Risiko oder strategischer Schachzug?

Experte zur US-Zollpolitik: „China lässt Trump voll auflaufen“

Kapitalverwalter wie Hendrik Leber, Gründer und Geschäftsführer von Acatis, müssen auf irgendeine Art und Weise mit Trumps Hauruck-Zollpolitik umgehen. Wie er das macht und noch verdienen will, erläutert er im Gespräch mit procontra.

10:05 Uhr | 05. Mai | 2025
Hendrik Leber Aacatis

Hendrik Leber, Gründer und Geschäftsführer von Acatis

| Quelle: Aacatis

Was Sie erfahren werden:

  • Eine Einschätzung von Trumps Zollvorgehen

  • Mit welchen Strategien Acatis-Fonds darauf reagieren

  • Was die EU von China unterscheidet

procontra:

US-Präsident Donald Trump hat Anfang April Importzölle auf alle Handelspartner ausgeweitet und eine Woche später Zölle von mehr als 10 Prozent auf 90 Tage ausgesetzt, außer bei China. Für Stahl, Aluminium und Autos gilt weiterhin 25 Prozent Zoll. Trump begründet die Forderungen mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen im Ausland. Inwieweit können Sie diese Begründung nachvollziehen?

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Hendrik Leber:

Trump bringt leider vieles durcheinander. Zum Beispiel die Mehrwertsteuer als Handelshemmnis zu werten und ähnliche Dinge. Mit logischen wirtschaftstheoretischen Erklärungen ist sein Vorgehen nicht zu ergründen. Mir ist das klar geworden, als ich Trump in einem Fernsehbericht sagen hörte, diese Länder „are kissing my ass“. Als Präsident sagt man soetwas eigentlich nicht. Ich komme da mit dem Don-Vito-Corleone-Beispiel, dem Mafiaboss in „Der Pate“: Er will Unterwerfung. Trump will, dass die Leute zu ihm kriechen und dass er sie dominiert. Wenn ich Trumps Vorgehen auf diese Motivlage zurückführe, kann ich mir die ganzen wirtschaftlichen Erklärungen sparen. Sie ergeben keinen Sinn.

procontra:

Es geht also in erster Linie um Trump selbst?

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Leber:

Trump ist ein selbstverliebter, erratischer Mensch. Und beim Zoll ist er dann zufrieden, wenn die Nationen vor ihm kriechen und auf ihn reagieren. Er ist wahrscheinlich genauso stolz, wie er mit einem Schnipp die Börse bewegen kann. Eine Woche nach seiner weltweiten Zollausweitung und den in der Folge fallenden Aktienkursen hat er getweetet: „This is a great time to buy“. Stunden später kam seine Entscheidung, die Zölle bis auf 10 Prozent mit Ausnahme von China zeitlich auszusetzen – und die Aktienkurse stiegen.

procontra:

Dennoch müssen Sie in irgendeiner Weise mit den Entscheidungen umgehen. Was leiten Sie aus den US-Zöllen und „Gegenzöllen“ für beispielsweise den weltweit anlegenden Aktienfonds „Acatis Aktien Global“ ab?

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Leber:

Wir haben einige Finanzprodukte gekauft und auch gestaltet, um uns etwas zu schützen oder zu profitieren. Das sind zum einen Produkte, die wir dosiert zur Kurssicherung einsetzen, konkret Put-Optionen auf den US-Aktienindex S&P 500. Anfang März haben wir mit dieser Strategie etwa im „Acatis Aktien Global“ und im „Acatis Fair Value Modulor Vermögensverwaltungsfonds“ begonnen, um Kursverluste einzudämmen. Als zweites haben wir in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs ein Produkt gestaltet, das von steigender Inflation in den USA profitiert. Wir sehen dort eine enorme Inflation kommen. Rein technisch ist es eine Call-Option auf den US-Preisindex mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Wenn die Inflation über 3,15 Prozent steigt, machen wir damit Gewinn. Dieses Instrument setzen wir ebenfalls im „Acatis Aktien Global“ ein.

procontra:

Was waren außerdem größere Veränderungen in Fonds?

