Assekurata-Marktstudie

Allianz bügelt Schwächen aus – so täuscht das Wachstum der Lebensversicherer

Wo Licht ist, da ist auch Schatten – so die Situation der deutschen Lebensversicherer. Zwar profitieren sie laut einer aktuellen Assekurata-Analyse von der Auflösung der Zinszusatzreserve (ZZR), doch stille Lasten trüben das Bild. Und ohne den Marktführer Allianz stünde die Branche beinahe still.

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11:06 Uhr | 27. Juni | 2025
Allianz Bürogebäude im Geschäftsviertel La Défense in Paris

Ein Lebensversicherer überragt alle anderen: 90 Prozent des Prämienzuwachses entfallen allein auf die Allianz.

| Quelle: Jean-Luc Ichard

Was Sie erfahren werden:

  • Warum die Lebensversicherer trotz Zinsrückflüssen weiter unter Druck stehen.

  • Wie sich die Ertragslage und Solvenzquoten der Branche entwickelt haben.

  • Warum das Bestandswachstum 2024 trügt und welche Rolle die Allianz spielt.

Insgesamt hat sich das Ertragsniveau der Lebensversicherer gegenüber der vorhergehenden Niedrigzinsphase gefestigt, heißt es in dem neuen Marktausblick 2025, den das Kölner Rating- und Analysehaus Assekurata jetzt vorgelegt hat. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Anbieter von den Mitteln profitieren, die aus der Zinszusatzreserve (ZZR) frei werden. Zum Bilanzstichtag 2024 belief sich die ZZR demnach branchenweit auf 84 Milliarden Euro. Dies ist merklich weniger als noch Ende 2021, als die Branche ihren Spitzenwert von 96 Milliarden Euro erreicht hatte.

Die Mittel aus der ZZR gehören grundsätzlich den Versicherten und kommen ihnen in Form höherer Überschussbeteiligungen zugute. So liegt die laufende Verzinsung im Neugeschäft für klassische Rentenversicherungen aktuell im Schnitt bei 2,52 Prozent (Vorjahr: 2,46 Prozent).

Kapitalanlagedruck durch stille Lasten

Dass die Deklarationen nicht schneller steigen, liegt vor allem an den stillen Lasten auf den Kapitalanlagen der Lebensversicherer, die Assekurata aktuell mit knapp 80 Milliarden Euro beziffert. „Bei stillen Lasten handelt es sich um verdeckte Buchverluste, die zwar handelsrechtlich nicht realisiert werden müssen, aber die Handlungsfähigkeit in der Kapitalanlage einschränken“, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

Knapp 80 Prozent des Anlageportfolios der Lebensversicherer besteht laut dem Analysehaus aus festverzinslichen Papieren, viele davon mit langen Laufzeiten. Diese konservative Anlagestrategie war in Niedrigzinsphasen sinnvoll, um die Zinsgarantien gegenüber den Versicherten zu erfüllen. Steigen jedoch die Zinsen, entstehen stille Lasten, also Wertrückgänge auf Zinsanlagen, wodurch die Marktwerte unter ihren Buchwerten notieren.

Verbesserung bei Rohüberschüssen und Solvenz

Dank der ZZR-Rückflüsse und der steigenden Neuanlagerenditen hat sich auch die Rohüberschusslage der Lebensversicherer deutlich verbessert. Schwankte dieser Indikator in der Niedrigzinsphase im Marktdurchschnitt noch bei etwa zehn Prozent, so liegt er nun bei über 17 Prozent und könnte Assekurata zufolge ab 2027 sogar an die 20-Prozent-Marke heranreichen. Auch die Solvenzquoten liegen mit durchschnittlich rund 300 Prozent auf einem stabilen Niveau.

Allianz dominiert Wachstum

Mit Blick auf die Wachstumslage zeichnet die Rating-Agentur eher ein gemischtes Bild. Zwar konnten die Lebensversicherer 2024 in Summe ein Bestandswachstum von 2,7 Milliarden Euro beziehungsweise 3,1 Prozent verzeichnen, dieses ist aber größtenteils auf Einmalbeiträge (+10,6 Prozent) zurückzuführen, während die laufenden Prämieneinnahmen nur leicht gestiegen sind (+0,3 Prozent). Hinzu kommt, dass rechnerisch etwa 90 Prozent des Prämienzuwachses allein auf die Allianz (+2,5 Milliarden Euro) entfallen. „Ohne die Zahlen des Marktführers sähe das Branchenwachstum weniger positiv aus“, kommentiert Lars Heermann.

Schrumpfende Vertragszahlen und neue Chancen

Wenig erfreulich fällt auch der Blick auf die Vertragsstückzahlen aus. Hier musste der Markt einen weiteren Rückgang hinnehmen. So lag die Gesamtzahl an Verträgen Ende 2024 noch bei 80,3 Millionen gegenüber 81,4 Millionen im Vorjahr (-1,4 Prozent). „Perspektivisch dürfte hier weiterer Handlungsdruck aufkommen, da in naher Zukunft viele Verträge zur Auszahlung kommen“, glaubt Bereichsleiter Lars Heermann. Wachstumspotenziale für die Zukunft sieht der Experte daher in der Wiederanlage der Vermögen aus ablaufenden Verträgen sowie in der Gestaltung der Ruhestandsphase.

Biometrie und politische Unsicherheiten

Die Branche sieht zudem im Geschäftsfeld Biometrie weiterhin großes Potenzial – besonders die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) gilt nach wie vor als wichtiger Wachstumstreiber.

Erschwert wird das Neugeschäft allerdings durch die unklaren politischen Rahmenbedingungen. Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will wünscht sich von der schwarz-roten Regierungskoalition, die Initiative für eine neue geförderte Altersvorsorge möglichst zeitnah wieder aufzunehmen und Lösungen für eine leistungsfähige kapitalgedeckte Absicherung zu schaffen. Auch wenn geopolitische Faktoren derzeit im Vordergrund stünden, sollte die Politik angesichts der drängenden demografischen Probleme das Thema Altersvorsorge nicht auf die lange Bank schieben.