Vertrieb: Nachhaltigere Info-Pflichten für Fondspolicen

Neue Verordnungen auf europäischer Ebene bringen neue Informationspflichten für Anbieter und Vermittler von Versicherungsanlageprodukten mit sich – spätestens ab 2022. Welche Konsequenzen dies für die Vermittlung von fondsgebundenen Produkten hat.

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11:07 Uhr | 14. Juli | 2020
Künftig muss der Kunde bei der Beratung zu Fondspolicen auch nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden.

Künftig muss der Kunde bei der Beratung zu Fondspolicen auch nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden. Bild: Pixabay / Gerd Altmann

Lange haben die Lebensversicherer zu jeder Zeit eine volle Beitragsgarantie geboten. Den Trend zu reduzierten Garantien, etwa auf den Erhalt der eingezahlten Beiträge nur noch bei Ablauf des Vertrages, gibt es aber schon länger (procontra berichtete).

Bei Fondspolicen sind Garantien, wenn überhaupt, nur in schwacher Ausprägung zu bekommen – in Form eines bei Vertragsabschluss festgelegten Rentenfaktors (procontra berichtete). Einige Anbieter bieten den höheren Wert, sollte der aktuelle Rentenfaktor bei Rentenbeginn höher als bei Vertragsabschluss sein (procontra berichtete).

Darüber hinaus müssen Vermittler bei Fondspolicen eine Geeignetheitsprüfung aus Kundensicht vornehmen, die durch die Finanzanlagenvermittlungsverordnung eingeführt wurde (procontra berichtete). Der Vermittler ist danach verpflichtet, auch die Fähigkeit des Kunden, Verluste zu tragen, zu erfragen.

Nachhaltigkeitspräferenzen künftig zu erfragen

In diesem Zusammenhang kommt es demnächst wohl zu weiteren Informationspflichten im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten. Hintergrund: „Die EU rollt die neue Nachhaltigkeitsgesetzgebung mit Verordnungen und Initiativen immer weiter aus“, berichtet Wolfgang Kindervater, Manager im Bereich Financial Services, Tax & Legal Insurance, der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, in einem Blog-Beitrag.

Mit der Veröffentlichung der Taxonomieverordnung im Europäischen Amtsblatt sei neben der Offenlegungsverordnung (Off-VO) vom Dezember 2019 nun die zweite zentrale Verordnung der neuen Nachhaltigkeitsgesetzgebung auf den Weg gebracht. Die Konsultationen betreffen auch Änderungen der Delegierten Verordnungen zur Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD). Dabei stehe die Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 im Fokus, die die Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten festlegt.

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen bei einer Beratung zu Versicherungsanlageprodukten künftig zwingend die sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgefragt und bei der Geeignetheitsprüfung berücksichtigt werden. Zur Erinnerung: Nachhaltigkeit definiert sich als Dreiklang aus Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) – kurz: ESG.

Versicherer und Vermittler vor größerem Aufwand

„Bereits in der Off-VO sind eine Reihe von Informationspflichten für die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten kodifiziert“, sagt Kindervater, der als Rechtsanwalt bei PwC auch für Versicherungsvertriebsrecht zuständig ist. Die Informationspflichten beträfen die Strategie zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen und Informationen über nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen.

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Die Pflichten seien sowohl unternehmensbezogen als auch produktbezogen im Internetauftritt zu erfüllen, ebenso in den vorvertraglichen Informationen und jährlichen Berichten. „Die Vorgaben sind noch nicht ausformuliert, dürften aber zum 10. März 2021 zu erfüllen sein“, blickt Kindervater voraus.

Parallel hat die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde Eiopa den Entwurf einer Änderungsverordnung zu den Delegierten Verordnungen zur IDD angeschoben. Gegenstand sind auch hier Änderungen der beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln. „Die Verabschiedung der finalen Version ist wohl spätestens Ende 2020 zu erwarten und die Umsetzung rund zwölf Monate später“, schreibt Kindervater.

Neue Fragen an Kunden und die Folgen der Antworten

Folge für Fondspolicen-Vermittler: Künftig müssen zum Zwecke der Geeignetheitsprüfung nicht nur unter anderem die Anlageziele und die Risikobereitschaft beim Kunden abgefragt werden, sondern auch die Nachhaltigkeitspräferenzen. So ist zu ermitteln, ob der Kunde auch die Integration von nachhaltigen Produkten (nach Maßgabe von Artikel 8 und 9 Off-VO) wünscht.

Dem Kunden müssen also mehr Fragen in der Beratung gestellt werden als bisher. Die Frage „Haben Sie Interesse an nachhaltigen Produkten?“ allein dürfte dafür nicht ausreichen, warnt Kindervater. „Der Kunde muss vielmehr danach gefragt werden, ob solche Produkte in seine Kapitalanlagestrategie integriert werden soll oder nicht“, betont der Experte.

Diese Erläuterungen würden den Umfang der Geeignetheitsprüfung aller Voraussicht nach deutlich ausweiten. Zudem hätten die Antworten Konsequenzen für die Produktempfehlung:

Gute Aussichten für Makler

Sind nun keine Produkte mit Nachhaltigkeitspräferenz oder keine ausreichend differenzierten Produkte im Portfolio des Versicherers, könnten gebundene Vermittler voraussichtlich keine Empfehlung mehr auf Fondspolicen abgeben. Makler dagegen könnten aus der Breite des Marktes nachhaltiger Produkte schöpfen. Angesichts dieser Konsequenzen verwundert es Kindervater, dass die avisierten Nachhaltigkeitsprinzipien in Vertrieb und Produktentwicklung vieler Versicherer bislang nur eine untergeordnete Rolle spielen.

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