Investments in Recycling: Alles für die Tonne?!

Angesichts weltweit wachsender Müllberge und schwindender Rohstoffe gewinnt die Abfallverwertung an Relevanz. Auch die Fondsbranche hat den Recycling-Trend erkannt.

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08:11 Uhr | 24. November | 2021

Ein eleganter Müllwagen? Klingt nach einem Widerspruch in sich. Doch der „i Vision Circular“, den BMW kürzlich auf der Mobilitätsausstellung IAA präsentierte, sieht aus wie ein schnittiger Zukunftsimport. Der Elektrokleinwagen soll aber auch keine Abfälle transportieren. Stattdessen ist er selbst aus recycelten Altmaterialien – sprich: Müll – gefertigt und bedient damit einen Trend.

Nicht nur in der Automobilindustrie ist die Kreislaufwirtschaft ein riesiges Thema, sondern in so gut wie allen Branchen. Die Zeit drängt: Der Konsum in der Welt wächst, die Müllberge türmen sich immer höher. Die Weltbank prognostiziert eine Masse von 3,4 Milliarden Tonnen Müll bis zum Jahr 2050. Kein Wunder also, dass besonders ein Wirtschaftszweig an Relevanz gewinnt: die Recycling- und Abfallwirtschaft.

Die Fondsbranche hat den Trend erkannt und bietet bereits einige Fonds und ETFs an, die ihn aufgreifen. „Besonders in Zeiten der Rohstoffknappheit wird es immer wichtiger, Materialien zurück in den Sekundärkreislauf zu überführen“, sagt Alexander Funk, Manager des Investmentfonds Ökoworld Klima. Auch er setzt im Portfolio auf Unternehmen, die helfen, den Raubbau an der Natur zu mindern, unter anderem solche aus dem Bereich Recycling und Müllverwertung. „Recycling-Unternehmen sind die Goldminen des 21. Jahrhunderts“, ist Funk überzeugt.

Das gilt vor allem im Fall von Wiederverwertern seltener Rohstoffe. Hier gibt es Nachholbedarf: Laut einer Studie des United Nations Institute for Training and Research wurden im Jahr 2019 lediglich 17,4 Prozent des globalen Elektroschrotts ausreichend recycelt. Auch die eingangs genannte Automobilindustrie, in der es durch aktuelle Zuliefererprobleme immer häufiger an Ersatzteilen mangelt, setzt zunehmend auf ein zweites Leben der einzelnen Bestandteile. Im Klimafonds setzt Funk hier zum Beispiel auf die nordamerikanische LKQ Corp. Was aber auffällt: Viele der innovativen Unternehmen in der Recyclingbranche stammen aus Europa. Darunter etwa die norwegische Tomra, die neue Pfandlösungen und Recyclinginnovationen von Plastik entwickelt.

Raus aus der Nische

Die Recyclingbranche ist vor allem für Vertriebler ein spannendes Segment, die ihren Kunden ESG-Produkte vorstellen. Dabei müssen es nicht immer ausschließlich erneuerbare Energien und Co. sein – Berater können auch Themen wie Müll und Recycling noch stärker in den Nachhaltigkeitsfokus rücken.

Mit Aktien oder Fonds in die Kreislaufwirtschaft zu investieren, klingt zunächst einmal nach einer Win-win-Situation: Die Entwicklung neuer Technologien, um die Müllprobleme besser in den Griff zu bekommen, wird angetrieben, Produzenten stehen vergünstigte Rohstoffe zur Verfügung, Investoren tun etwas Gutes und kassieren damit sogar ansehnliche Renditen. Das ist auch für Vermittler ein entscheidendes Argument.

Dennoch gelingt es nicht allen Unternehmen, am Boom teilzuhaben. Das Hamburger Unternehmen Aurubis wäre mit seiner Kupferrecycling-Sparte eigentlich perfekt aufgestellt, die Aktie profitiert zurzeit dennoch nicht. Fondsmanager Funk erklärt: „Das Umfeld passt zwar, aber das Unternehmen hat mit einer hohen Kostenquote zu kämpfen, da das Kupferrecycling sehr energieintensiv ist.“ Und weil Energie gerade teurer ist, beeinträchtigt dieser Umstand auch die Aktie. Das Beispiel lehrt: Die Abfall- und Recyclingwirtschaft gibt es nicht. Die Aufwände für die Rückführung von Papier, Baustoffen, Metallen und Elektroschrott unterscheidet sich stark.

Eine wachsende Auswahl

Berater müssen sich folglich entweder jeden Einzeltitel genau anschauen oder sie stellen ihren Kunden für eine breitere Streuung aktiv gemanagte Recycling-Fonds vor. Inzwischen gibt es einige Fonds zur Auswahl: Fidelity bietet mit dem Sustainable Waste & Water Fund auch einen eigenen Themendfonds an. Auch bei Vontobel gibt es mit dem Clean Technology Fund ein entsprechendes Angebot. Rund ein Zehntel des Portfolios bestreitet die Abfall- und Recyclingbranche. Wobei Fondsmanager Pascal Dudle eine klare Umgrenzung vermeiden möchte: „Kreislaufwirtschaft ist kein isolierter Bereich, dem nur einzelne Unternehmen zuzuordnen sind“, sagt er. Um reine Endlösungen für Müll geht es eher weniger, erklärt er: „Wir möchten in erster Linie in Unternehmen investieren, die Abfall vermeiden oder reduzieren, langlebige Produkte herstellen oder auf Materialien setzen, die sich leicht abbauen oder weiter benutzen lassen.“

Der Markt wächst und diversifiziert sich. So resultiert zum Beispiel aus der Verbreitung der Windkraft ein dringender Bedarf, Recyclinglösungen für Rotorblätter von Windturbinen zu finden, die bislang fehlen. „Das ist ein Trend mit guten Aussichten“, sagt Dudle. Gleiches gilt für die Rückführung seltener, schwer recyclebarer Rohstoffe und Metalle wie Kupfer, Kobalt oder Nickel.

Ein weiteres Argument für Investitionen in die Kreislaufwirtschaft dürfte in der aktuellen Lieferkettenkrise und Phase steigender Inflationsraten ziehen: Unternehmen, die stark nachgefragte Rohstoffe recyclen und in den Wirtschaftskreislauf zurückführen, machen sich unabhängiger und können ihre Preise stabilisieren. Die zirkuläre Wirtschaft könnte bis 2030 allein in Deutschland ein Marktvolumen von bis zu 200 Milliarden Euro erreichen, hat jüngst die Beratungsgesellschaft BCG für das „Handelsblatt“ errechnet. Davon möchten auch Anleger profitieren. Die Dringlichkeit für Unternehmen, sich hier zu bewegen, erwächst nicht nur aus regulatorischem Druck – sondern auch im Unternehmensinteresse. Prestigeprojekte wie der schicke „Müllwagen“ von BMW sind da nur ein PR-trächtiger Anfang.

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