BVI: Provisionsverbot wäre schädlich für Wettbewerb und Verbraucher
Deutschland steuert auf eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen zu. Unter einer solchen Bundesregierung könnte die provisionsbasierte Beratung arge Probleme bekommen. Nicht nur, weil diese vor dem Hintergrund konkreter Exzesse und Verfehlungen eine gern genutzte Zielscheibe für Verbraucherschützer und Satiriker darstellt. Sondern auch, weil die potenziellen Koalitionspartner gerade über eine schrittweise Abschaffung der Provisionsberatung und einen Wechsel hin zur Honorarberatung nachdenken.
Ein Provisionsverbot würde aber breite Bevölkerungskreise von der Finanzberatung ausschließen, kritisiert der Fondsverband BVI. Dort verweist man auf eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG (liegt der procontra-Redaktion vor), die im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), des Deutschen Derivate Verbands (DDV) sowie des BVI erstellt wurde. Die Datengrundlage bildet eine KANTAR-Befragung unter 2.064 Personen zu ihrem Beratungs- und Investitionsverhalten.
Mehrheit der Deutschen braucht Provisionsberatung
Demnach ist, einen Stundensatz von 180 Euro vorausgesetzt, die Honorarberatung bis zu einem Anlagebetrag von 25.000 Euro teurer als die provisionsbasierte Beratung. Die Hälfte der deutschen Haushalte kann laut KPMG aber maximal 16.900 Euro investieren. Zudem betragen 54,6 Prozent der monatlichen Fonds-Sparpläne unter 100 Euro und 55,5 Prozent der Einmalanlagen in Fonds unter 5.000 Euro.
„Sparer mit kleinerem Geldbeutel prägen den Markt. Vor allem diese Verbraucher sind auf fachkundige Beratung angewiesen. Das leisten zum Beispiel bundesweit deutsche Banken und Sparkassen mit ihrer im europäischen Vergleich hohen Berater- und Filialdichte“, heißt es dazu in einer Stellungnahme des BVI. Mit einem Provisionsverbot könne dieses Angebot zu Lasten der beratungsbedürftigen Verbraucher nicht mehr aufrechterhalten werden.
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Allerdings würde eine Umstellung auf Honorarberatung hierzulande offenbar auf große Ablehnung treffen. Denn 74 Prozent der Befragten sind überhaupt nicht dazu bereit, für die Finanzberatung ein Honorar zu bezahlen. Im Durchschnitt halten die Studienteilnehmer einen Stundensatz von 34,80 Euro dafür für angemessen. Zum Vergleich führt KPMG einen durchschnittlichen Honorarberatungsstundensatz von 180 Euro an. Selbst bei der Verbraucherzentrale Hessen würde die Beratungsstunde 80 Euro kosten.
Dazu kommt, dass sich 59 Prozent der Deutschen dabei unwohl fühlen würden, sämtliche Anlageentscheidungen ohne professionelle Unterstützung zu treffen. Laut dem BVI würde ein Verbot der Provisionsberatung also dazu führen, dass sich die Menschen von den Finanzmärkten abwenden und entweder gar keine Finanzprodukte mehr kaufen oder Produkte mit erhöhtem Risiko ohne Beratung kaufen. Im Vereinigten Königreich, wo Provisionen seit 2013 verboten sind, sei eine Beratungslücke für Kleinanleger bereits Realität. Die Honorarberatung würde dort zumeist erst ab einem Vermögen von 60.000 Euro genutzt. In den Niederlanden würde eine traditionelle Anlageberatung zumeist sogar ein Vermögen von mindestens 500.000 Euro voraussetzen.
Versicherer nicht einfach bevorteilen
„Die Provisionsberatung hat klare Vorteile für die Verbraucher: Wer viel anlegt, zahlt viel, wer wenig anlegt wenig. Zudem kann man sich beraten lassen, ohne am Ende kaufen zu müssen, das heißt man kann kostenfrei ‚nein‘ sagen. Auch können Verbraucher schon heute zwischen der Provisions- und der Honorarberatung frei wählen“, findet BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.
Für völlig inakzeptabel hält er ein Provisionsverbot nur für Wertpapiere. „Diesen Vorteil würde die Versicherungsbranche sofort nutzen, um teure Versicherungspolicen aufzulegen und über die bestehenden Kanäle weiter zu vertreiben. Das schadet dem Verbraucherschutz, weil es den Wettbewerb zwischen Wertpapieren und Versicherungen massiv verzerrt“, meint Richter.
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