Schadenbearbeitung

So nutzt die Versicherungskammer schon heute KI

Für kaum eine Branche erscheint der Einsatz künstlicher Intelligenz so naheliegend und vorteilhaft wie für die Versicherer. Bei der Versicherungskammer wird KI bereits in der Schadenbearbeitung eingesetzt. Das ist nicht nur eine technische Herausforderung.

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15:06 Uhr | 15. Juni | 2023
Versicherungskammer

Bei der Versicherungskammer wird der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Schadenbearbeitung bereits erprobt.

| Quelle: Versicherungskammer

Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde – vor allem auf KI basierende Chatbots wie ChatGPT (Microsoft) oder Bard (Google) generierten in den vergangenen Monaten eine enorme Aufmerksamkeit. In dieser Woche zog dann mit Meta das nächste Tech-Schwergewicht nach und präsentierte sein Sprachmodell I-JEPA. Dieses soll noch weniger Fehler machen als die Konkurrenz und damit leichter zu trainieren sein, so das vollmundige Versprechen.

Noch sind die Berührungsängste in der Bevölkerung allerdings groß. Laut einer Befragung der Unternehmensberatung Strategy&, die globale Strategieberatung von PwC, unter 1.000 Menschen, überwiegt bei vielen Deutschen jedoch die Skepsis. Nur neun Prozent würden beispielsweise ihr Geld einer KI-gestützten Finanzberatung anvertrauen.

Allerdings wird die Wirtschaft um die Integration von künstlicher Intelligenz in ihre Geschäftsprozesse wohl kaum herumkommen – zu groß sind die möglichen Effizienzgewinne. Vor allem die Versicherungswirtschaft gilt aufgrund der Vielzahl der ihr zur Verfügung stehenden Daten als einer der potenziell größten Nutznießer der neuen Technologie.

Grundlegender Wandel des Schadenmanagements

Dass diese nicht erst seit ChatGPT & Co. seitens der Versicherer genutzt wird, erläuterte am Donnerstag Christian Krams, innerhalb der Versicherungskammer die Bavaria Direkt zuständig. Der konzerneigene Direktversicherer gilt seit jeher als Innovationslabor des größten deutschen öffentlichen Versicherers.

Seit gut vier Jahren ist die Bavaria Direkt damit beschäftigt, mittels KI und Data Analytics das Schadenmanagement zu überarbeiten. „Das Schadenmanagement wird sich in den kommenden Jahren deutlich verändern“, zeigt sich Krams überzeugt. Dass die Versicherer hierbei verstärkt auf KI setzen, ist auch den aktuellen Herausforderungen geschuldet. „Durch die derzeit hohe Inflation steigen die Schadenaufwendungen. Diese können wir aber aufgrund der Wettbewerbssituation nicht eins zu eins an die Versicherungsnehmer weitergeben“, verdeutlichte Krams die Ausgangssituation.

Schadenbearbeiter erhalten Empfehlungen von KI

Mittlerweile werden bereits einzelne Schritte in der Schadenbearbeitung von der KI übernommen bzw. unterstützt. So vergleicht die KI nach Eingang die eingehende Schadenmeldung mit ähnlichen Schadenmeldungen aus der Vergangenheit, die aus Sicht des Versicherers sowie des Kunden als gelungen gelten. Findet er solche, schlägt er eine Orientierung an diesen Positivbeispielen vor. Er gibt dem Schadenbearbeiter Empfehlungen zur „next best action“. 

„Allerdings können die menschlichen Sachbearbeiter diese Vorschläge überstimmen“, bemerkt Krams. Diese Überstimmung muss seitens der Sachbearbeiter dann begründet werden, so dass deren Feedback von der KI aufgenommen und verarbeitet werden kann.

Neue Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Maschine

Dass die Sachbearbeiter hier miteinbezogen werden, kommt nicht von ungefähr. „Die Implementierung von KI hat nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Komponente“, erklärt Krams. Denn die neue Technologie muss seitens der Mitarbeiter auch angenommen, neue Rollen verteilt und neue Fähigkeiten erlernt werden.

„In der Arbeitswelt der Zukunft kommt es zu einer neun Verteilung der Aufgaben zwischen Mensch und Maschine, um ein leistungsstarkes, effizient arbeitendes Team zu formen“, wird an dieser Stelle die Personalmanagerin Prof. Yasmin Weiß zitiert.

Bislang wendet innerhalb der Versicherungskammer lediglich die Bavaria Direkt das KI-gestützte Schadenmanagement an. Und hier vor allem in der Kfz-Versicherung. Allmählich solle das neue System nun auch auf andere Versicherungszweige, wie die Hausrat-, Haftpflicht- oder Gebäudeversicherung, sowie andere Versicherer im Konzern ausgerollt werden.

Hemmschuh: unvollständige Datensätze

Dies ist jedoch laut Krams mit zahlreichen Herausforderungen verbunden: Damit der KI-Algorithmus Muster erkennen kann, brauche es zwar nur wenige Merkmale. Die dazu gehörenden Daten müssen allerdings vollständig und aktuell sowie zueinander konsistent sein. Dies mag bei einem vergleichsweise jungen Versicherer wie der Bavaria Direkt noch vergleichsweise einfach zu handhaben sein, bei älteren Gesellschaften mit unvollständigen Datensätzen und zahlreichen Daten-Insellösungen jedoch deutlich schwieriger.

Dennoch sieht man sich in München auf einem guten Weg. „Wir fühlen uns gut aufgestellt und gehen unseren Weg konsequent“, so Krams. Nicht ausgeschlossen ist dabei, dass auch andere Marktteilnehmer, beispielsweise Makler, von der Technologie des Versicherers profitieren können. „Ein Verkauf des Systems ist nicht ausgeschlossen“, sagt Krams. Entschieden sei in dieser Hinsicht allerdings noch nichts.