6 Milliarden Euro im Jahr

Wie Versicherer mit Verdacht auf Versicherungsbetrug umgehen

Gestiegene Preise sorgen bei den Versicherern auch für höhere Schäden durch Versicherungsbetrug. Der GDV vermeldet aktuell ein Schadenvolumen von sechs Milliarden Euro. Doch wie gehen die Versicherer eigentlich bei einem Verdachtsfall vor?

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14:05 Uhr | 02. Mai | 2024
Versicherungsbetrug

Versicherungsbetrüger sorgten bei den Versicherern zuletzt für Schäden von rund sechs Milliarden Euro.

| Quelle: Olivier Le Moal

Künstliche Intelligenz bietet nicht nur Versicherern neue Möglichkeiten, sondern auch Versicherungsbetrügern. Mittels KI-Anwendungen wie Dall-E oder Midjourney lassen sich zum gewünschten Schadenfall schnell die passenden Bilder erstellen. Für die Schadensachbearbeiter wird es somit immer schwieriger, Betrüger zu erkennen.

Versicherungsbetrug gibt es nicht erst seit der Entstehung der Künstlichen Intelligenz, sondern ist ein Phänomen, was die Versicherer seit jeher beschäftigt. Und das offenbar in steigendem Maße, wenn man sich die aktuellen Zahlen des Branchenverbands GDV anschaut. Diesen zufolge beträgt der jährliche durch Betrug verursachte Schaden bei den Versicherern mittlerweile sechs Milliarden Euro – in den Vorjahren hatten die Versicherer stets von fünf Milliarden Euro gesprochen. Dies dürfte in erster Linie an den gestiegenen Kosten, beispielsweise für Fahrzeugteile, begründet liegen.

Jeder zehnte Schaden ist verdächtig

Die neuen Zahlen beruhen aus einer Sonderauswertung von über 600.000 Schadenmeldungen aus drei Jahren. Untersucht wurden dabei knapp 200.000 Einbrüche mit einer Schadenhöhe von bis zu 50.000 Euro sowie 400.000 Schäden an Kraftfahrzeugen, die der Privathaftpflicht bzw. der Tierhalterhaftpflichtversicherung gemeldet worden waren. Das Ergebnis: Jeder zehnte Schaden ist aus Sicht der Versicherer zumindest verdächtig. Das bedeutet erst einmal nur, dass der gemeldete Schaden Merkmale aufweist, die nicht der Statistik entsprechen. Diese können jedoch Indiz dafür sein, dass bei der Meldung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. 

Auch wenn die Versicherer selbst zunehmend aufrüsten und Künstliche Intelligenz zur Betrugserkennung nutzen, geht es ohne den menschlichen Verstand nicht. „Bei der Betrugsbekämpfung werden Software und IT zwar immer wichtiger, ersetzen können sie die Intuition und den gesunden Menschenverstand unserer Mitarbeitenden aber nicht“, erklärte Bavaria-Direkt-Vorstand Christian Krams vor einiger Zeit gegenüber procontra.

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Wie die Versicherer bei einem Verdachtsfall vorgehen, schildert der GDV in einem aktuellen Dossier. Grundsätzlich beinhaltet der erste Schritt die Prüfung der eingehenden Schadensfälle. Kommt es hierbei zu Auffälligkeiten, z. B. wenn die Schilderung des Schadens im Vergleich zum Schadenbild nicht plausibel ist, entsteht ein Anfangsverdacht für einen möglichen Betrugsfall.

Nun kann der Schadenbearbeiter verschiedene Aspekte prüfen. Dazu gehören:

 

  • Ist die Fallschilderung plausibel?

  • Sind Schaden und Objekt kompatibel?

  • Wie steht es um die finanzielle Situation des Versicherungsnehmers?

 

Auch die eingereichte Rechnung kann einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Hierbei wird unter anderem geprüft, ob es sich hierbei um eine Originalrechnung des Verkäufers handelt oder der Hersteller einer beschädigten Sache überhaupt existiert.

Mit speziellen Farb- und lnfrarot-Video-Bildsystemen können Fälschungen oder Veränderungen an Dokumenten erkennbar gemacht werden, teilt der GDV mit. Mittels Bildforensik hilft beispielsweise das Jenaer Unternehmen Ico-Lux, das eingehende Rechnungen auf Auffälligkeiten und Manipulationen hin untersucht – schwerpunktmäßig in der Krankenversicherung.

Was ertappten Versicherungsbetrügern droht

Identifiziert der Versicherer einen Betrug, kann er ihn schließlich zur Anzeige bringen. Tätern drohen hier – bei schweren Fällen – Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren. Auch zivilrechtliche Sanktionen sind möglich. Dazu gehören:

  • Die Kündigung des Vertrags

  • Die Rückforderung gezahlter Leistungen und Vorschüsse

  • Regress von Mehrkosten für Sachbearbeiter und Ermittlungskosten

„Natürlich sind die meisten unserer Kunden ehrlich und nicht jede dubiose Schadenmeldung ist ein Fall von Versicherungsbetrug“, sagt Asmussen. „Nichtsdestotrotz müssen Versicherer dubiose Schadenfälle eingehender prüfen und auf diese Weise Versicherungsbetrug entgegentreten – denn die Betrüger bereichern sich auf Kosten unserer ehrlichen Kunden.“