BRIC-Investments: Was ist vom Hype geblieben?

Kaum eine Anlageidee hat nach einem Hype weltweit einen solchen Niedergang erlebt wie der BRIC-Ansatz. Nur wenige Aktienfonds nach diesem Modell halten sich noch wacker.

12:05 Uhr | 20. Mai | 2021

Genau zwanzig Jahre ist es her, dass der damalige Chefvolkswirt der US-Bank Goldman Sachs, Terence James „Jim“ O’Neill, in einem Arbeitspapier das Kürzel „BRIC“ geprägt hat. Der Gedanke hinter diesem Kürzel war, dass die Länder Brasilien, Russland, Indien und China wegen ihres starken Wirtschaftswachstums und ihrer Größe beste Investmentchancen für Anleger böten. Ein Portfolio gezielt aus Aktien von Unternehmen aus diesen Ländern könne daher die Renditechancen sehr gut einfangen. Eine Idee, die einen wahren Hype am Investmenthimmel ausgelöst hat.

Fondsanbieter weltweit haben den Ansatz aufgegriffen und ein breites Sortiment an BRIC-Fonds entwickelt. Einer der Klassiker am deutschen Markt ist der Templeton BRIC A (acc) Eur (Isin: LU0229946628), den die US-Gesellschaft Franklin Templeton im Herbst 2005 aufgelegt hat. Der Fonds ist heute knapp das älteste Portfolio in der Kategorie „Aktien BRIC“ des Fondsanalyseanbieters Scope Analysis. Gleichzeitig ist er einer der letzten fünf Portfolios in verschiedenen Tranchen, die dort noch übrig sind.

„In der Hochphase vor rund zehn Jahren waren drei Dutzend Fonds in dieser Kategorie verzeichnet“, sagt Andreas Köchling, Fondsanalyst und stellvertretender Leiter des Fondsratings bei Scope. Für ihn war die ursprüngliche Idee mehr als eine bloße Marketingstrategie. „Vor 20 Jahren hatten nicht sehr viele Entwicklungs- und Schwellenländer ausreichend investierbare Unternehmen und Aktienmärkte, die breit und tief genug aufgestellt waren“, erläutert Köchling. „Die BRIC-Staaten dagegen standen nicht nur für hohe Wachstumsraten, sondern hatten auch recht gut entwickelte Aktienmärkte.“ In seiner frühen Anfangszeit als Analyst etwa habe die Mongolei die kleinste Börse der Welt gehabt mit zwei investierbaren Titeln – bei aller Größe des Landes zu wenig, um nennenswert einzusteigen.

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Unterschiedliche Entwicklung der Länder

Erste Risse im BRIC-Konzept hätten sich in der Finanzkrise 2008 gezeigt, da sie die vier Länder sehr unterschiedlich getroffen habe, meint Köchling. „In den Folgejahren haben die Regierungen politisch und wirtschaftspolitisch sehr unterschiedlich agiert, was sich schließlich auf die Entwicklung der Märkte ausgewirkt hat“, sagt der Analyst. Hinzu kommt, dass sich in immer mehr aufstrebenden Staaten investierbare Unternehmen und Märkte herausgebildet haben.

2015 sorgte schließlich die Meldung für Schlagzeilen, dass Goldman Sachs das hauseigene BRIC-Portfolio mit dem ebenfalls eigenen Schwellenländer-Aktienfonds Emerging Markets Equity Fund verschmilzt. Nach anfänglich hohen Kurszuwächsen und Mittelzuflüssen hatte der Paradefonds deutliche Verluste geschrieben und Abflüsse verbucht. Die Bank wähle eine Verschmelzung statt einer Auflösung, da Anleger so einen Zugang zu einem breiteren Anlageuniversum erhielten, teilte Goldman Sachs damals mit. Der Niedergang dieses BRIC-Fonds „macht auch deutlich, wie die Attraktivität einer Strategie, bei der unterschiedliche Länder in einem Investmentthema gebündelt werden, ihren Reiz bei den Investoren eingebüßt hat“, kommentierte damals die Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

Einen groben Vergleich des Marktgeschehens zeigen MSCI-Länderindizes, die einheitlich in US-Dollar verfügbar sind. Der MSCI China verbuchte in den vergangenen zehn Jahren bis Ende März 2021 die höchste Nettorendite (Net Return) von 7,3 Prozent pro Jahr im Schnitt. Der MSCI Indien folgt mit durchschnittlich 4,5 Prozent. Russland blieb im Schnitt unverändert, Brasilien schrieb ein Minus von 4,8 Prozent im Jahresdurchschnitt. Der MSCI BRIC verzeichnete im selben Zeitraum eine Nettorendite von durchschnittlich 3,3 Prozent im Jahr, der breitere MSCI Emerging Markets von 3,7 Prozent.

Nachfrage durch institutionelle Investoren

Das nachlassende Anlegerinteresse am BRIC-Ansatz spiegelt sich auch am deutschen Markt wider. Seit der Hochphase 2010 hat Scope Analysis ein kontinuierliches Zusammenschmelzen der Fondsgruppe „Aktien BRIC“ erlebt. Vor dem Aus sieht Analyst Köchling die verbliebenen Fonds jedoch nicht. „Derzeit verwalten die Produkte jeweils einen dreistelligen Millionenbetrag. Von daher sind sie noch in größerem Umfang gefragt“, begründet er. Allein aus Kostengründen würden sie bei dieser Größe vermutlich nicht geschlossen.

„Solange es Investoren gibt, die gezielt in die vier großen Schwellenländer investieren wollen, wird es diese Fonds vermutlich weiter geben“, meint Köchling. Die Fondskategorie werde Scope daher bis auf weiteres belassen. „Zum einen haben die Produkte weiterhin große Volumina, zum anderen sehen wir noch Investoreninteresse insbesondere auf der institutionellen Seite. Daher möchten wir auch weiterhin liefern können“, sagt der Scope-Mann.

Das größte Portfolio ist der Schroder ISF BRIC Eur B Acc (LU0232932698) mit rund 914 Millionen Euro Anlagevolumen Ende März 2021. Der Fonds hat zum Beispiel, wie der Templeton BRIC, auf Fünf-, Drei- und Jahressicht auch mit hohen laufenden Kosten besser abgeschnitten als der MSCI BRIC. Bei den restlichen drei Portfolios sieht die entsprechende Bilanz durchwachsen aus.

Der HSBC GIF BRIC Markets Equity AC USD (LU0254981946) ist mit 104 Millionen Euro Umfang der kleinste Vertreter der Runde. Dass er damit automatisch der gefährdetste ist, lässt sich allerdings nicht ableiten. Meldungen der Anbieter, Fonds auf absehbare Zeit vom Markt zu nehmen, sind derzeit nicht bekannt. Maßgebend dürfte die weitere Entwicklung der Fonds zu einem Vergleichsindex und die Entwicklung von BRIC-Aktienindizes im Vergleich zu breiteren Schwellenländer-Indizes sein.