Kundenansprache: „Du, die Versicherungsnehmenden ärgern mich, Herr Bäte!“

Beim Thema Kundenansprache scheiden sich die Geister. Die einen präferieren genderfaire Sprache, während andere sich „mitgemeint“ fühlen. Die Dritten wiederum bestehen darauf gesiezt zu werden. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie im Überblick

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12:06 Uhr | 27. Juni | 2022

Du oder Sie? Herr Bäte oder Oliver? Versicherungskundinnen und Versicherungskunden? Oder doch besser gleich: Kundschaft? Beim Thema „Ansprache“ geraten gerne die Gefühle in Wallung – nach wie vor. Erst kürzlich entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass die Deutsche Bahn ihre Kundenanrede im Internet anpassen muss: Das Unternehmen wird seine Kunden ab 2023 geschlechtsneutral ansprechen, also Alternativen zu „Mann“ und „Frau“ offerieren. Mehrere nicht-binäre Personen hatten gegen die Deutsche Bahn geklagt.

Währenddessen hat ein VW-Manager gegen die Verwendung des sogenannten Gender Gaps (Kund_Innen) in Mails und Arbeitsaufträgen geklagt. Das Urteil im Genderspracheprozess soll am 29. Juli gefällt werden.

Während die einen also die gendersensible beziehungsweise -faire Verwendung bevorzugen und dabei auf die Macht der Sprache verweisen, die bestehende Ungerechtigkeiten manifestieren kann, winken andere nur enerviert ab.

Das Störgefühl nimmt mit dem Alter zu

Dabei ist immer die Frage: Wer winkt ab? Die Maklerbranche ist im Durchschnitt: männlich und über 50 Jahre alt. Der Frauenanteil in den Führungsetagen von Banken und Versicherungen lag 2019 hierzulande bei 9,8 beziehungsweise elf Prozent (DIW). Klar, könnte man meinen, dass jene, die eher seltener mit Nachteilen klarkommen müssen, lieber alles beim Alten behalten wollen.

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So zumindest könnte man die Zahlen einer aktuellen Erhebung lesen: Demnach finden es nur zwölf Prozent der Befragten aus der Versicherungsbranche explizit gut, wenn gegendert wird. Immerhin 57 Prozent und damit die Mehrheit stört sich zumindest nicht an der geschlechtergerechten Ansprache, während sich 39 Prozent darüber ärgern. Das ist das Ergebnis der Studie Kundenmonitor Assekuranz 2022 zum Thema „Kommunikation – heute“, für die im April über 2.000 Entscheider und Mitentscheider zwischen 18 und 69 Jahren befragt worden sind.

Wenig überraschend: Das Störgefühl nimmt mit aufsteigendem Alter zu, für unter 30-Jährige ist Gendern nur für 18 Prozent problematisch, bei den 31- bis 55-Jährigen stören sich hingegen über ein Drittel daran (36 Prozent). Besonders gestört fühlen sich die über 55-Jährigen. Hier nimmt jeder Zweite daran Anstoß (51 Prozent).

Kunde, Kund_Innen, Kund*innen, Kundschaft?

Eher akzeptiert ist mit insgesamt 81 Prozent die Nennung beider Geschlechter (Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer). Das generische Maskulinum, also die alleinige Verwendung der männlichen Form, bevorzugen Dreiviertel der Befragten (76 Prozent), dicht gefolgt von der geschlechtsneutralen Formulierung wie „Versicherungsnehmende“ (75 Prozent).

Dabei würden ältere Befragte die Nennung beider Geschlechter gegenüber dem generischen Maskulinum sogar präferieren (28 Prozent/25 Prozent). Jüngere Teilnehmer hingegen bevorzugen mit 31 Prozent die geschlechtsneutrale Formulierung und halten diese vor allem in den sozialen Netzwerken von Versicherer für angemessen.

Du, Herr Pettersson?

Bei der Frage, wie die Kundschaft hierzulande am liebsten angesprochen werden möchte, könnte man meinen, Bullerbü ist nicht weit: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“, fragte 2004 ein schwedisches Möbelhaus frech die deutschen Verbraucher und konnte damit einen Erfolg für sich verbuchen.

Die Versicherungsbranche zog nach: 2020 hat es die R+V mit dem Slogan „Du bist nicht allein“ versucht, zeitgleich hat sich die Allianz mit „Wir sind da.“ geschickt aus der Affäre gezogen. Auch die Debeka wählte den eleganten (Aus-)Weg und konstatierte vor einem Jahr: „Das Füreinander zählt“.  Die Vorsicht innerhalb der Versicherungswirtschaft mit dem Wörtchen „Du“ ist nicht ganz unbegründet: Lediglich 17 Prozent der Befragten schätzen die etwas antichambrierte Ansprache in Werbung und Sozialen Medien.

Die Maklerkundschaft sieht das Duzen auf digitalem Wege mit nur neun Prozent selten positiv. Im persönlichen Gespräch mit einer Vermittlerin oder einem Vermittler möchten nur 17 Prozent geduzt werden. Die Mehrheit (53 Prozent) legt Wert auf das „Sie“.

Grundsätzlich wird die vertrauensvolle Kommunikation jedoch nicht abgelehnt: Nur jeder Fünfte (21 Prozent) ärgert sich, wenn er oder sie von Unternehmen geduzt wird.

Jung und nahbarer, älter und distanzierter

in Abhängigkeit vom Alter zeigen sich sowohl beim Gendern als auch bei der Frage, ob Siezen oder Duzen präferiert wird, deutliche Unterschiede: Die unter-30-Jährigen stehen dem Duzen als auch der gendersensiblen Ansprache tendenziell positiv gegenüber. Die Alterskohorte der 31- bis 55-Jährigen befürwortet prinzipiell das Duzen, hegt allerdings Vorbehalten gegenüber dem Gendern.

Die älteren Befragten (über 55 Jahren) sieht sowohl gendergerechte Formulierungen als auch Duzen kritisch. „Die Befragung zeigt, dass Versicherer hinsichtlich Kommunikationsweg, Anrede und Sprache noch ziel-gruppenorientierter vorgehen müssen, wenn sie ihre Kunden erreichen wollen“, sagt Martin Gattung, Gründer und Geschäftsführer des Beratungshauses Aeiforia, das zusammen mit Sirius Campus die Befragung unternommen hat.