Gleiche Regeln für Finfluencer

Wie einst gegen Check24: BVK will juristisch gegen Finfluencer vorgehen

Können Finfluencer für ihre Empfehlungen haftbar gemacht werden? Nein, sagt die BaFin. Doch, sagt der BVK und beruft sich auf ein neues Rechtsgutachten, das er erstellen ließ. Der Verband gibt sich kampfbereit und hält sich den Gang vor Gericht offen.

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14:06 Uhr | 06. Juni | 2025
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski hat für den BVK ein Rechtsgutachten erstellt.

| Quelle: HU Berlin

Wer auf Finfluencer im Netz hört, kann unter Umständen viel Geld verlieren. Denn nicht alle der als Finanz-Experten auftretenden Internet-Persönlichkeiten wissen tatsächlich, wovon sie sprechen. Teilweise werden auch konkrete fragwürdige Finanzprodukte, sehr häufig aus dem Bereich Krypto, beworben, die die User mittels Klick auf einen dargebotenen Link abschließen können. Haften müssen die Finfluencer für ihre Empfehlungen allerdings nicht – eine Tatsache, die den Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) frustriert.

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Viele junge Menschen holen sich Finanztipps in den sozialen Medien, treffen dort aber mitunter auf unseriöse "Experten". Honorarberater Thomas Beutler setzt mit seinem YouTube-Kanal etwas dagegen. Ein Gespräch über gängige Maschen, Warnhinweise und die Rolle von Finanzbildung.

Groß war der Ärger als die BaFin zu Beginn des Jahres zu dem Schluss kam, dass es sich bei den von den Finfluencern im Netz dargebotenen Informationen nicht um eine Anlageberatung handele. Die strengen Regeln der Anlageberatung gelten folglich nicht für Influencer. 

Neues Rechtsgutachten

Beim BVK sieht man die im Netz wachsende Konkurrenz als Bedrohung für ihre Mitglieder. Zumal die Bedeutung der Finfluencer zunimmt. Die BaFin hatte im vergangenen Jahr ermittelt, dass 60 Prozent der 18- bis 45-Jährigen Finanzinformationen aus dem Netz als gute Alternative zur klassischen Beratung empfinden. Die Einschätzung der BaFin wollte der Berufsverband darum nicht unwidersprochen lassen und gab beim bekannten Professor Hans-Peter Schwintowski ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dieses stellte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humbold-Universität an diesem Freitag im Rahmen der Jahreshauptversammlung nun vor.

Schwintowski kommt in diesem zu dem Schluss, dass die Entscheidung der BaFin im Sinne des Aufsichtsrechts richtig war – nicht aber im Sinne des Zivilrechts. „Finfluencer, die beispielsweise Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen in sozialen Medien anbieten, schließen damit (konkludent) einen zivilrechtlichen Beratungs- und Vermittlungsvertrag und sind deshalb verpflichtet, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Anlagevermittlung und/oder die Anlageberatung zu erfüllen“, heißt es hierzu im Urteil.

Wenn der Influencer also per Link auf ein konkretes Produkt hinweist, kann zivilrechtlich bereits ein Vermittlungs- und Beratungsvertrag zustande gekommen sein. Als gesetzliche Grundlage nennt Schwintowski hier unter anderem das sogenannte Tchibo-Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahres 2013 (siehe Infokasten). Entsprechend gelten für den Finfluencer die gleichen Regeln wie für einen Versicherungsvermittler – unter anderem das Vorliegen einer Erlaubnis nach 34d Gewerbeordnung.

Tchibo-Urteil

Der Kaffeeröster vertrieb damals über seine Webseite Versicherungen der AssTel Lebensversicherung und Sachversicherung AG. Zwar wurden die Kunden hierfür auf die Seiten des Versicherers geleitet, doch das war dem Bundesgerichtshof egal. Es komme auf das objektive Erscheinungsbild der ausgeübten Tätigkeit an. Bewirbt ein Unternehmen auf seiner Webseite bestimmte Versicherungsprodukte und ermöglicht den Online-Abschluss, so ist es ein Versicherungsvermittler. (Az: I ZR 7/13; Urteil vom 29.11.2013).

