Kolumne

GenAI und die Zukunft der Arbeit: Wohlstand neu denken

Fachkräftemangel und Stellenabbau prägen zugleich die Schlagzeilen. Generative künstliche Intelligenz (GenAI) könnte diese Widersprüche auflösen. Doch warum das nicht so einfach ist, beschreibt Simon Moser, CEO von Muffintech, in seiner Kolumne.

09:07 Uhr | 29. Juli | 2025
Muffintech-Gründer und -Geschäftsführer Simon Moser

Muffintech-Gründer und -Geschäftsführer Simon Moser schreibt über künstliche Intelligenz.

| Quelle: Muffintech

Die Versicherungsbranche zeigt ein paradoxes Bild: Einerseits fehlen Fachkräfte, andererseits streichen Unternehmen, wie die Nürnberger Versicherung oder HDI, hunderte Stellen. Grund dafür sind kurzfristige Sparzwänge – obwohl GenAI (Generative artificial intelligence) längst Möglichkeiten bietet, Arbeit effizienter und produktiver zu gestalten. Von der Schadenbearbeitung bis zum Underwriting könnte sie Prozesse entlasten und Fachkräfte wirksam unterstützen.

Stattdessen dominiert Skepsis. GenAI wird eher als Bedrohung, denn als Chance gesehen – aus Angst vor Kontrollverlust und Arbeitsplatzabbau. Doch die Vorstellung, dass Technologie menschliche Arbeit ersetzt, ist kein Verlust, sondern ein Fortschritt: Weniger Arbeit bei gleichem oder höherem Wohlstand ist ein zivilisatorischer Gewinn. Die eigentliche Frage lautet: Wie verteilen wir diesen Wohlstand fair?

Nicht länger an überholten Denkmustern festhalten

Auch kulturell blockieren wir uns selbst. Arbeit gilt noch immer als identitätsstiftend und moralischer Maßstab – selbst dann, wenn Technologien längst bewiesen haben, dass sie Aufgaben schneller und besser erledigen können. Der Wunsch nach mehr Flexibilität und kürzeren Arbeitszeiten ist real: Laut Umfragen liegt die gewünschte Wochenarbeitszeit der Deutschen inzwischen bei nur 32,8 Stunden. Trotzdem werden solche Forderungen reflexhaft als Gefahr für den Wohlstand abgetan.

Hinzu kommt ein Steuersystem, das auf menschlicher Erwerbsarbeit als Hauptquelle der Wertschöpfung basiert – ein Relikt der Industriegesellschaft. In einer Wirtschaft, die zunehmend von Automatisierung und Daten getrieben wird, führt dieses Modell zwangsläufig in Schieflagen. Was fehlt, ist politischer Mut: Eine Modernisierung des Steuersystems, Ideen wie Digitaldividenden oder ein Grundeinkommen gehören endlich ernsthaft diskutiert. Wenn wir den Wandel gestalten, können wir Freiräume schaffen: mehr Zeit für Bildung, Familie und gesellschaftliche Teilhabe – statt Angst vor Verlusten.

GenAI ist nicht das Problem. Das Problem ist unser Festhalten an überholten Denkmustern. Wer jetzt nicht umdenkt, riskiert, den Anschluss zu verlieren – wirtschaftlich wie gesellschaftlich.

 

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