Bund plant neue Pflegereform

Zahl der Pflegebedürftigen steigt weiter

2055 müssen nach aktuellen Vorausberechnungen knapp sieben Millionen Pflegebedürftige in Deutschland versorgt werden. Gleichzeitig wird die Finanzierungslücke in der gesetzlichen Pflegeversicherung immer größer. Nun legt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Pläne für eine neue Pflegereform vor.

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07:03 Uhr | 31. März | 2023
alter Mann sitzt auf dem Bett

Um die Versorgung der steigenden Anzahl Pflegebedürftiger besser zu gewährleisten als bisher, legt der Bund Pläne für eine neue Pflegereform vor.

| Quelle: Nes

Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt weiter, und das stärker als erwartet. Nach aktuellen Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wird ihre Zahl im Jahr 2055 – allein bedingt durch den Alterungseffekt – bei 6,8 Millionen liegen, 37 Prozent mehr als heute. Bezieht man bei der Berechnung auch die sich ändernden Pflegequoten mit ein, liegt ihre Zahl deutlich darüber: Mit dieser Methode kommen die Statistiker für das Jahr 2055 auf 7,6 Millionen Heimbewohner. Ende 2021 hatte ihre Zahl bei etwa fünf Millionen gelegen. Für das Jahr 2035 werden 6,3 Millionen pflegebedürftige Menschen erwartet.

Ältere Studien wie die „Pflege 2030“-Studie der Bertelsmann Stiftung gingen noch von rund 3,2 Millionen Pflegebedürftigen für das Jahr 2030 aus.

Finanzierungslücke wird immer größer

Die aktuellen Zahlen untermauern die Dringlichkeit einer umfassenden Reform des gesetzlichen Pflegeversicherungssystems. Die zu Beginn des vergangenen Jahres eingeführte Gesetzesnovelle von Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn trug bislang wenig dazu bei, um die Finanzierungslücke von 2,25 Milliarden Euro (für das Jahr 2022) zu schließen. Auch die finanzielle Situation der Heimbewohner verbesserte sich dadurch kaum. Ungeachtet der Spahn-Reform kletterten die Eigenanteile weiter in die Höhe. So mussten Pflegebedürftige zum Stand 1. Januar 2023 mit einer Heimaufenthaltsdauer von bis zu zwölf Monaten im Schnitt 2.411 Euro im Monat aus der eigenen Tasche für eine Unterbringung im Heim berappen – 278 Euro mehr als im Jahr zuvor.

Vor dem Hintergrund plant das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nun eine weitere Pflegereform. Der Referentenentwurf für das sogenannte Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) kündigt unter anderem an: Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen angehoben und damit in Teilen an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden. So ist laut BMG geplant, das Pflegegeld sowie die ambulanten Sachleistungsbeträge ab 2024 um jeweils fünf Prozent anzuheben. Steuerzuschüsse zur Pflegeversi­che­rung sieht der Gesetzesentwurf nicht vor – obwohl dies ursprünglich im Koalitionsvertrag angekündigt war.

Vor Kurzem hatten die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie die großen Sozialverbände mit einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner gefordert, die klaffende Finanzierungslücke rasch durch Steuermittel in Milliardenhöhe auszugleichen. Laut dem neuen Gesetzesentwurf ist dies nun nicht geplant.  

Verschlechterung für Familien

Ein weiterer Knackpunkt der geplanten Pflegereform: Für Familien verschlechtert sich die Situation. Die vom Bundes­verfassungs­gericht geforderten Beitrags­nachlässe für mehr als ein Kind sollen nach der aktuellen Gesetzesfassung nicht dauerhaft gelten – sondern nur, bis die Kinder jeweils das 25. Lebensjahr vollendet haben.

Zum 1. Juli 2023 soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung von derzeit 3,05 Prozent auf 3,4 Prozent steigen, für Kinderlose ist eine Erhöhung von 3,4 auf 4,0 Prozent vorgesehen.

Ein letztes Kernelement der Reformpläne: Um den seit Jahren steigenden Eigenanteilen entgegenzuwirken, sollen die 2022 eingeführten Entlastungszuschläge ab 1. Januar 2024 angehoben werden. Dadurch solle sich der Eigenanteil bei einer Unterbringung im Heim im ersten Jahr um 15 statt bisher 5 Prozent reduzieren, im zweiten Jahr um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent. Ab dem vierten Jahr ist eine Reduzierung um 75 statt um bisher 70 Prozent vorgesehen – allerdings beziehen die Zuschläge lediglich auf die reinen Pflegekosten. Die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung im Heim tragen die Menschen weiterhin komplett allein.

Das Gesetz zur Pflegereform soll am 1. Juli 2023 in Kraft treten. Die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat steht allerdings noch aus.