DIN 77230

DIN-Norm wird neu aufgebrochen

Seit Anfang 2019 gibt es die DIN 77230 für Finanzberater. Weil sie zu wenig Verbreitung findet, soll jetzt eine Überarbeitung für Schwung sorgen. Zweifel bleiben.

Author_image
14:12 Uhr | 12. Dezember | 2023
DIN-Norm

Mit einer Überarbeitung soll die DIN 77230 neuen Schwung erhalten.

| Quelle: Aslan Alphan

Offenbar nutzen wenig Finanzberater die DIN 77230. Jedenfalls hat der DIN-Arbeitsausschuss „Finanzdienstleistungen für den Privathaushalt“ die Analysenorm überarbeitet, um sie neuen Zielgruppen zugänglich zu machen und einen flächendeckenden Einsatz zu ermöglichen. Wie das Defino Institut für Finanznorm berichtet, wird das starre Abarbeiten von 42 in der Norm genannten Finanzthemen aufgebrochen. Künftig gibt es neun Module oder Bedarfsfelder, so dass auch Teilanalysen möglich sind. Bedarfsfelder seien zum Beispiel „Krankheit/Pflege“, „Arbeitskraftverlust“ und „Sparen/Vermögensbildung“. Diesen Modulen seien Finanzthemen fest zugeordnet.

Einordnung am Ende

Laut Defino erfahren Kunden auch bei Anwendung nur einer Teilanalyse am Ende, wo die im jeweiligen Bedarfsfeld auf Relevanz geprüften Finanzthemen im Gesamtranking der 42 Themen positioniert sind. Dadurch bleibe der ganzheitliche Grundsatz der Norm gewahrt. Der modulare Aufbau spare Beratern und Kunden Zeit. So müssten für die Feststellung des Sollstatus in der Altersvorsorge in der Teilanalyse lediglich fünf Fragen beantwortet werden statt 49 Fragen in der Gesamtanalyse.

Manche Kunden hätten halt wenig Zeit oder beschäftige aktuell nur ein konkretes Bedarfsfeld, begründet Defino die Maßnahme. In solchen Situationen helfe die Teilanalyse nach Norm. Einzige Bedingung für die Berufung der Berater auf die Norm sei die Einordnung der Teilanalyse-Themen in die gesamte Liste an Finanzthemen der DIN 77230. So sähen Verbraucher, „dass sie möglicherweise noch wichtigere Themen zu betrachten haben“, ergänzt Defino-Vorstand Klaus Möller auf Anfrage.

„Segmentierung ändert nichts“

Die Norm war Anfang 2019 eingeführt worden, um die einer Beratung vorgelagerte Finanzanalyse eines Privathaushaltes zu vereinheitlichen. Verbraucherschützer haben die Norm stets abgelehnt. „Daran ändert die Segmentierung in vorgeblich verschiedene Bedarfsfelder nichts“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Norm regele nicht die Beratung, sondern die Analyse. Und hier gebe sie den individuellen Bedarf durch eine selbstgegebene Priorisierung vor. 

Vor allem Banken hielten sich bisher mit der Anwendung der Norm zurück oder setzen alternativ oder ergänzend auf eigene Anwendungen. So teilt die Deutsche Bank auf Anfrage mit, ihr „FinanzCheck“ lehnt sich an den DIN-Standard an. Zudem erlaube die eigene Anwendung bereits Bedarfe nach Einzelthemen aufzuzeigen.

Kritik an der Priorisierung

Ein Grund für solche Eigenentwicklungen könnte eine vermeintliche Bevorzugung von Versicherungs- gegenüber Bankprodukten in der Analyse nach DIN sein, war schon bei Einführung der Norm zu hören. „Warum muss man das Berufsunfähigkeitsrisiko gegenüber der Altersvorsorge priorisieren“, fragt Nauhauser und antwortet selbst: „Weil dieses Schema dem Produktverkauf vorbei am tatsächlichen Bedarf dient.“

Möller erwidert: „Gegenstand der Betrachtung sind in der Norm nicht Produkte, sondern Risiken und Notwendigkeiten“. Die Priorisierung der Themen folge wissenschaftlicher Logik, wonach zum Beispiel existenzbedrohliche Risiken vor nicht existenzbedrohlichen Risiken angegangen werden müssten. „In diesem Sinne ist es logisch, dass Arbeitskraftverlust vor Altersvorsorge rangiert.“