Altersvorsorge: Verwechseln Sparer Garantie und Sicherheit?

Die Lebensversicherung mit 100-prozentiger Garantie wird zum Auslaufmodell. In einer Videodiskussion des Deutschen Instituts für Altersvorsorge brachten Experten die Chancen und Risiken dieser Entwicklung zur Sprache. Wie kann diese Veränderung Verbrauchern vermittelt werden?

11:01 Uhr | 29. Januar | 2021

Die Ära klassischer Altersvorsorgeprodukte hat ihren Zenit bei weitem überschritten. Laut Daten des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft ist deren Anteil von knapp 60 Prozent im Jahr 2015 auf 30 Prozent im Jahr 2020 gesunken und hat sich damit innerhalb von nur fünf Jahren halbiert. Diese Entwicklung dürfte sich weiter fortsetzen – zum Unmut mancher Versicherter, die teils nach wie vor 100-Prozent-Garantien einfordern. Den Umgang mit dieser Haltung und Missverständnisse rund um Garantien diskutierten Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) und Stefan Oecking, Vorstandsmitglied Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge (aba) am Donnerstag unter Moderation von Fabian Dittrich (DIA).

Teilgarantie als Branchenstandard

Ob 90, 80 oder 60 Prozent Garantie auf eingezahlte Beiträge – seit vergangenem Jahr ist die Lebensversicherung mit Teilgarantie auf dem Weg zum neuen Branchenstandard. Auch die Skepsis der Kunden scheint nachzulassen, zitiert Moderator Dittrich aus einer Studie der Allianz: Der zufolge erwarten inzwischen zwei Drittel der Kunden keine 100 Prozent – wenn dafür Renditen steigen. Auch Guido Bader beobachtet, dass sich die Einstellung der Verbraucher gewandelt hat. Geld sicher zu verwahren, ganz gleich, ob auf dem Konto oder gar im Schließfach, sei heute immer mit Kosten verbunden, daran habe der Kunde sich inzwischen gewöhnt. Am Kapitalmarkt ist indessen ein positiver Trend zu verzeichnen, und der lasse die Sparer langsam umdenken. Auch den Vermittlern gelingt es aus Sicht des Aktuars immer besser, den Kunden die neuen Erfordernisse nahezubringen. Dennoch: „Ich habe auch Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis und die Forderung einer Grundgarantie vonseiten der Kunden. Wer kurzfristig Geld rausziehen muss, fürchtet sonst, schmerzhafte Verluste wegstecken zu müssen“.

Verhaltenes Umsteuern in der bAV

Stefan Oecking beobachtet das Umdenken der Kunden in Bezug auf die bAV derweil „nicht flächendeckend“. „Die Bereitschaft, selbst ins Risiko zu gehen, ist in Deutschland unterentwickelt.“ Daher sei immer zentral, wessen Geld eingesetzt würde, das des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers. Gewerkschaften und Beschäftigte seien sehr viel entspannter, wenn das vermeintliche Risiko rein arbeitgeberfinanziert sei, Arbeitgebersicherungsbeiträge bedienten das Sicherheitsgefühl.

Das Problem sieht Oecking darin, dass viele Sparer Garantie und Verlustrisiko verwechselten. Wer mehr als 40 Jahre gleichmäßig Beträge einzahle, bei dem falle das Risiko, am Ende weniger herauszubekommen auf „deutlich unter einem Prozent“. „Oft wird im Kontext der Garantie-Debatte vergessen, dass nicht der Wert selbst garantiert wird, sondern nur der Nominalbetrag“, so Oecking. Im Zuge der Inflation gehe beispielsweise innerhalb von 20 Jahren ohnehin ein Drittel des Werts verloren, betrachte man den reinen Nominalbetrag: „Es ist der Werterhalt, der den Menschen wichtig sein müsste, der lässt sich aber nicht garantieren“. Sicherheit könne indes bedeuten, dass „mit dem eigenen Geld vernünftige Dinge gemacht werden, dass Experten gewissenhaft damit umgehen – und zwar nicht, um sich in die eigene Tasche wirtschaften und dass der ganze Prozess von vertrauenswürdigen Instanzen beaufsichtigt wird.“

Die Niedrigzinsphase hilft zwar, die Aktienkultur in Deutschland zu stärken, dennoch scheint es, dass es für Vermittler schwieriger ist, Hybridprodukte statt der alten Klassik an den Verbraucher zu bringen. In der bAV sei es ein Vorteil, wenn diese nicht dem Einzelnen verkauft, sondern via Kollektivmodell vereinbart würden. Laut Oecking stärkt es das Vertrauen vor allem, wenn beispielsweise der Betriebsrat im Unternehmen sich dafür ausspricht.

Dauersorgenkind Riester

Zum Sorgenthema Riester forderte Bader erneut „einfache Lösungen“: „Wir Aktuare lieben es ja kompliziert, dennoch bleibt unser Appell an die Politik im Jahr der Bundestagswahl bestehen: Riester muss reformiert werden.“ Im Herbst hatte der Aktuarverband die Zusage der Bundesregierung erhalten, es werde noch in dieser Legislatur an einer Reform gearbeitet. Nun liegt sie allerdings erneut auf Eis – Hoffnung, dass das Projekt bis zur Wahl im September angegangen wird, besteht kaum noch. Auch bei Bader ist diese längst geschwunden: „Der Gesetzgeber muss dringend ran und Riester überarbeiten. Ich halte nichts davon, stattdessen ein ganz neues Rentenkonzept danebenzustellen. Das würde die Menschen nur noch mehr verunsichern.“