Offener Brief aus Finanzbranche

Riester-Reform: Wie eine alte FDP-Idee an neuer Kraft gewinnt

Ob Axel Kleinlein, Frank Thelen oder Fondsanbieter wie Amundi und Blackrock: Die Zahl derjenigen, die auf eine zügige Reform der privaten Altersvorsorge drängen, wächst. Auch das Gelingen der Frühstartrente wird mit dieser verknüpft.

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13:07 Uhr | 09. Juli | 2025
Fahnen der Partei FDP

Der von Seiten der FDP erdachte Gesetzesentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge gewinnt zahlreiche Fürsprecher.

| Quelle: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Sandy Dinkelacker

Knapp 200 Milliarden Euro: So viel muss die Bundesregierung in 15 Jahren zahlen, um die gesetzliche Rente zu stützen. Zusätzlich wohlgemerkt – das Umlagesystem reicht schon lange nicht mehr aus, um die Ansprüche der Rentner und Rentnerinnen zu bedienen. Bis 2060 müsste Vater Staat sogar mit bis zu 270 Milliarden Euro aushelfen, sofern die Rentenbeiträge nicht auf über 20 Prozent des Bruttolohns steigen sollen.

Errechnet hat das der Wirtschaftsweise Martin Werding. Eine Lösung liefert er zudem gleich mit: Statt das Geld in die Stabilisierung der gesetzlichen Rente zu stecken, sei es lukrativer, das Geld am Kapitalmarkt zu investieren – also in die betriebliche oder private Altersvorsorge zu stecken. Zumindest junge Menschen würden laut Werdings Berechnung von einem Wegfall der Haltelinie in der gesetzlichen Rente profitieren, sofern sie ihr Geld an den Kapitalmärkten investieren.

Kein Zeitplan für Reform

Während das Bundeskabinett jüngst jedoch die Fortsetzung der Haltelinie bis 2031 beschloss, ist bislang weitgehend unklar, wie es mit der betrieblichen bzw. privaten Altersvorsorge weitergehen könnte. Eine Anfrage der Grünen ergab jüngst, dass es für die geplante Reform der privaten Altersvorsorge noch keinerlei Zeitplan gebe. „Die Bundesregierung verschiebt die Reform der privaten Altersvorsorge auf den Sankt-Nimmersleinstag“, kritisierte anschließend der Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt, der für die Grünen im Finanzausschuss sitzt.

Dabei hängt an einer Reform der Riester-Rente auch die Zukunft eines der rentenpolitischen Herzensprojekte der Union: der Frühstartrente. Die Idee dahinter ist die folgende: Kinder sollen vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr zehn Euro vom Staat bekommen. So sollen die Jüngsten nicht nur bereits im frühen Alter für Themen wie Geldanlage und Altersvorsorge sensibilisiert werden. Zusätzlich wird bereits ein kleiner Grundstock für die späteren Vorsorgebemühungen geschaffen.

Kleinlein rechnet vor

Doch damit dieser Grundstock möglichst hoch ausfällt, brauche es eine Reform der Riester-Rente. Zu diesem Schluss kommt der Versicherungsaktuar und einstige Chef des Bund der Versicherten Axel Kleinlein. Um sein Argument zu untermauern, legt er folgende Rechnung vor:

Fall 1: Ein Kind erhält vom sechsten bis 18. Lebensjahr die Frühstartrente ausgezahlt. Der Altersvorsorge-Gedanken verfängt jedoch offenbar nicht bei ihm, nach der Volljährigkeit zahlt er privat keine weiteren Beträge mehr in sein Altersvorsorge-Portfolio ein. Bei einer guten Wertentwicklung von sechs Prozent vor Kosten und einer Effektivkostenquote von 0,4 Prozent käme er trotzdem auf eine Monatsrente von 26,37 Euro, rechnet Kleinlein vor.

Ganz anders fällt das Ergebnis indes aus, wenn statt einem günstigen ein teures Produkt bespart wird. 7,20 Euro beträgt hier bei Effektivkosten von 2,5 Prozent die spätere Monatsrente – das ist deutlich weniger. „Wir haben hier Kosten angesetzt wie sie bei Lebensversicherern zu beobachten sind“, erläutert Kleinlein.