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Leber:

Wir haben die Gewichtung etwas stärker in Richtung China und Japan gelegt. Das China-Gewicht hatten wir bereits 2024 erhöht und Anfang März dieses Jahres die Japan-Quote hochgezogen. Im „Acatis Aktien Global“ haben wir dies in reinster Form umgesetzt, also am stärksten. Der Anteil Chinas liegt dort derzeit bei etwa 5 Prozent, der Japans bei rund 10 Prozent. In Kürze fahre ich wieder nach Hongkong und schaue mir einige Firmen an. Dann werde ich die China-Quote vermutlich weiter hochfahren.

procontra:

Gegenüber China hat Trump die Zölle nicht zeitlich ausgesetzt. Wie würden Sie dies erklären?

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Leber:

Wir Europäer sind irgendwo Weicheier. Europäer lieben Kompromisse und Konsensus. Vermutlich hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Trump geredet und betont, wir wollen doch alle gute Beziehungen. Es gibt keine großen Gegenmaßnahmen der EU. Die Chinesen dagegen sind so selbstbewusst, dass sie deutlich machen: Wir lassen uns nicht von Herrn Trump am Nasenring durch die Manege führen. Dafür sind sie einerseits zu stolz und kennen andererseits die Abhängigkeit der Amerikaner. Sie lassen Trump voll auflaufen. Das ist meine persönliche Einschätzung aus meinem Wissen über die Kulturen.

procontra:

Die Frage ist, über welche Zeiträume ein solcher Konflikt ohne große Verwerfungen gehen kann.

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Leber:

Chinesen können sehr subtil sein. Sie haben vor kurzem einige Metalle auf die Exportbeschränkungsliste gesetzt. Angenommen, ein paar von diesen Metallen werden nicht mehr in die USA geliefert. Dann steht die Elektronikindustrie in den USA still. Da braucht man über Zoll gar nicht groß zu reden. Das werden die Chinesen sehr selbstbewusst spielen. Ich habe über Chat GPT nach der Einschätzung von Sun Tsu gefragt, ein chinesischer General, der „Die Kunst des Krieges“ geschrieben hat. Wie geht ein Stratege mit einem zornigen, wütenden Gegner um? Sun Tsu sagt im Grunde, lass‘ ihn wüten, lass‘ ihn an seiner eigenen Schwäche zugrunde gehen. Dieses Spiel spielen die Chinesen.

procontra:

Inwieweit verschiebt sich mit den US-Zöllen und Gegenzöllen die Bewertung von Unternehmen? Was folgt daraus für die betreffenden Fonds?

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Leber:

Bei Gesprächen mit Wirtschaftschefs höre ich, dass die Zölle im Wesentlichen an den Konsumenten weitergegeben werden. Bei 25 Prozent Zoll gehen etwa 20 Prozent an den Käufer. Das Wall Street Journal hat ausgerechnet, dass durch die Zölle die Kosten der Innereien eines I-Phones von Apple um etwa 300 Dollar steigen. Wobei diese Zahl wahrscheinlich schon überholt ist. Einen Teil davon wird Apple wegstecken können. Aber ein beachtlicher Teil geht an den Käufer. In der Folge werden die Absatzzahlen zurückgehen und die Gewinne sinken. Die Gewinne der Unternehmen in den USA, die international verflochten sind, werden zurückgehen. Einige wenige Firmen, die komplett in den USA produzieren, werden dagegen Sondergewinne verbuchen.

procontra:

Wie wirkt sich das auf die Bewertung aus?

