Ambulanzflug für 16.900 Euro: Muss die Auslands-KV zahlen?

Der Begriff „medizinische Notwendigkeit“ ist ein ständiger Begleiter in der Versicherungswirtschaft. Auch bei der Auslandskrankenversicherung spielt er eine wichtige Rolle. Wann die Auslandskrankenversicherung den Ambulanzflug zahlen muss und worauf es dabei ankommt.

12:07 Uhr | 27. Juli | 2020
Medizinische Notwendigkeit

Wann ist ein Rücktransport medizinisch notwendig? Und muss die Auslandskrankenversicherung die Kosten übernehmen? Bild: pixabay

Während eines Mallorca-Urlaubs erlitt ein Ehemann einen schweren Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen in der rechten Körperhälfte. Nach der Erstbehandlung im örtlichen Universitätskrankenhaus nahm die Ehefrau Kontakt zu einem Schadenregulierer ihres Auslandskrankenversicherers auf und wollte den Rücktransport organisieren.

Einen Ambulanzflug lehnte die Versicherung allerdings ab und schlug stattdessen einen Linienflug mit Zwischenstopp vor. Das wiederum wollte die Ehefrau nicht und beauftragte ein anderes Unternehmen, den Rücktransport ihres Mannes zu übernehmen. Dafür zahlte sie 16.900 Euro. Auf dem Rückflug musste der Mann mit Herzproblemen notfallbehandelt werden.

Der Versicherer verweigerte allerdings die Kostenübernahme, weil der Rückflug nicht medizinisch notwendig gewesen sei. Zudem würden ohnehin nur Kosten bis zu der Höhe übernommen, die bei einer Organisation über ihren Dienstleister entstanden wären.

In den Versicherungsbedingungen (AVB) hieß es dazu: „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung. Er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.“ Auch zum Rücktransport gab es Ausführungen im Bedingungswerk: „Ist ein Rücktransport zum nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus an dem gemeldeten Wohnsitz der versicherten Person nach Abstimmung unseres Medizinischen Leiters mit dem behandelnden Arzt vor Ort im Ausland medizinisch notwendig, so wird der Transport von unserem Medizinischen Leiter angeordnet. Medizinische Notwendigkeit für einen Rücktransport liegt vor, wenn im Aufenthaltsland eine ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist.“ Der Versicherer stützte sich bei seiner Argumentation auch auf diesen Teil des Vertrags: „Wir übernehmen die Kosten für den von uns veranlassten Rücktransport sowie die Kosten für eine Begleitperson, soweit die Begleitung medizinisch erforderlich, behördlich angeordnet oder seitens des ausführenden Transportunternehmens vorgeschrieben ist. Für nicht durch uns veranlasste oder genehmigte Leistungen werden die Kosten nur bis zu der Höhe erstattet, die bei Organisation durch unseren Schadensabwickler entstanden wären.“

Leistungen zurecht verweigert?

Der Argumentation des Versicherers wollte das Landgericht Dortmund allerdings nicht folgen (AZ: 2 O 682/18). Auch, weil ein Sachverständigengutachten feststellte, dass eine ausreichende medizinische Versorgung auf Mallorca nicht gewährleistet gewesen sei. So seien die Standards der Schlaganfallbehandlung in Deutschland seien in keiner Weise eingehalten worden. Ob der Ambulanzflug medizinisch notwendig gewesen sei, hänge von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Rücktransportes ab. Es genüge, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es vor Abflug vertretbar erscheinen ließen, den Rücktransport als notwendig anzusehen. Maßgeblich für die medizinische Notwendigkeit des Rücktransportes sind also die seinerzeitigen Erkenntnismöglichkeiten des Versicherungsnehmers oder der für diesen handelnden Personen, stellte das Gericht fest. Unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten der Ehefrau sei der Rücktransport ihres Mannes mit einem Ambulanzflug die einzige Möglichkeit eines adäquaten Transportes per Flugzeug gewesen. Ein Rückflug im Sitzen mit einem Linienflugzeug sei für den Ehemann medizinisch nicht vertretbar gewesen. Laut Urteil kann sich der Versicherer auch nicht darauf berufen, dass er nach seinen AVB nur die Kosten zu übernehmen hätte, die ein Dienstleister seines Hauses benötigt hätte.

Der Versicherer hat die Zahlung bereits geleistet, bestätigte Fachanwalt Christian Koch, der das Urteil erstritt, auf procontra-Nachfrage.