Investments in Emerging Markets

Deshalb rückt Indien in den Fokus der Anleger

Indien gewinnt unter den aufstrebenden Ländern immer mehr an Bedeutung. Investoren sehen deshalb gute Anlagechancen im Vergleich zu China.

11:07 Uhr | 14. Juli | 2023
Taj Mahal

Immer mehr Investoren wittern gute Renditechancen in Indien. Nach Schätzungen von Marktbeobachtern könnte das Land Ende des Jahrzehnts über den weltweit drittgrößten Aktienmarkt verfügen.

| Quelle: somchaisom

Kapitalanlagen in Schwellenländern stehen für viele als klassische Beimischung im Depot. Nicht zu viel, um kein übermäßiges Risiko zu haben und nicht zu wenig, um Renditechancen ergreifen zu können. Emerging Marktets, aufstrebende Märkte, gelten schon wegen dieser Eigenschaft als potenziell gewinnträchtige Anlageziele, verbunden mit einem tendenziell höheren Risiko als bei Investitionen in etablierten Industrienationen.

China ist schon wegen seiner Größe und Bedeutung am Weltmarkt ein maßgeblicher Vertreter. Im Aktienindex MSCI Emerging Markets zum Beispiel hat das Land den größten Anteil von nahezu 30 Prozent. Seit geraumer Zeit rückt allerdings Indien als weiteres großes Schwellenland Asiens immer mehr in den Anlegerfokus. Den Vereinten Nationen zufolge hat Indien vor kurzem China als Land mit der höchsten Einwohnerzahl überrundet. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds könnte Indien gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2027 die drittgrößte Volkswirtschaft werden, nach den USA und China.

Das US-Finanzunternehmen Morgan Stanley vermutet, dass Indien außerdem bis Endes dieses Jahrzehnts den drittgrößten Aktienmarkt haben wird. „Unserer Meinung nach bedeuten diese spezifischen Veränderungen eine einmal in einer Generation vorkommende Verschiebung und eine Chance für Investoren und Unternehmen“, meint der Chef-Aktienstratege des Hauses für Indien, Ridham Desai. Im kommenden Jahrzehnt könnte Indiens Entwicklung dem chinesischen Weg von 2007 bis 2012 ähneln, schätzt der Chefvolkswirt für Asien, Chetan Ahya.

„Ein Shift bei den Mittelflüssen ist sicherlich zu beobachten“, sagt Andreas Köchling, Fondsanalyst bei der Ratingagentur Scope. „Bei dem Akronym ‚BRIC‘ für Brasilien, Russland, Indien und China war Indien der unbekannteste oder am wenigsten beachtete Aktienmarkt. Nun aber schauen viele auf das Land, weil man es doch etwas vernachlässigt hat und bemerkenswerte Nachrichten zur Volkswirtschaft hinzukommen.“

Der langjährige Emerging-Markets-Investor Mark Mobius, Mitgründer der Fondsgesellschaft Mobius Capital Partners, äußert sich zu Investitionen in China als etwas vorsichtiger. „Ich denke, es gibt eine Bewegung mehr in Richtung eines Mao-Typs von China als eines Deng Xiaoping-Typs von China. Weniger Kapital-orientiert, weniger Markt-orientiert“, sagte er zum Beispiel in einem Marktgespräch mit CNBC Television. Auch aus diesem Grund ist für Mobius der indische Aktienmarkt attraktiver geworden. 

Nicht alle sehen Indien als Wachstumsstar 

„Als Produktionsstandort gewinnt Indien als Ergänzung zu China immer mehr an Bedeutung“, meint Michael Altintzoglou, Fondsmanager bei der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. Neben makroökonomischen Verbesserungen und positiven Aussichten für das Gewinnwachstum von Unternehmen gebe es in Indien zudem eine stetig wachsende lokale Investorenbasis.

Der Wirtschaftswissenschaftler Ashoka Mody ist weniger optimistisch. In seinem Buch „India is broken“ legt er dar, dass unter anderem zahlreiche Schätzungen von Wachstumszahlen übertrieben seien und elementare öffentliche Dienstleistungen wie eine gute Bildung für die breite Masse der Bevölkerung fehlen würden. Die Förderung der Bildung und andere Maßnahmen seien jedoch notwendig, um eine tragfähige Wirtschaftsentwicklung zu bewirken. Für Mody profitiert das Land zudem weniger von einem Abrücken von China als viele vermuten.

Insgesamt sind die Märkte und Volkswirtschaften der verschiedenen Schwellenländer sehr unterschiedlich, wie Profianleger aller Couleur stets hervorheben. Kursbewegungen an den regionalen Aktienmärkten laufen zudem nicht linear zur wirtschaftlichen Entwicklung der Länder. „Aktienkurse orientieren sich an Gewinnen von Unternehmen, während im Bruttoinlandsprodukt Unternehmensgewinne nur eine Komponente sind – und nicht einmal die größte“, erläuterte Gerd Kommer, Geschäftsführer der Finanzgesellschaft Gerd Kommer Invest, in einem Interview mit der Börse Frankfurt. Kein Land habe in den vergangenen 30 Jahren ein Wirtschaftswachstum verzeichnet wie China. „Trotzdem ist der chinesische Aktienmarkt unter den Schwellenländer-Märkten einer der schlechtesten gewesen.“

Kritik an der hohen Gewichtung Chinas

Kritiker an der Aufteilung des MSCI Emerging Markets bemängeln auch aus diesem Grund die hohe Gewichtung Chinas. In den vergangenen drei und fünf Jahren zum Beispiel hat der MSCI China bis Ende Mai dieses Jahres deutlich schlechter abgeschnitten als das Emerging-Marktes-Barometer. Im Zehnjahreszeitraum liegen beide gleichauf. Der MSCI India hat in diesen Phasen den MSCI Emerging Markets deutlich outperformt.

Gute Unternehmen für die Aktienanlage sind in vielen Ländern zu finden, betonen Investoren immer wieder. Fondsmanager Altintzoglou nennt als elementare Grundsätze bei der Aktienauswahl, sich auf Unternehmen mit soliden Bilanzen und attraktiven Geschäftsmodellen zu konzentrieren, die attraktive und berechenbare Erträge erwarten lassen. Auf Fondsebene können Anleger unter zahlreichen Emerging-Market-Fonds und Fonds zu einzelnen Schwellenländern und Regionen wählen.