Aktienhandel: Kommt ein Verbot für Neobroker?

Die EU-Kommission hat die Neobroker ins Visier genommen. Auch die nationale Aufsichtsbehörde BaFin schaut sich das Geschäftsmodell näher an. Das kann auch auf ETF-Sparpläne und Versicherer ausstrahlen. Die aktuelle Lage und einige Hintergründe.

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09:12 Uhr | 15. Dezember | 2021

Im laufenden Jahr hat sich die Zahl der grenzüberschreitenden Verbraucheranfragen bei der BaFin annähernd vervierfacht. Einen Themenschwerpunkt bilden die Schlichtungsanträge zu Neobrokern. Hier bezögen sich die Eingaben zumeist auf technische Probleme, mangelnden Service und intransparente Gebühren.

Die Aufsicht warnt daher im „BaFin-Journal“: Der Neobroker selbst mag zwar von seinen Kunden keine Gebühren verlangen. Es entstehen aber auf jeden Fall Kosten, nur an anderer Stelle. Kunden werden nämlich mit Transaktionskosten belastet – und zwar durch die Market-Maker, an die Neo-Broker die Aufträge weiterleiten. Kunden könnten Kurse nur eingeschränkt vergleichen. Zum anderen böten Neo-Broker nicht immer alle Ordertypen für jeden Handelsplatz an.

Auch EU-Kommission schaut auf Neobroker

Die Dienstleistungsangebote von Neobrokern - bekannte Vertreter sind beispielsweise Trade Republic oder Scalable Capital - sind im Vergleich zu etablierten Online-Brokern oft eingeschränkt. Sie konzentrieren sich auf den Wertpapierhandel über einen browsergestützten Web-Trader und meistens auch über eine Trading-App für das Smartphone. Die BaFin überwacht, ob sich Neobroker an die Regeln halten, die für alle Broker gelten. „Aufsichtsrechtliche Erleichterungen oder Ausnahmen von verbraucherschützenden Normen gibt es nicht“, stellt die Behörde klar.

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Der EU-Kommission scheint dies nicht zu reichen. Sie hat das Geschäftsmodell der Neobroker ins Visier genommen. EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness sieht vor allem die Gefahr, dass die in der Regel jungen Nutzer ihre Geldanlage über Neobroker als Glücks- oder Computerspiel begreifen und zum Zocken animiert werden, zumal die Anbieter zu wenig über die Risiken informieren. Daher soll die Branche stärker reguliert werden.

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Verbot wäre problematisch für Kleinanleger

Im Raum steht sogar ein komplettes Verbot des „Payment for Order Flow“ (PFOF). Dabei werden die Orders nicht mehr wie früher von einem Broker an die Börse weitergeleitet, die den Kunden Provision an die Bank, den Makler und die Börse kosteten, sondern der Neobroker stellt die Transaktion einem Market Maker zur Verfügung, der dem Neobroker die Provision bezahlt. Das machen im Prinzip auch fast alle Banken so. Sie würden jedoch von einem PFOF-Verbot profitieren, da dann der von Neobrokern angeheizte Preisdruck nach unten nachlassen würde.

In letzter Konsequenz könnten auch ETF-Sparpläne betroffen sein, die oft auch über Rückvergütungen finanziert werden. Wenn die Regulierung auch Bestandsprovisionen betreffen sollte, wären auch Filialbanken und Versicherer betroffen, mutmaßt die F.A.Z. Laut Entwurf der EU-Kommission sollte das PFOF-Verbot „für jeden Drittanbieter“ gelten. Dann jedoch würde das Brokerage teurer. Traditionelle Anbieter wären unliebsame Fintech-Konkurrenz beim Aktienhandel los.

Der Wettbewerb alter und neuer Vertriebskanäle

Es geht zumindest um Waffengleichheit im Wettbewerb zwischen traditionellen Vertriebskanälen und Finanz-Apps. Davon können auch traditionelle Versicherungsmakler ein Lied singen, denn Versicherungs-Apps und Vergleichsportale jagen ihnen Kunden ab, oft ohne die vorgeschriebene Beratung und Dokumentation in gesetzlich vorgeschriebenem Rahmen leisten zu wollen. Der Ausgang des EU-Regulierungsvorhabens könnte auch die Arbeit von 34f-Vermittlern tangieren.

Die geplante Regulierung der Neobroker ist Teil eines großen Gesetzespakets, mit dem die EU-Kommission die Kapitalmarktunion voranbringen will. Neben verschärften Regeln für Investmentgesellschaften geht es auch darum, dass EU-Börsen künftig Daten zu Handelstransaktionen in ein europäisches Vergleichsregister einstellen müssen. Dadurch soll es mehr Transparenz im Börsenhandel geben. Banken, Vermögensverwalter und Versicherer haben bislang keine Vergleichsmöglichkeiten, wenn ein Wertpapier auf verschiedenen EU-Börsen gehandelt wird.

Ausgang noch offen

Eine Entscheidung der EU-Kommission zur Zukunft der Neobroker soll im ersten Quartal 2022 fallen. Derweil hat die BaFin ihre neue Fokusaufsicht schon an den Start gebracht. Beaufsichtigt würden Finanzdienstleister mit komplexen oder innovativen Geschäftsmodellen. Derzeit überwache die Fokusaufsicht bereits 17 Banken, Versicherer, Wertpapierhäuser und Zahlungsdienstleister. Ab 2022 will die BaFin verdeckte Testkäufe (Mystery-Shopping) starten, um die Verbraucherschutzaufsicht zu stärken.

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