Betriebsrente: Künftig wohl weniger Garantien

Der Niedrigzins erhöht den Druck auf Garantien in der versicherungsförmigen Betriebsrente. Wie sich notleidende Pensionskassen entwickeln und wie die Kapitalanlage umgesteuert werden kann, zeigen die Pensionsaktuare des IVS.

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07:10 Uhr | 02. Oktober | 2020
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Trägerunternehmen sollten ihre Versorgungseinrichtung mit zusätzlichen Eigenmitteln oder Garantierklärungen ausstatten, rät IVS-Chef Dr. Friedemann Lucius. Bild: IVS

Die EZB zementiert die niedrigen Zinsen nachhaltig. Das ruft entweder den Verzicht auf Garantien in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) oder aber neue Garantiekonzepte auf den Plan. Wie die aussehen könnten, erklärt das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS), Zweigverein der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV).

Kernelement der versicherungsförmigen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds ist der Beitragserhalt. Die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) verlangt diesen nach aktuellem Recht zwingend und somit eine garantierte Mindestleistung. „Mittlerweile sind die Zinsen so niedrig, dass der Beitragserhalt aus aktuarieller Sicht nur mit Mühe, wenn überhaupt versicherungsförmig garantiert werden kann“, analysiert IVS-Vorstandsvorsitzender Friedemann Lucius.

Das IVS kann sich in der bAV ein Garantieniveau deutlich unterhalb des Beitragserhalts von 100 Prozent vorstellen. „Nur dann ist es möglich, nennenswerte Teile des Beitrags risikoreicher, dafür aber mit Aussicht auf mehr Leistung anzulegen“, erklärt Lucius, der im Hauptberuf Vorstandssprecher des bAV-Beratungsunternehmens Heubeck ist. Das Arbeitsrecht müsse dringend geändert werden, damit dem Arbeitgeber nicht Garantien aufgebürdet werden, die ein aufsichtsrechtlich regulierter Versorgungsträger so nicht mehr übernehmen kann.

Beitragsgarantie halbieren?

IVS-Vorstandsvize Stefan Oecking nannte für die Beitragsgarantie einen Wert „oberhalb von 50 Prozent, da es weiter eine nennenswerte Garantie geben muss“. Künftige Garantiekonzepte müssten gänzlich ohne Leistungszusagen auskommen, die Zukunft gehöre beitragsorientierten Zusagen und reinen Beitragszusagen. Das Garantieniveau für Neuverträge sei „auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“, so Lucius. Nur so sei es möglich, nennenswerte Teile des Beitrags risikoreicher, dafür aber mit Aussicht auf mehr Leistung anzulegen. „Die Zinskrise ist auch eine Chance, die vorherrschende Garantiefixierung sukzessive aufzubrechen“, so Lucius weiter.

Bereits im Vorfeld hatte die DAV für das Neugeschäft 2021 einen Höchstrechnungszins von 0,5 Prozent vorgeschlagen (procontra berichtete). Seit 2017 liegt der Wert bei 0,9 Prozent (procontra berichtete). Die BaFin hat an die Vernunft der Anbieter von Klassik-Policen appelliert, den Garantiezins freiwillig zu senken.

Speziell für regulierte Pensionskassen, die der BaFin ihre Tarife vorlegen müssen, wählt die Aufsicht aber eine härtere Gangart und genehmigt unbefristet allenfalls noch 0,25 Prozent Rechnungszins beziehungsweise will höherverzinsliche Tarife wie solche mit 0,5 Prozent nur noch befristet akzeptieren (procontra berichtete).

