Vorsorge: „Auch in Zukunft niedrige Zinsen“
procontra: Herr Voigtländer, welche Entwicklung bei den Zinsen erwarten Sie?
Michael Voigtländer: Vermutlich werden die Zinsen leicht steigen. In den USA scheint Erhöhungsprozess nach drei Jahren beendet zu sein, nachdem die US-Notenbank am 30. Januar auf eine „neutrale“ Linie eingeschwenkt ist. In Europa ist Ende 2018 zumindest das Anleihekaufprogramm der EZB ausgelaufen. Die Notenbank gleicht zwar noch auslaufende Anleihegeschäfte durch Neugeschäft aus, kauft netto aber keine Papiere mehr hinzu. Ob die Währungshüter die-ses Jahr den Leitzins erhöhen ist inzwischen auch schon wieder weniger wahrscheinlich. EZB-Chef Mario Draghi hat Ende Januar angedeutet, dass die Zinswende erst 2020 kommen könnte. Seit März 2016 liegt der Leitzins bei 0,0 Prozent.
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procontra: Das ist die kurzfristige Perspektive. Welches Zinsniveau prognostizieren Sie langfristig?
Voigtländer: Dazu haben wir an unserem Institut eine Studie veröffentlicht. Wenn die EZB aus der expansiven Geldpolitik aussteigt, erhöhen sich die Realzinsen bis 2025 lediglich auf 1,3 Prozent. Danach sinkt das Niveau wieder. Für 2050 sagen wir einen Realzinssatz von 0,0 Prozent voraus. Der wichtigste Grund dafür ist der demografische Wandel. Immer mehr Menschen bereiten sich auf ein langes Leben vor und sparen deshalb mehr als die Generationen vor ihnen. Das drückt die Zinsen.
procontra: Wie gesichert sind denn Ihre demografischen Annahmen? Der Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland zeigt doch, dass sich die Rahmenbedingungen ändern können.
Voigtländer: Für ein einzelnes Land sind die Annahmen nicht in Stein gemeißelt. Aber wir haben in den Industrieländern insgesamt das Problem einer sinkenden Geburtenrate bei gleich-zeitig steigender Lebenserwartung; außer vielleicht in den USA. Das längere Rentenphase belas-tet die staatlichen Rentensysteme. Um dem vorzubeugen muss der Einzelne während seiner Erwerbsphase mehr sparen. Über den internationalen Zinszusammenhang nähern sich die regio-nalen Zinsniveaus zwar an. Weil in jedem Land die Situation aber anders ist, verlangen Investo-ren beim Zins dann noch einen Risikozuschlag. Insgesamt müssen wir uns auf auch in Zukunft sehr niedrige Zinsen einstellen.
proconta: Was raten Sie den Bundesbürgern?
Voigtländer: Für Häuslebauer mit Kreditbedarf sind niedrige Zinsen angenehm. Ob sich der Erwerb von Immobilien in Ballungszentren, wo die Preise stark gestiegen sind, noch lohnt, muss man hinterfragen und im Einzelfall analysieren. Preislich attraktiver ist derzeit eher das Umland von Großstädten. Für die meisten Sparer jedoch sind niedrige Zinsen ein großes Problem. In Deutschland basiert die Altersvorsorge stark auf festverzinslichen Wertpapieren. Das ist bei klas-sischen Lebensversicherungen ebenso der Fall wie bei der Riester-Rente oder bisher in der be-trieblichen Altersvorsorge. Wer fürs Alter vorsorgen will, muss stärker diversifizieren.
procontra: Zum Beispiel?
Voigtländer: Die Beimischung von Aktien macht Sinn. Für die Altersvorsorge geeignet sind insbesondere Aktienfondssparpläne. Mit dem Kauf der Fondsanteile sollte man bereits in jungen Jahren beginnen. Aber leider haben viele Bundesbürger Vorbehalte gegenüber dieser Art der Beteiligung an Unternehmen.
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