Elementarschutz in riskanten Regionen

Das sind die größten Hürden für Hausbesitzer aus Hochwasserzonen

Zwei Jahre nach der Flut im Ahrtal: Wie gut kommen Bewohner der Risikogebiete jetzt noch an Versicherungsschutz? procontra hat sich auf dem Markt umgesehen und mit Maklern gesprochen.

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15:09 Uhr | 14. September | 2023
GDV fordert 3 Maßnahmen für mehr Hochwasserschutz

Der GDV ist gegen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Vielmehr hält er Prävention für den größten Hebel und fordert dafür nun drei konkrete Maßnahmen.

| Quelle: fotojog

Entwurzelte Bäume, überschwemmte Straßen und eine zerstörte Infrastruktur: Als im Sommer 2021 Sturmtief „Bernd„ über das südliche Nordrhein-Westfalen, Teile Baden-Württembergs, des Saarlandes sowie Rheinland-Pfalz zieht, fällt seine Bilanz verheerend aus. Mit einer Schadenhöhe von 8,5 Milliarden Euro geht „Bernd“ als die bislang folgenschwerste Naturkatastrophe in die deutsche Geschichte ein.

Mittlerweile ist der Großteil der Schäden reguliert. Erst kürzlich teilte der Branchenverband GDV mit, dass die meisten betroffenen Hausbesitzer von ihrer Versicherung Geld bekommen hätten. „Wenn der komplette Betrag noch nicht geflossen ist, liegt das in der Regel an Materialengpässen oder fehlenden Handwerkerkapazitäten“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Doch bekommen Anwohner in Risikogebieten überhaupt noch Versicherungsschutz? procontra hat den Markt analysiert und mit Maklern aus der Flutregion über die Situation vor Ort gesprochen.

Geänderte Flurkarten und neue ZÜRS-Zonen

Kim Hahn ist eine von ihnen. Sie führt ein Maklerhaus in Bad Münstereifel und arbeitet somit im ehemaligen Epizentrum der Flutkatastrophe. „Der neue Gott ist nicht Zeus, sondern ZÜRS“, sagt Hahn und bringt die Situation damit auf den Punkt. Denn die ZÜRS-Zonen, die die Risikoklasse, in die eine Immobilie aufgrund ihrer Lage eingruppiert wird, wurden nach der Flut geändert. Die Zonen sind Teil eines vom GDV entwickelten Systems, das zur Gefahreneinschätzung für das Auftreten von Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen dienen soll. Gebäude, die vor der Überschwemmungskatastrophe Klasse zwei angehörten, fallen nun in Klasse drei oder vier.

Immer mehr Immobilienbesitzer sind daher von folgendem Problem betroffen: Bewohner von Zone drei oder vier bekommen faktisch keinen Elementarschutz mehr – oder nur sehr schwer. „Ich habe es noch nie geschafft, ein Haus aus Zone drei oder vier abzusichern“, erklärt Hahn und weist auf eine weitere Schwierigkeit hin: Viele Versicherer würden Eigentümer ablehnen, deren Immobilien bereits Vorschäden durch die Flut aufweisen – die ZÜRS-Zone spiele dabei keine Rolle. Konkrete Namen nennt sie nicht.

procontra wollte wissen, ob es wirklich so schwierig ist und hat bei drei großen Wohngebäudeversicherern nachgefragt. Das Ergebnis: Domcura, HDI und Gothaer zeichnen zwar Zone vier, aber mit Einschränkungen. Die Domcura versichert die Zone inklusive Überschwemmung und Rückstau, hier muss der Kunde allerdings zuvor einen Fragebogen ausfüllen. Auch die HDI zeichnet zwar Zone vier, schließt aber das Risiko „Überschwemmung durch Ausuferung oberirdischer Gewässer„ aus. Die Gothaer versichert die höchste Hochwasserstufe nur nach zuvor positiv beschiedener Einzelfallprüfung: Hier werden „geographische Lage des Risikos, präventiven Maßnahmen des Kunden und der Gemeinde sowie die Ausgestaltung der Konditionen“ einzeln geprüft.

Es hat nur eine kleine Minderheit an Versicherern Interesse daran, individuelle Lösungen für den Kunden zu finden.
Kim Hahn, Maklerin

Mit insgesamt 40 Wohngebäude-Versicherern arbeitet Hahn zusammen. „Die Zahl der durchlaufenden Anträge mit Vorschaden Flut beläuft sich auf sechs„, sagt sie und ergänzt: „Es hat nur eine kleine Minderheit an Versicherern Interesse daran, individuelle Lösungen für den Kunden zu finden.“

Madeleine Schüller, Maklerin im nordrhein-westfälischen Erftstadt, hat in Bezug auf den Umgang mit Vorschäden positivere Erfahrungen gemacht. Sie sagt: Viele Versicherer würden „Bernd„ nicht zwingend als klassischen Vorschaden einstufen. „Man muss den Vorschaden zwar angeben, aber es gibt daraufhin keine Ablehnungen“, erklärt sie. Dass Immobilienbesitzer aus der einstigen Flutregion ihr Haus nicht mehr vor Elementargefahren schützen können, kann sie nicht bestätigen: „Tarife inklusive einer Elementarabsicherung sind auch in den Flutregionen erschwinglich und abschließbar.“

In ZÜRS-Zone vier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Michael Pannasch, Makler

Makler Michael Pannasch, der sein Büro im von der Flut geschädigten Euskirchen führt, fasst das Vorgehen der Versicherer so zusammen: „In ZÜRS-Zone vier trennt sich die Spreu vom Weizen.„ So zeichne die Bayerische beispielsweise Zone vier, klammere aber das Risiko „Überschwemmung“ aus. Seine Annahmepolitik begründet der Versicherer auf procontra-Nachfrage folgendermaßen: „Das Risiko eines entsprechenden Schadens liegt bei einer zehnjährigen Eintrittswahrscheinlichkeit und ist daher angesichts unserer Bestandsgröße für uns nicht kalkulierbar“, so ein Sprecher der Bayerischen.

Im Bewusstsein der Bevölkerung hat sich durch die Flutkatastrophe indes offenbar wenig geändert. Nach Statistiken des GDV war vor „Bernd“ rund die Hälfte der deutschen Hauseigentümer gegen Elementarschäden abgesichert. Im Juli 2023 – zwei Jahre später – sind es 52 Prozent. Geändert hat sich demnach nichts. 

Vermittlern bleibt daher nur eine aufklärende Beratung und der Hinweis auf die Dringlichkeit des Bausteins Elementar. Wer in ZÜRS-Zone vier wohnt und sich vor dem Risiko Überschwemmung schützen will, kann dies in der Regel nur mit hohem finanziellen Aufwand oder abseits von Versicherungsschutz bewerkstelligen.