Diskussion um Befugnisse

BaFin-Verbraucherschutz nur „Etikettenschwindel“?

Die Finanzaufsicht hat sich das Thema Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben, zeigt sich bei konkreten Fällen allerdings zurückhaltend. Verbraucher hätten eine falsche Vorstellung davon, was die BaFin macht, heißt es seitens der Behörde.

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13:06 Uhr | 22. Juni | 2023
BaFin Gebäude

Welche Rolle die BaFin beim Verbraucherschutz hat, ist immer wieder Grund für zum Teil hitzig geführte Debatten. Auf einer Branchenveranstaltung wirft eine Wissenschaftlerin der Behörde „Etikettenschwindel“ vor.

| Quelle: Kai Hartmann Photography

Mit der Pleite von Wirecard haben auch tausende Privatanleger ihr investiertes Geld verloren – der Bilanzskandal hat die gesamte Finanzbranche erschüttert. Anleger versuchten im Anschluss, die BaFin, die die Missstände bei Wirecard zu spät erkannt hatte, für ihre Verluste haftbar zu machen: Im Februar dieses Jahres entschied jedoch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, dass die einstigen Aktionäre keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Finanzaufsicht BaFin haben.

Die Anleger sind entsprechend enttäuscht, groß ist auch ihr Ärger über die Behörde. Zwar hat der damalige BaFin-Chef Felix Hutfeld durchaus deutlich Fehler eingeräumt und von einem „totalen Desaster“ und einer „Schande“ gesprochen, doch ändert das nichts an den Totalverlusten der geprellten Investoren.

Welche Rolle die BaFin beim Verbraucherschutz eigentlich hat, ist seitdem immer wieder Grund für zum Teil hitzig geführte Debatten. Das OLG Frankfurt hatte erklärt, dass die Behörde ihre Aufgaben im öffentlichen Interesse ausführe, und nicht auf der individuellen Ebene der Kleinaktionäre agiere. Anlegerschutz? Fehlanzeige. 

Zu hohe Erwartungshaltung auf Verbraucherseite

Aus Verbrauchersicht ist die Behörde weniger ein Tiger als ein Bettvorleger, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chef des Verbraucher-Ratgebers Finanztip, am Donnerstag auf einer Konferenz zu Finanzdienstleistungen in Hamburg. „Die große Masse in der Bevölkerung hat eine falsche Vorstellung davon, was die BaFin machen kann“, entgegnet Ulf Linke, Gruppenleiter bei der BaFin. Die Erwartungshaltung auf Verbraucherseite sei demnach zu hoch.

Das ist insofern erklärungsbedürftig, als dass die Behörde Ende vergangenen Jahres eine Verbraucherschutzstrategie veröffentlicht hat. Darin heißt es, die BaFin nehme „den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen wahr“. Das umfasst laut Papier jedoch nicht die „Durchsetzung individueller Verbraucherinteressen und die Entscheidung von Einzelfällen“. Sie kann von den Unternehmen eine Stellungnahme fordern und anschließend dazu auffordern, die Fehler zu beseitigen, wird bei Ansprüchen von Verbrauchern hingegen nicht aktiv. „Wir sollen nur die größeren Zusammenhänge erkennen“, so Linke.

Wissenschaftlerin wirft BaFin „Etikettenschwindel“ vor

Daran stören sich nicht nur Verbraucherschützer. Doris Neuberger, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rostock, bezeichnet es als „Etikettenschwindel“, dass die BaFin sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben hat. „Das passt einfach nicht“, so Neuberger. Sie fordert mehr Mitarbeiter für die Behörde, verstärktes Mystery Shopping und Produktinterventionen. Tatsächlich bestätigt auch Linke selbst, dass der Verbraucherschutzbereich noch nicht groß genug sei, um ein eigener Geschäftsbereich zu werden. Hinzu kommen rechtliche Hürden: Die BaFin kann beispielsweise keine Rückzahlung von zu Unrecht erhobenen Gebühren von den Banken im Namen der Kunden verordnen. „Wir können nur gegen den Missstand vorgehen, die Folgen muss der Verbraucher selbst in die Hand nehmen“, so Linke.

Die BaFin möchte allerdings auch die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Maßnahmen nicht unbedingt einsetzen. Vor Drohgebärden wie einem Produktverbot schreckt sie zurück. „Die Aufsicht ist nicht zwangsläufig am effektivsten, wenn sie die Keule schwingt“, erklärte jüngst BaFin-Sprecher Norbert Pieper gegenüber procontra.

Dazu muss man wissen: Der BaFin stehen prinzipiell drei Instrumente zur Verfügung, um Versicherer zu maßregeln: Sie kann Geldbußen verhängen, ein Produktverbot aussprechen und könnte sogar, wenn es hart auf hart kommt, den Vorstand auswechseln. Das allerdings halten Branchenexperten für nahezu ausgeschlossen. „In den vergangenen Jahren gab es keinen Fall, den die BaFin mit rechtlichen Mitteln beendet hat. Bisher blieb sie inaktiv“, sagte Hans-Peter Schwintowski, Professor für Versicherungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, im Gespräch mit procontra.

Politik verlangt mehr Durchsetzungskraft

Kritik an der geringen Wirkmacht der Finanzaufsicht kommt auch aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz (BMUV). „Die BaFin muss ein Instrument für die Durchsetzung ihrer Allgemeinverfügung an die Hand bekommen und ihre Durchsetzungskraft schärfen“, fordert Erich Paetz, Referent für Verbraucherschutz beim BMUV.

Soll der Gesetzgeber also die Befugnisse der BaFin ausweiten? Genau davor warnt Karen Bartel, Leiterin Recht beim Gesamtverband Deutsche Versicherer (GDV). Ihr zufolge müsse der Fokus stattdessen auf dem „praktischen Doing“ liegen, also darauf, dass die Behörde innerhalb ihrer Grenzen ihr Tun weiter ausbauen solle. Dass der GDV als Interessenvertreter der Versicherungswirtschaft seine Mitglieder schützen will vor einer stärkeren Finanzaufsicht, ist nun wenig überraschend.

Was das jedoch für Verbraucher bedeutet, lässt BaFin-Mann Linke nicht unerwähnt. Nachdem die Behörde die Banken dazu aufgefordert hatte, die den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwiderlaufenden Gebühren an die Kunden zurückzuzahlen, haben einfach alle betroffenen Geldhäuser Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung eingelegt. „Und dadurch das Ganze außer Kraft gesetzt“, sagt Linke.