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Leber:

Was nun weiter passiert, kann ich im Moment nicht abschätzen. Ich brauche im Stundentakt eine neue Strategie (lacht)! Doch so können wir nicht arbeiten. Unser Investmentteam und ich sagen daher, Ende des zweiten Quartals 2025 wird sich der Staub gesetzt haben. Dann werden wir erkennen können, welche Firmen zurecht an Kurswert eingebüßt haben und welche zu unrecht. Bei denen, die zu unrecht an Kurs verloren haben, können wir einsteigen. Da sind auch viele Dienstleistungsfirmen dabei. Eine Versicherungsgesellschaft ist durch Zölle nicht betroffen. Wir folgen keinem buy the dip, jetzt schnell bei Rücksetzern kaufen, sondern warten ab, was sich in den kommenden Wochen herauskristallisiert. Dann kann man gezielt nachkaufen.

procontra:

Welche weiteren wesentlichen Entwicklungen sehen Sie im Zuge der Handelspolitik?

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Leber:

Das Investitionsverhalten der Firmen wird sich verändern. Es werden mehr Fabriken in den USA gebaut werden. Der Ansatz des ‚jeder für sich selbst‘ wird stärker werden. Die Zollpolitik wird die Produkte auf der Welt teurer machen, weil es die Vorteile aus den globalen Lieferketten nicht mehr gibt. Wenn die Chinesen ein I-Phone zusammenmontieren, kostet dieser Prozess 30 Dollar, in den USA 300 Dollar. Wenn die Amerikaner mehr Billigproduktion zurück ins eigene Land holen wollen, sind die Leute nicht da, zudem wären sie teurer und schlechter. Im Internet kursiert hierzu ein Tik-Tok-Video mit einer überspitzten Persiflage: Übergewichtige Amerikaner sitzen bei chinesischer Musikuntermalung schwitzend an Yuki-Nähmaschinen und nähen langsam Stoffteile zusammen. Das will doch keiner.

procontra:

Welche positiven Aspekte sehen Sie bei den Handelsstreitigkeiten?

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Leber:

Wir haben ein Chancenfenster im kommenden halben Jahr, im Handel eine bessere Wirtschaft aufzubauen, wenn alle Spieler richtig mitspielen. Das ist zum einen eine transatlantische Null-Zoll-Region. Das wäre sehr positiv und die Europäer sind willens, das zu machen. Mal schauen, ob Trump willens ist. Das könnte er als super Deal präsentieren: Durch meine Initiative ist eine große Freihandelszone entstanden! Wir haben außerdem mit den verschiedenen Initiativen zur Entbürokratisierung die Chance, in Europa mehr Tempo aufzunehmen. Elon Musk ist da ein stückweit ein Negativbeispiel. Aber der Wille, an die staatlichen Strukturen heranzugehen, ist da.

procontra:

Inwiefern sehen Sie Musk mit der Abteilung für Regierungseffizienz „Doge“ teils als Negativbeispiel?

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Leber:

Weil er mit der Kettensäge herangeht. Es ist gefährlich, einfach wild für das Steak auch das gute Fleisch wegzuschneiden. Das passiert, wenn man auf einem etwas dümmlichen Kostensenkungsweg herangeht. Das kann man intelligenter machen und sollte das auch tun. Es ist in den USA zum Beispiel in der Diskussion, die gesamten Daten der Steuerzahler zusammenzufassen und dem IT-Unternehmen Palantir Technologies dafür den Auftrag zu geben. Das würde die Verwaltung deutlich effizienter machen. Ich würde mich auch freuen, wenn in Deutschland die Behörden meine Daten gesammelt vorliegen hätten und mir nicht zum Beispiel das Finanzamt zwei verschiedene Schreiben zu einem Sachverhalt schickt, zu dem die Angaben längst da sind. Das Zusammentragen und Vereinfachen der Verwaltung wäre eine große Chance, die sich jetzt bietet.

Wie bewerten Sie das Vorgehen von Donald Trump in der aktuellen Zollpolitik gegenüber China und anderen Handelspartnern?