Leistungskürzungen

Vorschadeneinwand: Wie Wohngebäudeversicherer beim Neuwert sparen wollen

Versicherer können die Leistung im Schadenfall kürzen, wenn dieser in Verbindung mit einem Vorschaden steht. Wie das funktioniert und wie Makler ihre Kunden dazu präventiv beraten können, erklärt Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der Kanzlei Michaelis.

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05:03 Uhr | 03. März | 2025
Tropfender Wassertank verursacht Pfütze im Haus

Unter anderem bei Leitungswasserschäden stellt sich die Frage, ob und warum diese teilweise schon vor dem Eintritt des versicherten Schadenereignisses vorhanden waren.

| Quelle: cmannphoto

Wer ruhig schlafen will, versichert sein Haus zum Neuwert. Denn wenn es zu einem versicherten Schaden kommt, wird alles zu den aktuell geltenden Preisen und ohne Abzüge ersetzt, so die landläufige Meinung. Im Falle eines Totalschadens, wenn das Haus beispielsweise bis auf die Grundmauern niederbrennt, ist das auch so, weiß Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der auf Versicherungs- und Versicherungsvertriebsrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte.

Im aktuellen Kanzlei-Newsletter weist er jedoch darauf hin, dass es sich bei Teil- beziehungsweise Reparaturschäden aber durchaus anders verhalten könne. „Hier stellt es eine eher doch neue Entwicklung dar, dass sich Sachversicherer verstärkt auf das Vorliegen von Vorschäden berufen“, so Jacobsen. Dies würden vermehrt Kunden und Vermittler an die Hamburger Kanzlei herantragen.

Leistungskürzung oder Vorschadeneinwand?

Zum besseren Verständnis sei es wichtig, zwischen Leistungskürzungen aufgrund von Verletzungen der Wartungs- und Instandhaltungspflicht und dem tatsächlichen Vorschadeneinwand zu unterscheiden. „Im ersten Fall kann der Versicherer die Entschädigungsleistung kürzen, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit schuldhaft verletzt, so dass nicht behobene Vorschäden beziehungsweise Mängel den Versicherungsfall begünstigen“, schreibt Jacobsen. Zwar sei für die Kunden schlichtweg nicht erkennbar, wo ihre Instandhaltungspflicht beginne und ende – dies hatte Versicherungsmakler Achim Finke auch im Interview mit procontra angeprangert.

Doch nachdem der BGH im Herbst letzten Jahres die weitverbreitete Formulierung bestätigt hatte, wonach Versicherungsnehmer alle gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften einzuhalten haben, „muss sich kein Versicherungsnehmer der Illusion hingeben, dass die Instandhaltungsobliegenheit wegen ihrer Unklarheiten unwirksam sein könnte“, kommentiert Jacobsen. Beispielsweise könne der Versicherer bereits ein Verschulden seines Kunden daran knüpfen, wenn dieser ein Gutachten zu ganz anderen Zwecken eingeholt habe, etwa zur Bestimmung des Versicherungswerts. Denn auch dieses könne Mängel ausweisen, die zur Sanierung veranlassen.

Anders sei es beim Vorschadeneinwand. Denn je nach Bedingungsgeneration würden diese lediglich die „erforderlichen“ oder „notwendigen“ Reparaturkosten ersetzen. „Hieraus leitet die Rechtsprechung ab, dass nur solche Reparaturkosten ersatzfähig sind, die gerade infolge des versicherten Schadenereignisses entstehen. Vorschäden, die durch nicht-versicherte Ereignisse oder Abnutzung entstehen, bilden keine versicherungsfallbedingten Schäden“, schreibt der Rechtsanwalt.

In der Folge müsse der Kunde beweisen – sofern Anhaltspunkte für einen Vorschaden vorliegen – dass sich dieser nicht auf den Schadenumfang ausgewirkt habe. Sofern Vorschäden und versicherungsfallbedingte Schäden abgrenzbar sind, würde eine Kürzung des Versicherers zumeist nur einen Abzug für Material und nicht für die erforderlichen Arbeitsleistungen rechtfertigen.

Was Vermittler jetzt tun sollten

Maklern empfiehlt Jacobsen, ihre Kunden zur stetigen Pflege der versicherten Sachen anzuhalten. Konkret heißt das: Hauseigentümer sollten jeden evident werdenden Bau- oder Sachmangel, auch wenn er keine versicherte Gefahr realisiere, dokumentieren und versuchen, diesen durch Instandhaltungsmaßnahmen zu beseitigen. Denn wenn man die Instandhaltung nachweisen kann, erübrige sich in den allermeisten Fällen auch der Vorschadeneinwand, so der Jurist. Diesen könnten die Versicherer meist dann einsetzen, wenn ein bestehender Mangel vom Kunden leicht fahrlässig verursacht beziehungsweise aufrechterhalten wurde und eine Obliegenheitsverletzung zuvor sanktionslos blieb.

Jacobsen nennt noch zwei weitere Tipps, die Makler an ihre Kunden weitergeben können:

  • Werden bei einer Schadenregulierung aufseiten des Versicherungsnehmers Sachverständige hinzugezogen, sollten diese für die Vorschadenthematik in der Art sensibilisiert werden, dass zum Instandhaltungszustand ausgeführt wird.

  • Sind Vorschäden festgestellt, sollte stets als Folgefrage abgeklärt werden, ob diese Vorschäden nicht durch das versicherte Ereignis konsumiert wurden, sodass eine Kürzung der Entschädigungsleistung ausscheidet.

Zudem rät der Anwalt Vermittlern, die immer komplexer werdenden Regulierungen nicht nur als Herausforderung zu begreifen, sondern auch als Chance zur nachhaltigen Kundenbindung.