aufsehenerregenden Urteil fest, welche formalen Anforderungen die privaten Versicherer erfüllen müssen, wenn sie Beitragsanpassungen gegenüber ihren Kunden kommunizieren wollen. Nun weist der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis auf ein weiteres Urteil hin.

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09:06 Uhr | 02. Juni | 2021

Wenn die private Krankenversicherung ihre Beiträge anhebt, sorgt das bei ihren Kunden oftmals für Ärger, der mittlerweile regelmäßig die deutschen Gerichte beschäftigt. Dort geht es in erster Linie nicht um die Frage, ob die Beitragsanpassungen sachlich notwendig sind, vielmehr stehen formale Fragen im Vordergrund.  

Nachdem es lange Zeit um die Unabhängigkeit der Treuhänder ging, die die Beitragsanpassungen der Versicherer absegnen müssen, argumentieren viele Verbraucher bzw. deren Anwälte mittlerweile häufig, dass die Versicherer die Prämienanpassungen nicht ausreichend begründet haben. So sieht Paragraph 203 Abs. 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vor, dass den Versicherten die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung genannt werden müssen, damit dieser die Maßnahme seines Versicherers auch versteht und diese nicht willkürlich erscheint.  

Urteil gegen die Axa

Dies war in der Vergangenheit nicht immer der Fall: Erst im Dezember vergangenen Jahres verurteilte der Bundesgerichtshof die Axa zur Rückzahlung von Beiträgen, da diese es sich bei der Begründung zu leicht gemacht hatte: Für eine wirksame Prämienerhöhung muss die Begründung die Angabe der Rechnungsgrundlage enthalten, die die Veränderung der Prämien veranlasst hat – gemeint ist hiermit unter anderem die Versicherungsleistung oder die Sterbewahrscheinlichkeit.  

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Kommt es bei diesen Faktoren zu einer Veränderung, muss der Versicherer neu kalkulieren. Die Prämien anpassen darf er allerdings nur, wenn sogenannte auslösende Faktoren vorliegen, sprich die erwarteten von den einkalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als zehn Prozent oder die erforderlichen von einkalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten um mehr als fünf Prozent abweichen.  

Welche der beiden Rechnungsgrundlagen Anlass zur Beitragsanpassung bietet, muss dem Kunden allerdings klar kommuniziert werden. Einzig und allein dem Kunden die gesetzlichen Grundlagen der Prämienanpassungen zu nennen, ist hingegen nicht ausreichend, urteilte der BGH.  

Neues Urteil des BGH

In einem weiteren Urteil (Az: IV ZR 36/20), auf das der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis hinweist, spezifizierte der BGH nun die Anforderungen an die Versicherer. Im vorliegenden Fall hatte der Krankenversicherer an seine Kunden folgende Erklärung verfasst:  

„Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung? Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflegeversicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen – und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert. Ihr privater Krankenversicherungsschutz berücksichtigt darüber hinaus den medizinischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapiemethoden und Medikamenten.

Mit dem medizinischen Fortschritt wächst also der Umfang Ihres Versicherungsschutzes. Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und Geschlecht.

Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet. Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag:

Steigende Lebenserwartung… Kapitalmarktsituation… Entwicklung des Versichertenbestandes…“  

Diese Erklärung war nach Ansicht des Bundesgerichtshofes allerdings nicht ausreichend. So könne der Kunde aus dieser zwar entnehmen, dass die Prämien jährlich überprüft würden.  Nicht ersichtlich würde für den Kunden aber das konkrete Ergebnis dieser Prüfung.  

Versicherer haben weiter großen Spielraum

Allerdings ließ der BGH den Versicherern weiter großen Spielraum, berichtet Michaelis. Zweck der Begründung solle lediglich sein, dass dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht werde, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers ursächlich für die Prämienerhöhung war.  

Für die Versicherer bedeutet das, dass diese weiterhin keine Angaben darüber machen müssen, welche sonstigen Faktoren die Prämienhöhe beeinflusst haben. Darüber hinaus müsse der Versicherer auch nicht mitteilen, in welcher Höhe sich der prämienanpassungsauslösende Faktor verändert hat, schreibt Michaelis. Auch eine Veränderung des Rechnungszinses muss – obwohl dieser ganz erheblichen Einfluss auf die Prämienhöhe haben kann – vom Versicherer weiter nicht genannt werden.  

Für den Kunden bleibe es daher weiterhin schwierig, die Berechnungen des Versicherers zu überprüfen. Aufgrund der Tatsache, dass der Versicherer weiterhin keine Plausibilitätskontrolle seiner Berechnungen ermöglichen muss, sei eine Kontrolle durch den Verbraucher selten möglich, merkt Michaelis kritisch an.