Mystery-Shopping mit 100 Testkäufen

BaFin stellt erhebliche Defizite bei Anlageberatung fest

Die Ergebnisse des aktuellen BaFin-Mystery-Shoppings sind im Vergleich zu den ersten Testkäufen vor zwei Jahren erheblich schlechter ausgefallen. Die kritisierten Unternehmen zeigen sich einsichtig.

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15:07 Uhr | 13. Juli | 2023
Korb mit faulen Äpfeln

Ein fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb, heißt es. Inwiefern das auch bei der Anlageberatung der Fall ist, überprüft die BaFin anhand von Testkäufen - mit abermals ernüchternden Ergebnissen.

| Quelle: aleksei filatov

Vor zwei Jahren hat die BaFin das erste Mal ihre Mystery-Shopping-Aktion gestartet. Anonyme, geschulte Testkäufer ließen sich im Auftrag der Finanzbehörde zu Finanzprodukten beraten, um herauszufinden: Wie steht es um die Anlageberatung?

Zwölf Banken wurden damals hinsichtlich ihrer Beratungsqualität durchleuchtet – mit verheerendem Ergebnis. Demnach meldeten die Testkäufer in jeder dritten der insgesamt 36 durchgeführten Beratungen schwerwiegende Mängel. So erhielten die Kunden wichtige Anlagedokumente nicht, wie beispielsweise die Kosteninformation oder die Geeignetheitserklärung, manchmal fehlte sogar beides. Zu der Übergabe sind Banken laut MiFID-Verordnung jedoch seit Anfang 2018 verpflichtet. Die Ergebnisse waren Anlass für die BaFin, „künftig bei der Anlageberatung noch genauer hinsehen (zu) müssen“, so Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz und zugleich Verbraucherschutzbeauftragter der BaFin.  

Und genau das hat die BaFin nun auch getan und erneut Testkäufer ins Rennen geschickt, um die Anlageberatung bei Wertpapierdienstleistungsinstituten zu prüfen. Die Probanden traten größtenteils als Neu-Kunden auf und wurden in zwei Altersgruppen unterteil: 35- bis 50-Jährige und über 60-Jährige. „Wir haben diesmal 16 Institute in ganz Deutschland getestet und insgesamt 100 Testkäufe durchführen lassen“, erläutert Bock. Und abermals könnten die Ergebnisse für Unruhe sorgen.

Deutliche Verschlechterung

Von einem „gemischten Bild“, spricht der Abteilungsleiter. So habe es zwar auch „gute“ Beratungen gegeben. Dennoch stellten die Testkäufer zum Teil „erhebliche Defizite“ fest. Punktuell seien die Institute in der Anlageberatung sogar noch deutlich schlechter aufgestellt als in der ersten Testkaufrunde vor zwei Jahren. Das betreffe insbesondere die Pflichtinformationen: „Bei der Aushändigung von gesetzlichen Pflichtinformationen in der Anlageberatung haben wir erneut erhebliche Auffälligkeiten festgestellt“, berichtet Bock.

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In 40 Prozent der Anlageberatungen erhielten Testkäufer keine Geeignetheitserklärung. Zwei Drittel (67 Prozent) bekamen keine Ex-ante-Kosteninformation. Beim Pilot-Mystery-Shopping im Sommer vor zwei Jahren wurde bei 22 Prozent der Testkäufe keine Geeignetheitserklärung ausgehändigt und bei 19 Prozent keine Ex-ante-Kosteninformation. Allerding seis die damalige Stichprobe mit 36 Testkäufen laut BaFin nicht repräsentativ.

Ertappte Unternehmen zeigen sich kooperativ

Zudem kam es bei den Beratungsgesprächen schlussendlich zu keiner Order. Es ist also möglich, dass die fehlenden Pflichtinformationen mit einem Orderabschluss noch ausgehändigt worden wären. Wenngleich in der Qualität der Anlageberatung noch Luft nach oben ist, will die Finanzbehörde in den Ergebnissen aber kein zwingendes Indiz für branchenweit gravierende Missstände ausmachen. „Anzeichen für eine marktweite, generelle Verschlechterung liegen uns aktuell nicht vor“, bekräftigt eine Sprecherin der BaFin auf Nachfrage.