Fall 2: Wer die Zahlungen auch nach dem Erreichen des 18. Lebensjahres fortsetzt und weiterhin 10 Euro im Monat einzahlt, kann sich – beim günstigen Produkt – auf eine Monatsrente von 52,96 Euro freuen – eine Wertentwicklung von 6 Prozent vorausgesetzt. Zahlt man gar 175 Euro im Monat ein, könnte am Ende eine Rente in Höhe von 491,71 Euro stehen.

Beim teuren Produkt – das Kleinlein hier „versicherungsförmig“ nennt – betragen die zu erwartenden monatlichen Renten indes nur 18,67 Euro (bei 10 Euro Einzahlung im Monat) bzw. 207,95 Euro (bei 175 Einzahlung im Monat).

Für Kleinlein steht somit fest: Soll die Frühstartrente möglichst hohe Zusatzrenten im Alter ermöglichen, braucht es zuvor eine Reform der Riester-Rente. „Verrentungspflicht und Kapitalerhaltsgarantie machen die Riester-Rente bislang unflexibel und ineffizient“, ist der Aktuar überzeugt.

Verrentungspflicht und Kapitalerhaltsgarantie machen die Riester-Rente bislang unflexibel und ineffizient.
Axel Kleinlein

Für ihn ist der zu Zeiten der Ampel-Regierung vorgelegte, aber nicht mehr verabschiedete FDP-Gesetzesentwurf eine gute Grundlage für eine Reform der geförderten privaten Altersvorsorge:  „Wir haben mit dem Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten Altersvorsorge aus dem letzten Jahr einen guten Ansatz, der jetzt verfolgt werden sollte“, plädiert Kleinlein in Richtung Politik.

Rückendeckung aus der Finanzbranche

Rückendeckung bekommt Kleinlein hierbei auch von Seiten der Finanz-Branche. „Die Frühstart-Rente ist ein hervorragender Ansatz, junge Menschen an die Investition in Wertpapiere heranzuführen. Ihre Einführung bedingt eine zeitgleiche Reform der Riester-Rente“, heißt es in einem offenen Brief in Richtung Politik. Unterzeichnet wurde dieser unter anderem von den Fondsanbietern Blackrock, Vanguard und Amundi, den Banken N26 und der DKB, dem Neobroker Scalable, Investor Frank Thelen sowie dem Insurtech Xaver, das vom ehemaligen Coya-Chef Max Bachem gegründet wurde.

Auch bei den Genannten besteht der Wunsch, dass die Bundesregierung künftig die Riester-Rente um ein – wie damals von der FDP vorgeschlagen – Altersvorsorgedepot ergänzt werden solle. Auf zwingende Garantien, wie eine Kapitalgarantie oder auch eine Verrentung, soll verzichtet werden. Weitere Reformwünsche umfassen:

 

  • "In der Auszahlungsphase sollte maximal mögliche Flexibilität bestehen: Dies beinhaltet neben einem Auszahlungsplan auch die Möglichkeit einer (Teil-)Entnahme oder den Beginn der Aus[1]zahlungsphase vor dem Eintritt in die gesetzliche Rente."

 

  • "In der Frühstart-Rente sollten auch Einzahlungen zugelassen werden. Damit wird es zum Beispiel für Eltern oder Großeltern möglich, aktiv zur Rente der Kinder und Jugendlichen beizutragen."

 

  • "Wir sprechen uns nachdrücklich für eine Ausweitung der Berechtigten für das Altersvorsorgedepot auf alle in Deutschland Steuerpflichtigen aus."

 

Uneigennützig sind die Vorschläge selbstredend nicht, da sie alle auf das Geschäftsmodell der Unterzeichner einzahlen. Doch geht der Kreis der Altersvorsorge-Depot-Befürworter deutlich über die Industrie hinaus.

Geht es nun ganz schnell?

Nicht nur der ehemalige Verbraucherschützer Axel Kleinlein sieht hier Chancen, auch in den Regierungsparteien gibt es Leute, die den alten Gesetzesentwurf gerne wieder aus der Schublade holen würden. Zu diesen gehört der CDU-Finanzexperte, der auf einer Fachveranstaltung des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) Hoffnungen auf ein Comeback des Gesetzes neuen Auftrieb verlieh.  

„Wir wollen zu 98,5 Prozent das, was im Referentenentwurf der FDP steht“, erklärte Brodesser dem Publikum. Lediglich bei einigen Details – beispielsweise der Zulassung von Einzelaktien – müssen man noch einmal ran. Sofern der Koalitionspartner hier mitspielt, könnte es mit der Altersvorsorge-Reform dann doch deutlich schneller gehen, als derzeit viele denken.