Entfällt die Tierhalterhaftpflicht wegen Gefälligkeitsdienst?

Hunde brauchen Auslauf – und wenn das Herrchen keine Zeit dafür hat, springt unter Umständen auch mal der Nachbar ein. Wie sieht es aber in solchen Fällen mit der Tierhalterhaftpflicht aus? Über diese Frage beriet unlängst das Coburger Landgericht.

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07:05 Uhr | 17. Mai | 2021

Unter Nachbarn hilft man sich – erst recht, wenn beide Parteien hiervon profitieren. In einem Fall, den nun das Landgericht Coburg verhandelte (Az: 22 O 718/19) schaffte es ein Hundebesitzer aufgrund seines Schichtdienstes nicht, seinen Hund regelmäßig auszuführen. Die Nachbarin sprang ein, schließlich machte ihm der Spaziergang mit dem ruhigen und lieben Hund Freude.  

Dies ging über mehrere Jahre gut, bis eines der Tages der Hund auf der gemeinsamen Runde eine Katze erspähte und dieser nachjagen wollte. Durch den plötzlichen Ruck an der Leine stürzte die Frau und verletzte sich schwer, als sie mit ihrer Schulter auf die Bordsteinkante knallte. Trotz Physiotherapie ist sie weiterhin dauerhaft in ihrer Erwerbstätigkeit beeinträchtigt und kann seit dem Unfall ihren eigenen Haushalt nicht mehr wie gewohnt führen.  

Aus diesem Grund verlangte die Frau von ihrem Nachbarn – dem Hundehalter – Schadenersatz. Entscheidend war vor Gericht dabei unter anderem die Frage, ob die Klägerin durch das freiwillige Ausführen des Tieres nicht auf die Haftung des Hundehalters verzichtet habe.  

Handeln auf eigene Gefahr?

Dies verneinte das Gericht allerdings. Zwar sei ein Handeln auf eigene Gefahr möglich, beispielsweise wenn man die Ausbildung eines scharfen Hundes übernehme – nicht aber bei einem Spaziergang mit einem ansonsten sehr ruhigen und lieben Hund.  

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Auch die Tatsache, dass die Frau den Hund aus bloßer Gefälligkeit ausführte, war kein Grund für einen Ausschluss der Tierhalterhaftung. Es sei davon auszugehen, dass hierdurch keine der Parteien eine rechtliche Verpflichtung eingehen wollten, befand das Gericht. So führte die Klägerin den Hund aus, weil es ihr Spaß machte. Der Nachbar und Hundehalter wurde entsprechend entlastet. Hierdurch würden Ansprüche im Rahmen der Tierhalterhaftung allerdings nicht ausgeschlossen, urteilte das Coburger Landgericht.  

Allerdings führten die Richter weiter aus, habe die Klägerin den Unfall zumindest zum Teil auch selbst verschuldet. Gerade bei einem Spaziergang in der Dämmerung sei stets damit zu rechnen, dass der Hund seinem Jagdtrieb folge und einfach losrenne. Darum habe die Frau entweder die Leine fester halten oder eher loslassen müssen, um den Sturz zu vermeiden.  

Der Hundehalter müsse darum nur für 50 Prozent des entstandenen Schadens aufkommen, befand das Gericht. Das Urteil ist rechtskräftig.