Seit August wird über eine Reform des Verbrauchervertrags- und Versicherungsvertragsrechts diskutiert. An diesem Montag hatte der Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz dazu mehrere Sachverständige geladen, darunter auf Vorschlag der Grünen-Fraktion auch Axel Kleinlein. Der selbstständige Aktuar und frühere Chef des Bund der Versicherten (BdV) warnte dabei vor einer Gesetzesnovelle zu Lasten des Verbraucherschutzes.
Neben zahlreichen Nebenaspekten geht es bei der geplanten Gesetzesänderung bezüglich Versicherungen vor allem um den Zeitraum, innerhalb dem Verbraucher ihre Policen widerrufen können. Der Fokus liegt dabei auf Lebensversicherungen. Da viele Altverträge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten und deshalb die Widerrufsfrist nie aktiviert wurde, entstand das sogenannte „ewige Widerrufsrecht“, das es Kunden ermöglicht, ihre Police auch Jahrzehnte nach Vertragsabschluss noch rückabzuwickeln. Allerdings haben sich rund um diese juristische Option auch schon fragwürdige Geschäftsmodelle entwickelt. Der Vermittlerverband AfW beispielsweise kritisiert in diesem Zusammenhang „rechtsmissbräuchliche Massenverfahren“, die letztendlich zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen würden.
Das Ende des „ewigen Widerrufsrechts“?
Dies hätte ein Ende, wenn die Option zum Widerruf der Lebensversicherung immer nach 24 Monaten und 30 Tagen – wie aktuell im Gesetzesentwurf vorgehen – erlöschen würde. Einzige Ausnahme dürfe, laut AfW, sein, wenn eine Widerrufsbelehrung seitens des Versicherers vollständig fehle. Inhaltliche Fehler dürften indes nicht, wie bisher, das „ewige Widerrufsrecht“ aktivieren.
Versicherungsmathematiker Kleinlein sieht das anders und würde lieber auf die neue, dann gesetzlich vorgegebene Frist verzichten (bei Sachversicherungen 12 Monate und 14 Tage). Aus seiner Sicht würden die betroffenen Verträge mit „vermeintlicher Rechtsunsicherheit“ aus dem früher praktizierten „Policenmodell“ herrühren, dass mit der VVG-Reform 2008 abgeschafft wurde. „Das neue VVG seit 2008 hat insbesondere zusammen mit der Musterbelehrung eine stabile Rechtssituation geschaffen, die sich bewährt“, schreibt Kleinlein in seiner Stellungnahme für den Ausschuss. Diese Stabilität solle nun nicht durch eine Änderung gefährdet werden. Auch andere Verbraucherschützer kritisieren die geplanten Einschnitte.
Viel kritischer als diese Fristkonkretisierung sieht Kleinlein den Wegfall verschiedener Verbraucherrechte, wie den im Entwurf gestrichenen § 7 Absatz 4 VVG. Demnach könnten die Kunden dann von ihrem Versicherer nicht mehr jederzeit, so lange der Vertrag noch läuft, die Zusendung der Vertragsbestimmungen inklusive der Allgemeinen Versicherungsbedingungen verlangen. „Wenn die Bedingungen zusammen mit dem Haus niederbrennen und grobe Fahrlässigkeit mitversichert war, haben Sie nach dem neuen Gesetz keine Möglichkeit mehr, das zu beweisen“, sprach Kleinlein bildlich vor dem Bundestagsausschuss.
Keine Info mehr über Rechtfolgen
Zudem wies er auf eine mögliche Lücke im § 8 Absatz 2 Satz 2 hin. Dort sollen als Verbraucherrechte wegfallen, dass der Versicherer seinem Kunden eine „deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs“ erteilen muss. Ersetzt werden sollen diese lediglich durch eine Belehrung „über das Bestehen des Widerrufsrechts“ sowie eine Erklärung über „die Folgen der Nichtausübung dieses Rechts“.
Hierzu Kleinlein: „Über Auswirkungen des Widerrufs, also die Rechtsfolgen muss nach der Entwurfsfassung nicht belehrt werden. Einzig über die Folgen einer Nichtausübung des Widerrufsrechts soll zukünftig noch belehrt werden.“
Nicht zuletzt fordert Kleinlein eine unterschiedliche Handhabung der Widerrufsmöglichkeiten bei Fernabsatz und stationärem Handel. Beim Fernabsatz würden sich Verbraucher nach eigener Recherche und Bedarfsprüfung für ein Versicherungsprodukt entscheiden, dieses also „kaufen“. Stationär aber würden die Policen von den Vermittlern „verkauft“, also spontan und unter der Gefahr von Interessenkonflikten durch Provision angeboten. Somit handle es sich um ungleiche Sachverhalte, die sich in unterschiedlichen Regelungen niederschlagen sollten, so Kleinlein.
Wie es zeitlich mit der Gesetzesreform nach der nun erfolgten Sachverständigenanhörung weitergeht, konnte die Pressestelle des Bundestages an diesem Montag auf procontra-Nachfrage noch nicht mitteilen. Es sei durchaus möglich, dass es noch zu weiteren Anhörungen kommen könne, ehe das Gesetz zur Beschlussfassung bereit sei.




