Haftung

Wichtiges Urteil: Wo Maklers Beratungspflicht endet

Ein Kunde hatte explizit eine konkrete Police geordert, nach einem abgelehnten Schaden aber trotzdem über 300.000 Euro Regress von seinem Makler verlangt. Der Fall landete vor Gericht. Stephan Michaelis, Fachanwalt für Versicherungsrecht, hat sich das für Makler wichtige Urteil des OLG Oldenburg genau angesehen.

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14:08 Uhr | 18. August | 2025
Stephan Michaelis

Stephan Michaelis, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Chef der Hamburger Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

| Quelle: Kanzlei Michaelis

Was Sie erfahren werden:

-          Warum das „Saucen-Urteil“ so wegweisend ist

-          Weshalb Makler auch bei „Execution-only“ aufpassen müssen

-          Was bei der Beratung immer dokumentiert werden sollte

Die weitreichende gesetzliche Pflicht zur Risikoaufklärung und Beratung (§§ 59 ff. VVG) schwebt stets wie ein Damoklesschwert über Versicherungsmaklerinnen und -maklern. Sie müssen die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden ermitteln, geeignete Versicherungsprodukte empfehlen und ihre Empfehlungen nachvollziehbar dokumentieren. „Kommt der Makler diesen Pflichten nicht nach, drohen erhebliche Haftungsrisiken, insbesondere dann, wenn dem Kunden durch eine Fehlberatung ein finanzieller Schaden entsteht“, weiß Stephan Michaelis, Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Doch wie weit reicht diese Pflicht? Läuft es bei Schadenfällen, in denen der Kunde nicht über die notwendige Police verfügt, zwangsläufig immer darauf hinaus, dass der Makler in die Haftung genommen wird? Dass dem nicht so ist, Makler also nicht wie Hellseher alles vorhersehen müssen, hat ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg gefestigt (Az. 1 U 2/24). Bereits nach dessen Verkündung hatte sich Maklerin und AfW-Vorständin Franziska Geusen in ihrer procontra-Kolumne über diesen „großen Erfolg für die Maklerwelt“ gefreut.

Nun hat sich Michaelis noch mit der schriftlichen Begründung des Urteils auseinandergesetzt und die wichtigsten Punkte herausgearbeitet.

Das „Saucen-Urteil in Kürze:

Eine Firma, die unter anderem Saucen für den Einzelhandel herstellt, verlangte im Jahr 2019 von ihrem Makler eine Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung. Eine gesonderte Absicherung von Rückrufkosten oder sonstigen reinen Vermögensschäden war hierbei nicht ausdrücklich Gegenstand der Beratung. Ab dem Jahr 2021 kam es zu zahlreichen Schadensfällen, nachdem von der Klägerin vertriebene Saucen aufgrund einer bakteriellen Verunreinigung aufplatzten. In der Folge organisierten Händler umfangreiche Produktrückrufe. Versichert waren lediglich Sach- und Personenschäden, aber nicht die durch den Rückruf entstandenen Vermögensschäden, wie Transport-, Entsorgungs- und Personalmehrkosten. Deshalb forderte die Fima rund 341.000 Euro Schadenersatz wegen unzureichender Beratung von dem Maklerunternehmen.

In dem Verfahren stützte sich die Verteidigung des Maklers vor allem darauf, dass der Kunde eine klare Vorgabe für die Absicherung gemacht hatte („Execution-only“). Aus der Beratungsdokumentation sowie Zeugenaussagen ließ sich klar rekonstruieren, dass der Kunde exakt den gleichen Versicherungsschutz verlangt hatte, wie er zuvor bereits für sein Schwesterunternehmen, eine oHG, abgeschlossen wurde. Der Makler sollte also lediglich diesen konkreten Kundenwunsch ausführen, der eben keine Rückrufkostenversicherung beinhaltete.

Rückrufrisiko sei elementarer Bestandteil des Geschäftsmodells

Zwar argumentierte der Lebensmittelhersteller, er habe eine umfassende Absicherung gegen Haftpflichtansprüche und Kosten verlangt. Das Rückrufrisiko sei elementarer Bestandteil des Geschäftsmodells gewesen und hätte im Rahmen einer ordnungsgemäßen Risikoanalyse erkannt und abgesichert werden müssen. Zudem sei eine solche Absicherung zum Beratungszeitpunkt auf dem Markt verfügbar gewesen. Außerdem meinte er, dass die Pflicht zur Risikoermittlung und Beratung unabhängig davon bestehe, ob ein Kunde eine bestimmte Police oder Versicherungsart nenne. Zwar könne dies von einem Verzicht auf Beratung gemäß § 61 Abs. 2 VVG ausgehebelt werden. Für einen solchen fehle es aber an einer ausdrücklichen und schriftlichen Erklärung. Und: Wäre der Kunde ordnungsgemäß beraten worden, hätte er eine Police abgeschlossen, die auch Vermögensschäden im Rückrufdeckungsbereich abgesichert hätte (aufklärungsrichtiges Verhalten).

Argumentation abgeschmettert

Doch all diesen Argumentationsversuchen erteilte das OLG Oldenburg eine Absage. „Erstens hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Lebensmittelfirma eine klare Execution-only-Anweisung erteilt hat“, erklärt Michaelis. Dadurch habe sie selbst die Beratungspflicht gemäß § 61 Abs. 1 VVG eingeschränkt. Zweitens könne sie sich nicht auf die Formerfordernisse des § 61 Abs. 2 VVG berufen, da eine solche Anweisung auch formlos erfolgen könne, wenn Inhalt und Reichweite der Einschränkung klar seien. Und drittens sei der Schadenersatzanspruch nach § 63 VVG an der fehlenden Kausalität gescheitert. Denn die Klägerin habe nach Auffassung des Gerichts nicht beweisen können, dass sie sich im Falle ordnungsgemäßer Beratung tatsächlich für eine teurere Rückrufkostenversicherung entschieden hätte. Hierbei habe es, laut Michaelis, auch eine Rolle gespielt, dass es sich bei der Rückrufkostenversicherung um eine Police mit hoher Prämie gehandelt hätte. In solchen Fällen sei ein Abschluss aufgrund von aufklärungsrichtigem Verhalten also unwahrscheinlicher.

Nachweis muss sich auf klar formulierte und dokumentierte Kundenwünsche stützen

„Das Urteil des OLG Oldenburg zeigt: Makler können ihre Haftung wirksam begrenzen, wenn sie sich nachweisbar auf klar formulierte und dokumentierte Kundenwünsche stützen“, so Michaelis. Dennoch müssten Makler auch in solchen Fällen prüfen, ob offensichtliche Risiken bestehen und den Kunden auf mögliche Deckungslücken hinweisen, um ihre Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Besonders wichtig sei es, den konkreten Kundenwunsch und die Einschränkung der Beratung nachvollziehbar zu dokumentieren. Nicht zuletzt betont Michaelis, dass in dem beschriebenen Verfahren die Beweisaufnahme sehr günstig für den beklagten Versicherungsmakler verlaufen sei. Es sei nicht auszuschließen, dass ein anderes Gericht in einem ähnlichen Fall strenger urteilen könnte.