pro & contra

Müssen Finfluencer stärker reglementiert werden?

Die Tipps von Influencern zu Finanzen und Versicherungen erzielen eine hohe Reichweite und Aufmerksamkeit. Grund genug, Werbung bei ihren Kanälen einzuschränken oder gibt es bereits genügend Vorgaben?

09:05 Uhr | 17. Mai | 2024
Reichen die Regelungen für Werbung der Finfluencer oder nicht?

Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen und Jeanette Okwu vom Bundesverband Influencer Marketing

| Quelle: Stefan Schmidt: Inga Haar; Jeanette Okwu: Bundesverband Influencer Marketing

pro: "Eine internationale Studie zeigt aber, dass nur 28 Prozent der untersuchten Finfluencer als qualifiziert gelten."

Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, MdB und Mitglied im Finanzausschuss

„Garantiert Top-Renditen ohne Risiko„, „100-prozentige Erfolgsgarantie“, „exklusive Geheimtipps„ – verlockend klingen die Versprechen so mancher „Finfluencer“ auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Youtube. Doch der Glanz der Versprechungen verfliegt oft schnell, wenn sich diese als Täuschung entpuppen und mit hohen Verlusten enden. Finfluencing hat viele Gesichter – von der Vermittlung von Finanzwissen bis hin zu hoch riskanten Anlagetipps, teuren Finanz-Coachings, trügerischen Schneeballsystemen oder dem oft irreführenden Copy Trading.

Natürlich ist es zu begrüßen, wenn über Social Media niedrigschwellig und unabhängig Finanzwissen vermittelt wird und so Berührungsängste abgebaut werden. Eine internationale Studie zeigt aber, dass nur 28 Prozent der untersuchten Finfluencer als qualifiziert gelten. 16 Prozent seien unqualifiziert und 56 Prozent sogar antiskilled; befolge man deren Ratschläge, führe das zu Minusgeschäften. Und: Jene Finfluencer mit solch negativer Kompetenz hätten meist mehr Follower als die qualifizierten.

Die verlockenden Gewinnversprechen scheinen also den Kampf um die Aufmerksamkeit gegen die seriösen Angebote zu gewinnen. Zu viele Verbraucher haben in den letzten Jahren durch irreführende Finfluencer-Werbung erhebliche Verluste erlitten. Angesichts dessen befürchte ich, dass durch das Wirken von Finfluencern das Finanzwissen junger Menschen nicht zunimmt, sondern das Vertrauen ab und wir uns so vom Ziel, die Beteiligung am Finanzmarkt zu stärken, weit entfernen.

Die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Regelungen und Kennzeichnungspflichten reichen nicht aus.
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Stefan Schmidt

Deutscher Bundestag / Inga Haar

Die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Regelungen und Kennzeichnungspflichten reichen nicht aus. Auch die BaFin hat nur beschränkte rechtliche Befugnis, da eine Finfluencer-Tätigkeit keine erlaubnispflichtige Anlageberatung ist.

Auf EU-Ebene muss die Kleinanlegerstrategie zügig umgesetzt werden, durch die Anforderungen an Werbung klarer definiert werden sollen. Im Werbebeitrag muss ein Finanzprodukt auf faire, klare und nicht irreführende Weise dargestellt werden, egal, ob er vom Unternehmen selbst kommt oder von einem Finfluencer. Außerdem sollen Unternehmen für die Aktivitäten ihrer kooperierenden Finfluencer zukünftig haften müssen. Das sind richtige Schritte. Außerdem sollten die Social-Media-Plattformen selbst stärker in die Pflicht genommen werden, und etwa Werbebeiträge mit irreführenden Finanzinformationen schneller löschen müssen. Die Werbung für besonders riskante Anlagen sollte untersagt werden. In Frankreich ist dies bereits der Fall. Die Regulierung muss auf EU-Ebene harmonisiert werden, um einen gleichwertigen Schutz für alle Bürger sicherzustellen und europaweit einen fairen und integren Finanzmarkt zu schaffen, der ohne glänzende Gewinnversprechen attraktiv ist.

contra: "Es gibt zahlreiche andere Regelwerke, die ebenfalls auf Influencer Anwendung finden."

Jeanette Okwu, Bundesverband Influencer Marketing

Werbung ist in Deutschland umfassend rechtlich und darüber hinaus auch selbstregulativ geregelt. Obwohl es kein spezielles Influencer-Gesetz gibt, regulieren etwa der Medienstaatsvertrag und das Telemediengesetz auch diese Form des Marketings. Gerichtsurteile haben zudem die Regeln für Transparenz bei gesponserten Inhalten präzisiert. Insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das darauf abzielt, Verbraucher und andere Marktteilnehmer vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere Regelwerke, wie Teile des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), des Medienstaatsvertrages (MStV), des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) und die Werberatsregeln des Deutschen Werberates, die ebenfalls auf Influencer Anwendung finden. Zudem plant der Werberat Mitte des Jahres einen Online-Kurs für Influencer, um dem Wissensbedarf dort gerecht zu werden.

Der Schlüssel zum Erfolg auf dem heutigen Markt liegt zweifelsohne in einem tiefgreifenden Verständnis der Erwartungen des Publikums und der sich wandelnden Verhaltensmuster. Deshalb gibt es auf EU-Ebene einen Influencer Legal Hub, der Leitfäden im Influencer Marketing aufgestellt hat. Diese Grundsätze werden dann aber länderspezifisch ausgestaltet.

Um den Wissensstand der deutschen Gesetzgebung zentral aufzuzeigen, haben der Bundesverband Influencer Marketing e.V. und der Influencer Marketing Software Anbieter Kolsquare einen Leitfaden veröffentlicht, der einen tiefen Einblick in die komplexen rechtlichen Anforderungen bietet, denen Marken und Influencer heute gegenüberstehen.

Deutsche Influencer sind Vorbilder bei der Einhaltung von Kennzeichnungspflichten.
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Jeanette Okwu

Bundesverband Influencer Marketing

Er vergleicht auch die Praktiken mit anderen europäischen Märkten und beleuchtet den aktuellen Rechtsrahmen für Influencer Marketing. Dafür wurden 1,2 Millionen Instagram Posts und Reels von 93.000 Influencern in Deutschland und 1,9 Millionen Posts und Reels von 171.000 Influencern in Frankreich analysiert, um die Bewertung von Influencer-Profilen und Inhalten in Bezug auf Kennzeichnungsvorschriften aufzuzeigen. Deutsche Influencer sind Vorbilder bei der Einhaltung von Kennzeichnungspflichten: Die Analyse zeigt, dass 75 Prozent der gesponserten Inhalte deutscher Influencer den Vorschriften entsprachen - ein deutlich höherer Wert als in Frankreich (50 Prozent).

Die Toleranz gegenüber unglaubwürdigen Inhalten sinkt zunehmend. Marken und Influencer, die sich nicht authentisch präsentieren, laufen Gefahr, schnell auf Ablehnung zu stoßen. Folglich müssen Verständnis und die Einhaltung von Werberichtlinien sowie die Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte das Fundament bilden, um den Weg in eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Zukunft zu ebnen – eine, die Marken, Agenturen und Influencer gleichermaßen einschließt.