Elementarschutz

Opt-Out-Option oder kollektives Pflichtsystem?

Ab Mittwoch kommen die Justizminister der Länder zusammen. Ein Thema: die Elementarpflichtversicherung. Während sie der GDV ablehnt, plädiert der BdV dafür und schlägt eine Pool-Lösung vor.

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14:05 Uhr | 30. Mai | 2022
Fragende Frau

In der Debatte um eine mögliche Elementarpflichtversicherung ist noch unklar, wer sich mit welcher Idee durchsetzen wird: Pflicht? Opt-Out? Oder eine Pool-Lösung?

| Quelle: AdobeStock/Wayhome Studio

Nach dem verheerenden Unwetterereignis im Sommer vergangenen Jahres stieg die Anzahl der abgeschlossenen Versicherungen gegen Elementarschäden zunächst an: Unmittelbar nach der Ahr-Sturzflut waren es 400.000 Verträge, die neu dazukamen. „In den letzten drei Monaten 2021 ging die Zahl dann bereits auf 175.000 zurück“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Montag in Berlin. Normalerweise waren es im Durchschnitt zwischen 50.000 und 100.000 neue Policen pro Quartal.

Während unmittelbar nach einer solchen Katastrophe das Gefahrenbewusstsein noch hoch ist, nimmt es mit fortschreitender Zeit und dem damit einhergehenden Abstand vom Ereignis meist wieder ab. Nach wie vor haben nur etwa die Hälfte aller Hausbesitzer in Deutschland eine Elementarschadenversicherung. „Das ist viel zu wenig“, kommentiert Asmussen. Immer wieder wird der Ruf nach einer Pflichtversicherung laut. Diesen lehnt der GDV hingegen ab. Eine Police allein rette weder Menschenleben noch verhindere sie einen Schaden, weswegen der Verband den Fokus auf präventive Maßnahmen lege. „Daher fordern wir unter anderem Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten, eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen und den besseren Schutz bestehender Gebäude.“

Milderes Mittel, statt staatlicher Zwang

Statt einer Elementarpflicht schlägt der GDV allerdings „eine Absicherung aller Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken“ vor. Diese sei schneller umsetzbar und würde zudem weniger Eingriffe in den Markt für Naturgefahrenversicherungen bedeuten, „der ja auf der Angebotsseite funktioniert“, so der Hautgeschäftsführer. Die Idee des GDV: Bestehende Verträge ohne Elementarschutz sollen zu einem Stichtag umgestellt werden – mithilfe des Gesetzgebers, der die juristischen Weichen dafür stellen müsste.

Wer hingegen bereits gegen Elementarschäden abgesichert ist, brauche nichts weiter zu tun. Bisher unversicherte Wohngebäudebesitzer würden dann nach den Vorstellungen des GDV einen „risikogerechten Versicherbeitrag“ zahlen. Jene, die auf den Schutz verzichten möchten, müssten sich aktiv gegen die Police entscheiden – ganz im Sinne einer Opt-Out-Option. „Es wäre ein milderes Mittel, als sie staatlich zu einer Versicherung zu zwingen“, glaubt Asmussen.

„Bloße Gummistiefelpolitik bringt uns nicht weiter“

Auch der Bund der Versicherten (BdV) schaltet sich in die Debatte ein und drängt auf politische Entscheidungen. Der Verein schlägt ein kollektives Pflichtsystem zur Absicherung von Elementarschäden über einen Risikopool vor: Nach BdV-Vorstellungen sollen die Bundesländer zusammen mit der Versicherungswirtschaft eine Poollösung bereitstellen. Danach würden alle Gebäudeeigentümer höhere Grundsteuern bezahlen, mit dem Geld solle dann ein von den Ländern organisierter Risikopool finanziert werden. Diejenigen, die eine private Versicherung für Elementarschäden nachweisen, wären von dieser Steuer befreit.

„Politik, Versicherungswirtschaft und Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer müssen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Bloße Gummistiefelpolitik bringt uns nicht weiter“, so BdV-Vorstand Stephen Rehmke in dem veröffentlichten Positionspapier. Es bedürfe demnach einer verpflichtenden Lösung, die den Einzelnen für eine individuelle Vorsorge belohne und den Staat gleichzeitig in die Pflicht nehme.

In dieser Woche kommen die Justizminister der Länder zusammen und werden sich unter anderem auch über das Thema Pflichtversicherung beratschlagen. Zu dem Thema wurde eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, auch, um die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Pflichtpolice zu klären.

Im Februar war der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen zu dem Schluss gekommen, dass eine Elementarpflicht verfassungskonform sei. Die Elementarpflicht wäre demnach sowohl mit dem europäischem Unionsrecht als auch mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar. Eine Opt-Out-Option, wie sie der GDV fordert, „klingt erst einmal gut, ist aber juristisch fragwürdig, weil Versicherer nicht darüber entscheiden dürfen, was der Staat zu tun oder zu lassen hat“, kritisierte der Verfassungsrechtler Thorsten Kingreen.