Mystery Shopping: BaFin deckt Beratungsmängel bei 6 Versicherern auf
In einer Mystery-Shopping-Aktion wollte die BaFin Einblicke in die Qualität der Beratung durch Versicherer aus der Praxis erhalten. Zwei Testkundenprofile repräsentierten unterschiedliche Bedürfnisse: Beide Profile umfassten Personen im Alter von 30 bis 50 Jahren und suchten ein sicheres Investment mit einem Anlagehorizont von 10 bis 15 Jahren. Zudem wiesen beide Profile wenig Erfahrung mit Finanzprodukten auf. Einziger Unterschied: Profil 1 hatte einen niedrigen Liquiditätsbedarf und bevorzugte nachhaltige Anlagen. Profil 2 hatte dagegen einen hohen Liquiditätsbedarf und keine Präferenz für nachhaltige Anlagen.
Die Stichprobe ist mit 6 Versicherern zwar zu gering, um auf die gesamte Versicherungslandschaft schließen zu lassen. Trotzdem zeigten sich doch Mängel, die in der Beratung möglichst nicht vorkommen sollten.
So befragten beispielsweise nicht alle Versicherer die Testpersonen nach ihren Anlagewünschen und Bedürfnissen. Nur etwa die Hälfte der Versicherer dokumentierte, ob ein empfohlenes Produkt für die Testperson überhaupt geeignet war. Zudem waren die Beratungsdokumente häufig unübersichtlich. Die Aufklärung zum Risikoniveau und zur empfohlenen Haltedauer wurde von den Testpersonen hingegen positiv bewertet.
Ziele der Aktion
Die Mystery-Shopping-Aktion der BaFin war Teil einer länderübergreifenden Aktion, die die EIOPA koordinierte, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung. Im Fokus: Die Dienstleistungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten.
Die Ergebnisse sollen dazu dienen, systematische Mängel zu identifizieren und zu beheben. Die BaFin wird mit den Versicherern, bei denen sich Mängel offenbart haben, in Kontakt treten.
Beratung im Fokus
Im Auftrag der BaFin traten Testpersonen als Käuferinnen und Käufer von Versicherungsanlageprodukten auf. Konkret ging es darum zu schauen, ob die Beraterinnen und Berater die Beratungs-, Informations-, und Dokumentationspflichten einhalten, die verschiedene Gesetze vorschreiben: das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), die Durchführungsverordnung für Versicherungsanlageprodukte (DVO VersAnIP) und die Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-InfoV). Es wurde auch getestet, ob die Pflichten der Offenlegungsverordnung (OffenlegungsV) eingehalten werden.
Zwischen März und Juni 2024 führten Testpersonen im Auftrag der BaFin 72 Beratungsgespräche bei sechs Versicherungsunternehmen und deren Vertriebspartnern durch und schlossen Verträge über Versicherungsanlageprodukte ab. Die Verträge wurden nach der Beratung widerrufen.
Folgende Vertriebskanäle wurden getestet:
Die Beraterinnen und Berater waren ausschließlich für ein Versicherungsunternehmen tätig (Ausschließlichkeitsorganisation).
Die Produkte wurden von Banken vertrieben (Bankenvertrieb Bancassurance).
Die Beraterinnen und Berater waren direkt bei einem Versicherungsunternehmen angestellt (angestellter Außendienst).
Nicht alle relevanten Informationen erhoben
Die Beraterinnen und Berater müssen die Kundinnen und Kunden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragen (Kundenexploration) und entsprechend beraten. Die Kundenexploration ist ein zentraler Bestandteil der Beratung. Sie wies bei den Testkäufen oft erhebliche Defizite auf: Beraterinnen und Berater fragten wichtige Informationen vielfach nicht oder nur oberflächlich ab. Dazu zählen die bisherigen Erfahrungen mit Anlageprodukten, die finanzielle Situation, der Anlagezweck, die Anlagedauer, die Risikobereitschaft, der Liquiditätsbedarf und die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen.
Ein weiteres Problem sind die Diskrepanzen zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Testkundinnen und -kunden und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen. So klafften die Angaben der Testpersonen und die Dokumentation in den Beratungsprotokollen oft auseinander. In einigen Fällen widersprachen sich die Angaben sogar, etwa zur Risikoneigung. Zudem wurden die Testpersonen häufig nicht ausreichend über das Thema Nachhaltigkeit aufgeklärt, obwohl dies bei Versicherungsanlageprodukten vorgeschrieben ist.
Multioptionsprodukte und Nachhaltigkeit im Fokus
Die Mehrheit der abgeschlossenen Verträge (68 von 72) waren Multioptionsprodukte. Solche Produkte bieten die Möglichkeit, einen Teil oder die gesamten Beiträge beispielsweise in verschiedene Investmentfonds zu investieren. Nur vier Verträge entfielen auf klassische Versicherungsanlageprodukte. Diese Produkte sehen keine spezifischen Anlagen für die Verträge vor. Stattdessen investiert der Versicherer die Beiträge in seine allgemeine Kapitalanlage. Insgesamt wurden tendenziell längere Laufzeiten vereinbart als ursprünglich angefragt.
53 der 72 abgeschlossenen Verträge enthielten Anlagekomponenten mit Nachhaltigkeitsmerkmalen. Die Hälfte der Testkäuferinnen und Testkäufer äußerten von sich aus Nachhaltigkeitspräferenzen.
Verbesserungsbedarf bei Kosten
In den meisten Beratungsgesprächen wurden die Testkundinnen und -kunden über die zu erwartende Rendite (in 94 Prozent der Fälle), und das Risikoniveau (in 81 Prozent der Fälle) informiert.
Die Renditeerwartungen nach Kosten blieben oft unter der von den Testkundinnen und -kunden gewünschten Zielmarke von zwei Prozent, während die Kosten zwischen 0,71 und 3,29 Prozent pro Jahr lagen. Diese Kosten wurden in den Beratungen nur in rund zwei Dritteln der Gespräche thematisiert.
Unübersichtliche Dokumentation
Die Beratungs- und Vertragsunterlagen umfassten oft über 200 Seiten, in Einzelfällen sogar über 400. Sie waren häufig unübersichtlich, teilweise irreführend. So war beispielsweise nicht immer klar, auf welches Angebot sich ein Basisinformationsblatt bezieht.
Produkte oft nicht eindeutig geeignet
Versicherer dürfen Kundinnen und Kunden nur Versicherungsanlageprodukte empfehlen, die für diese geeignet sind. Maßgeblich für die Beurteilung der Eignung von Versicherungsanlageprodukten sind die bei der Kundenexploration erhaltenen Informationen.
Nur in etwa der Hälfte der Fälle dokumentierten Beraterinnen und Berater die Prüfung der Geeignetheit der Produkte. Lediglich 19 von 72 Verträgen erfüllten die EIOPA-Kriterien zu Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit. In einer Vielzahl von Fällen konnte die Geeignetheit des Produkts im Hinblick auf die Kriterien der Renditeerwartung oder Risikoklasse nicht eindeutig festgestellt werden.