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Auswege für Pensionskassen

Unter Druck geraten vor allem Pensionskassen mit geringer Eigenmittelausstattung. Das IVS sieht für Versorgungsträger zwei grundlegende Strategien, um mit dieser Situation umzugehen:

„Die Kapitalanlage ist entscheidend“, so Lucius. Ohne Risiko gebe es keine ausreichenden Erträge, ohne ausreichende Erträge müssten die Verpflichtungen mit entsprechend abgesenkten Zinserwartungen bewertet werden. Dadurch stiegen die Rückstellungen und damit der Finanzbedarf, der allein aus Überschüssen in der Regel nicht mehr gedeckt werden könne.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht der IVS-Vorstandschef darin, die Risikotragfähigkeit der Versorgungseinrichtungen zu stärken. Dann könnten in der Kapitalanlage mehr Risiken eingegangen und langfristig Erträge erzielt werden, mit denen die Zinsanforderungen der Verpflichtungsseite wieder erfüllbar wären (procontra berichtete).

„Ich empfehle den Trägerunternehmen dringend, ihre Versorgungseinrichtung mit zusätzlichen Eigenmitteln oder Garantieerklärungen auszustatten“, ermuntert Lucius. Ansonsten drohten weitere Sanierungsfälle. Namen nannte er nicht, doch die Fälle sind bekannt (procontra berichtete).

Geschäftsmodelle anpassen

Das Geschäftsmodell der Pensionskassen sei bisher mehr darauf ausgerichtet gewesen, aus den Beiträgen des Kollektivs möglichst effizient hohe Leistungen mit der erforderlichen Sicherheit für das Kollektiv zu finanzieren, erinnert IVS-Vize Stefan Oecking, im Hauptberuf Partner beim bAV-Consultant Mercer und Vorstandschef des Mercer Pensionsfonds. Gewinne seien eher zugunsten von Leistungserhöhungen verwendet worden als zum Aufbau freier Eigenmittel.

Träger seien nicht gut beraten, es nun auf eine Sanierung durch Leistungskürzungen ankommen zu lassen (procontra berichtete). „Dieser letzte Ausweg geht in der Regel mit einem vollständigen Verbrauch der Eigenmittel und damit einem weitgehenden Verlust der Risikotragfähigkeit der Kasse einher. Im schlimmsten Fall folgen ein Neugeschäftsverbot und die Abwicklung der Einrichtung – die teuerste Lösung für Arbeitgeber“, stellt Lucius klar.

Regulatorischer Handlungsbedarf

Durch die Niedrigzinsen komme es auch zu erheblichen Mittelverschiebungen zwischen den Generationen in derselben Einrichtung. Der ständig steigende Finanzbedarf für alte Zusagen mit hohen Leistungsversprechen und Zinsgarantien muss aus Überschüssen und zusätzlichen Mitteln gedeckt werden, die den jüngeren Generationen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. „Die bAV-Systeme müssten jetzt generationengerecht ausbalanciert werden, um dauerhafte Benachteiligungen der jüngeren Generationen zu vermeiden“ so das IVS.

Die Zusage des Arbeitgebers und die Leistung des externen Versorgungsträgers liefen zunehmend auseinander. Der Arbeitgeber werde unter Umständen gezwungen, Entgelt wertungleich umzuwandeln. „Die Zinssituation sollte arbeitsrechtlich als sachlich-proportionaler Grund für Eingriffe in den Future Service, also die noch zu erdienenden Ansprüche, anerkannt werden“, fordert das IVS.

„Dazu brauchen wir mehr Flexibilität im Arbeits- und Aufsichtsrecht, beispielsweise wenn es darum geht, notleidende Bestände zu sanieren, ohne gleich die ganze Pensionskasse in den Abgrund zu ziehen“, so Lucius. Doch was passiert dann mit den notleidenden Beständen? Das IVS schlägt vor, Sanierungsmaßnahmen für Teilbestände zu erlauben. Dann könnten zum Beispiel zusätzliche Einschüsse des Arbeitgebers erfolgen, vorübergehend keine Überschüsse mehr zugeteilt werden, in den Future Service eingegriffen und zur Not auch Ansprüche im Past Service (bereits erworbene Versorgungsansprüche) gekürzt werden dürfen.

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