Immerhin sind die Prüfer in 87 Prozent der Fälle zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt worden. Die ESG-Abfragepflicht gilt seit Sommer vergangenen Jahres. Auch habe es, im Gegensatz zu 2021, keine Anzeichen von Altersdiskriminierung gegeben: Bei der Aushändigung der Ex-ante-Kosteninformation liegt die Fehlerquote in der Altersgruppe der 35- bis 50-Jährigen mit rund 71 Prozent sogar über der der über 60-Jährigen (knapp 59 Prozent). „Perfekt ist das Ergebnis aber auch hier noch nicht“, so Bock.

Die Bafin verfolgt mit dem Mystery Shopping das Ziel, den Verbraucherschutz bei finanziellen Dienstleistungen und Produkten zu stärken. Schließlich hat das Vertrauen in den Finanzsektor im Zuge des Wirecard-Skandals noch einmal erheblich gelitten. Vor diesem Hintergrund konfrontierten die Aufseher die betroffenen Dienstleister auch mit den negativen Ergebnissen. „Die Institute zeigten sich kooperativ und konstruktiv“, erklärt Bock. Sie versprachen, ihre Prozesse kritisch zu hinterfragen und anzupassen – ein Zugeständnis, das die BaFin überwachen will.

Verbraucherschutz nur Etikettenschwindel?

Erst kürzlich wurde die Behörde selbst jedoch abermals scharf angegangen. Demnach sei ihr Bemühen in Sachen Verbraucherschutz unzureichend. Als „Etikettenschwindel“ bezeichnete Doris Neuberger, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rostock, dass die BaFin sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen schreibt. „Das passt einfach nicht“, so Neuberger. Sie fordert mehr Mitarbeiter für die Behörde, Produktinterventionen und verstärktes Mystery Shopping.

Tatsächlich sollen laut Finanzaufsicht auch weitere Testkäufe folgen: „Mystery Shopping ist für uns mittlerweile ein probates Aufsichtsinstrument“, sagt Bock. Jährlich seien mehrere Hundert Testkäufe in allen Aufsichtsbereichen, von Versicherungen über Bankprodukte wie Konto und Kredit bis hin zu Wertpapieren und Zertifikaten, geplant.

EU-weite Testkäufe

Auch auf europäischer Ebene wollen sich die Prüfer ein Bild von der Qualität der Beratungen machen. In acht EU-Ländern soll das Mystery Shopping stattfinden, wie die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) vor wenigen Tagen angekündigt hat. Der Fokus liegt auch hier auf der Bereitstellung von Informationen.

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Kleinanlegerstrategie und die laute Kritik am Provisionssystem wäre es naheliegend, wenn das Augenmerk der EU-Testkäufer auch auf der Vermittlervergütung liegen würde. „Die Vergütung spielt zwar eine Rolle, da Provisionen Einfluss darauf haben können, welche Produkte empfohlen und letztendlich an Verbraucher verkauft werden. Der Schwerpunkt liegt jedoch insgesamt auf allgemeineren Anforderungen an den Verkaufsstellen wie Nachfrage- und Bedarfstests und der Aktualität der Bereitstellung von Informationen“, erklärt Jerneja Orthmayr, Eiopa-Pressesprecherin gegenüber procontra.

Die jährlichen Risikobewertungen der Behörde haben laut Orthmayr den Verdacht erhärtet, dass die Probleme beim Vertrieb von Versicherungsprodukten anhalten. Auch hier sollen Testkäufe Abhilfe schaffen. Seit 2020 darf die Eiopa überhaupt erst auf Mystery-Shopping-Tour gehen. Angesichts ihres noch recht neuen Mandats, macht sie das auch, so die Eiopa-Sprecherin. Welche EU-Staaten am Mystery-Shopping teilnehmen, will die Behörde hingegen nicht preisgeben.