Grüne Anleihen

Diesen Nutzen hat das neue EU-Öko-Label

Ein neuer EU-Standard zur Klassifizierung von „grünen“ Anleihen soll auf dem Bondmarkt für mehr Klarheit und weniger Greenwashing sorgen. Die Chancen sind durchwachsen.

16:12 Uhr | 19. Dezember | 2023
Bürogebäude mit Bäumen

Die EU führt einen eigenen Standard zur Klassifizierung von „grünen" Anleihen ein. Welche Chancen hat das neue Öko-Label?

| Quelle: Fahroni

Die EU führt einen eigenen Standard zur Klassifizierung von ökologisch nachhaltigen, „grünen“ Anleihen ein, den „European green bond standard“, kurz „EUGBS“. Das neue Label tritt voraussichtlich im Herbst 2024 inkraft und ist freiwillig. Vergangenen Oktober hat das EU-Parlament die Regelung für den Standard abgesegnet; die Zustimmung der Mitgliedsländer gilt als Formsache. „Grüne Anleihen werden zur Finanzierung oder Refinanzierung von Investitionen, Projekten, Ausgaben oder Vermögenswerten verwendet, die zur Bewältigung von Klima- und Umweltproblemen beitragen“, erläutert das EU-Parlament. „Diese Verordnung legt einheitliche Anforderungen für Emittenten von Anleihen fest, die die Bezeichnung ‚europäische grüne Anleihen‘ für ihre ökologisch nachhaltigen Anleihen verwenden möchten.“ 

Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die über eine grüne Anleihe Kapital aufnehmen wollen, können das neue Kennzeichen nutzen. Mindestens 85 Prozent der Gelder müssen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten oder Projekte fließen, die den Vorgaben der EU-Taxonomie entsprechen (siehe auch Infobox). Höchstens 15 Prozent dürfen anderweitig investiert werden. Die Nutzer müssen offenlegen, wie sie die Mittel aus der Anleihe verwenden und wie dies in ihre Pläne in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft einfließt. 

Mit der Verordnung führt die EU ein verbindliches System für die Registrierung und Aufsicht externer Prüfer der EUGBS-Anleihen ein. Die Prüfer sollen sicherstellen, dass die Anleihe-Emittenten die Vorgaben einhalten. Insgesamt will die EU klarere Regeln für Emittenten schaffen, gegen Grünfärberei vorgehen und Anreize für die Emission von grünen Anleihen geben. Der Markt für Green Bonds ist seit dem Start 2007 weltweit zwar deutlich gewachsen. Der Anteil an den gesamten Anleiheemissionen ist mit 3 bis 3,5 Prozent allerdings gering. 

Renditeunterschiede sind nicht sehr groß 

„Die meisten akademischen Veröffentlichungen zeigen, dass grüne Anleihen mit der gleichen oder einer niedrigeren Rendite gehandelt werden als konventionelle Anleihen“, hält das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW, im Bericht: „Braucht die Europäische Union einen weiteren Standard für grüne Anleihen?“, fest. Auf den Sekundärmärkten erscheine der Renditeunterschied allerdings bescheiden, ergänzt das Institut. Auf diesen Zweitmärkten werden Wertpapiere gehandelt, die bereits im Umlauf sind, mit der Börse als bekanntestem Vertreter. 

Angesichts der bereits etablierten Standards dürfte das neue EU-Label einen schweren Stand haben, vermutet das ZEW. Das sind insbesondere der Climate Bonds Standard der Climate Bonds Initiative (CBI) und die Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA), beide ebenfalls freiwillig. Ersterer erfordert wie der EUGBS eine externe Prüfung und beruht auf Vorgaben der CBI-Taxonomie. Die ICMA-Prinzipien empfehlen eine externe Prüfung und basieren auf einem Katalog von Leitlinien und Kriterien. 

„Der EUGBS kann als eine Kombination der bereits bestehenden Standards verstanden werden“, sagt Karolin Kirschenmann, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte. „Die Emittenten der Anleihen müssen allerdings zusätzliche, rechtsverbindliche Angaben machen. Wir gehen davon aus, dass sie dadurch davon abgehalten werden, den EUGBS zu verwenden, zumal sich die Emittenten die Konformität ihrer Anleihen zur EU-Taxonomie auch jetzt schon bescheinigen lassen können.“ Für das ZEW entwickelt der EUGBS erst dann eine tatsächliche Bedeutung, wenn die EU-Mitgliedsstaaten ihn für ihre eigenen Green-Bond-Emissionen verwenden oder wenn er für alle Emissionen von grünen Anleihen verbindlich wird. 

Die Ausrichtung an der EU-Taxonomie birgt zudem einen grundlegenden Streitpunkt: die Einstufung von Atomenergie und fossilem Gas als nachhaltig im Juli 2022. „Private Anlegerinnen und Anleger werden nicht in ‚nachhaltige‘ Produkte investieren wollen, die das Taxonomie-Label tragen“, kommentierten Kritiker wie Matthias Kopp, Leiter des Bereichs Sustainable Finance beim WWF Deutschland, die Entscheidung. Inwieweit sich dies auf die Akzeptanz der neuen grüne Anleihe auswirkt, wird sich zeigen.

Im Regelwerk der Taxonomie klassifiziert die EU ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, was dazu beitragen soll, Investitionen in solche Bereiche zu fördern. Sechs Ziele hat die EU hierzu festgelegt:

  • Klimaschutz

  • Anpassung an den Klimawandel

  • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen

  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft

  • Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung

  • sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Als ökologisch nachhaltig gilt, wenn eine Wirtschaftstätigkeit zu mindestens einem dieser Ziele einen Beitrag leistet, kein anderes erheblich beeinträchtigt, Mindest-Sicherheitsstandards einhält und die Bewertungskriterien erfüllt, die für jede Aktivität und jedes Umweltziel zu erreichende Leistungsschwellen festlegen.