"Wir brauchen keine neuen Regeln für Finfluencer"

„Wir brauchen keine neuen Regeln für Finfluencer“, sagte Schwintowski. „Das sind Vermittler, sie nennen sich nur nicht so.“ Finfluencer müssen entsprechend beraten, ist Schwintowski überzeugt. „Sie tun es aber nicht.“ Zur Klarstellung: Gemeint sind an dieser Stelle die Finfluencer, die auf bestimmte Produkte hinweisen und diese anpreisen – nicht aber diejenigen, die allgemein zu Finanzthemen informieren wollen.

Schwintowski sieht nun die Industrie- und Handelskammern sowie die BaFin in der Verantwortung, per Stichproben nachzuprüfen, ob Finfluencer tatsächlich Versicherungsvermittlung betreiben oder nicht.

Eine Auffassung, die auch beim BVK geteilt wird. Und die man notfalls auch juristisch gegen den einen oder anderen Finfluencer ausfechten möchte. „Wir werden uns nicht scheuen, den Weg von Check24 wieder zu gehen“, rekurrierte Heinz auf die Prozesse des Verbands gegen das Vergleichsportal Check24. „Wir sind zwar nicht kampfeslustig, aber kampfbereit“, bemerkte Heinz, der seinen Verband auch als eine Art Ordnungspolizei am Markt versteht.

Ganz so einfach dürfte eine juristische Auseinandersetzung mit den Finfluencern jedoch nicht werden. Nicht alle sitzen in Deutschland, sondern senden ihre Botschaften von Dubai, Zypern oder sonstwo in der Welt in den digitalen Äther. So kann die BaFin keine Webseiten abschalten oder Social-Media-Posts löschen lassen, wenn Finfluencer gegen womögliche Beratungspflichten verzichten, bemerkte Markus Ferber, Mitglied des Europaparlaments, in einer anschließenden Diskussionsrunde. Hieran werde in der EU jedoch gerade gearbeitet. Gleichzeitig gelte es, das Thema Finanzbildung nicht allein dem Netz zu überlassen – hier sei vielmehr auch der Gesetzgeber gefordert.

Die BaFin zu rufen, halte ich für brandgefährlich
Frank Kettnaker

Frank Kettnaker, Vertriebsvorstand der Alten Leipziger, warnte die Branche jedoch, beim Umgang mit den Finfluencern zu stark nach dem Staat bzw. der BaFin zu rufen. „Wenn wir den Staat um Hilfe rufen, dann kommt er auch“, mahnte Kettnaker. Die Folge könnte dann ein Übermaß an Regulierung sein, das innerhalb der Branche keiner möchte. „Die BaFin zu rufen, halte ich für brandgefährlich“, so Kettnaker – schließlich könnte diese dann womöglich die Beaufsichtigung der Vermittler von den Industrie- und Handelskammern übernehmen.

Kommunikationsweg den Kunden nicht verschließen

Gleichzeitig warnte er, mit Blick auf die Versicherungsbranche, sich zu stark von den Finfluencern abzugrenzen. Diese sei schlicht ein neuer Kommunikationsweg. „Diesen den Kunden zu verschließen, halte ich nicht für klug. Stattdessen müssen wir diesen Zugangsweg für uns nutzen, gleichzeitig aber auch dessen Ordnungsmäßigkeit überprüfen“, plädierte Kettnaker.

Auch Peter Bochnia, Vertriebsvorstand bei der LVM aus Münster, sieht die Versicherungsbranche hier mit in der Pflicht. Die Versicherer, die den Großteil ihres Geldes mit den 50- bis 60-jährigen Kunden verdienten, müssten sich verstärkt um die jüngere Zielgruppe kümmern und den Wettbewerb mit den Finfluencern um die Informationshoheit annehmen. Als Beispiel nannte Bochnia hier die Platzierung von Werbeanzeigen bei E-Sports-Events, mit denen man Hunderttausende erreichen könne. 

Auch Henning Zülch, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling  an der HHL Leipzig School of Management und verantwortlich für die größte Finanzinfluencer-Befragung im deutschsprachigen Raum, sieht in den Finfluencern mehr eine Chance, denn eine Bedrohung. Die Unternehmen sollten entsprechend weniger jammern, sondern selbst ins Handeln kommen, beispielsweise durch den Einsatz von Corporate Influencern.