procontra-Produktcheck

Was taugt die Cyberversicherung der WGV?

Die Bedrohung aus im Internet steigt und das Thema Cyberschutz beschäftigt daher Vermittler und Kunden gleichermaßen. Ob das mit der Cyberversicherung der WGV sinnvoll klappen kann, zeigt der Produkt-Check.

13:04 Uhr | 18. April | 2024
procontra Produkt-Check

Versicherungsmakler Oliver Mest nimmt für procontra die Tariflandschaft unter die Lupe.

| Quelle: procontra

Digitale Straftaten, wie Datenbeschädigung, Hacking oder DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service) nehmen zu. Dazu kommen Betrugsdelikte in zahlreichen Varianten beim Online-Shopping. Die WGV ist auf diesen Zug aufgesprungen und hat eine Cyberversicherung auf den Markt gebracht. Kostenpunkt: 40 Euro jährlich. Sinnvoll oder nicht?

Was leistet der Tarif?

Das Leistungsspektrum ist breit aufgestellt. Geleistet wird etwa bei

  • Ersatz für Verluste bei Interneteinkäufen bis zu 3.000 Euro

  • Identitätsmissbrauch (z.B. bei Kreditkarten, Online-Banking, PayPal, Online-Kundenkonten, Pharming, Phishing, Skimming) bis zu 15.000 Euro

  • Ersatz von Zahlungs- und Identitätskarten bis zu 250 Euro

  • Datenrettungskosten nach Online-Attacke bis zu 2.000 Euro

  • Löschung persönlicher und missbräuchlich verwendeter Daten bis zu 2.000 Euro

  • Übernahme von Selbstbehalt bei Zahlungsinstituten Serviceleistungen zur Sperrung von Konten/Karten

  • Psychologische Erstberatung bei Cybermobbing

  • Telefonische Erstberatung (z. B. bei Cybermobbing, Abo-Fallen, Veröffentlichung persönlicher Daten, private Urheberrechtsverstöße etc.).

Viele klassische Internet- und Cybercrime-Delikte sind damit recht gut erfasst.

Was sind die Stärken?

Der Tarif bietet Sicherheit gegen die finanziellen Folgen häufiger Formen des Missbrauchs und Betruges im Internet. Das gilt sowohl für den Ersatz aufgetretener Schäden als auch bei der Unterstützung im Schadensfall, etwa durch die Beratung nach einer Straftat. 

Was ist kritisch zu sehen?

Die Liste der Leistungs-Ausschlüsse ist in Summe sehr umfangreich und für Kunden und Vermittler mitunter auch unerwartet. Ausgeschlossen sind unter anderem Interneteinkäufe, wenn es sich um: 

  • Waren im Zusammenhang mit Abrechnungen von Telefon- oder Internetprovidern

  • Gutscheine und Eintrittskarten

  • Strom, Gas, Pflanzen und Tiere handelt.

Das entwertet den Schutz außerordentlich und ist nicht wirklich erwartbar. Die Frage stellt sich, warum man nicht geschützt ist, wenn man beim Online-Kauf von Pflanzen betrogen wurde. Oder beim Kauf von Tickets? Bei der Unterstützung zur Löschung persönlicher und missbräuchlich verwendeter Daten gilt nach den Bedingungen (A.3.9.3) ein Ausschluss unter folgender Klausel:

„Bleiben die Löschversuche erfolglos, hat der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Löschung der gegen dessen Willen veröffentlichten persönlichen Daten oder rechtswidrigen Äußerungen.“

Mit anderen Worten: Weigert der Seitenbetreiber sich, die in Rede stehenden Äußerungen zurückzunehmen, greift der Schutz nicht. Auch hier die Frage: Warum? Denn Löschversuche werden oft beim ersten Kontakt unbeantwortet bleiben – und den kann der Kunde natürlich allein führen. Das Nachfassen und Durchsetzen ist jedoch das, wobei er professionelle Unterstützung benötigt.

In den Bedingungen (A.4.2.1) wird die Subsidiarität der Cyberversicherung festgeschrieben. Neben den explizit erwähnten Versicherungsverträgen (genannt wird etwa die Hausratversicherung) werden auch andere eingebundene Dienstleister (z. B.  Online-Bezahlsysteme oder Online-Treuhänder) explizit erwähnt. Auch hier wird recht intransparent beschnitten: Denn Online-Zahlsysteme sind ein dehnbarer Begriff. Die Regelung zur Subsidiarität zeigt aber auch, dass der Schutz gegen Cyber-Attacken in anderen Versicherungen viel besser aufgehoben sein kann: Das gilt für private Haftpflicht genauso wie für die Hausratversicherung oder vor allem die Rechtsschutz-Versicherung.

Auf Nachfrage äußerte sich die WGV leider nicht, da sie sich außerstande sah, kurzfristig zu den kritisierten Punkten Stellung zu beziehen.

Wer ist die Zielgruppe?

Die Cyberversicherung kann für verschiedene Zielgruppen interessant sein: Personen, die häufig Online-Dienste nutzen, Online-Einkäufe tätigen oder in sozialen Medien aktiv sind, haben ein erhöhtes Risiko, Ziel von Cyberkriminalität zu werden. Wer im Home-Office arbeitet, nutzt oft persönliche Geräte für berufliche Zwecke. Eine Cyberversicherung könnte sinnvoll sein, allerdings sind berufliche Schäden nicht mitversichert bei der WGV. Familien – zumal mit kleinen Kindern – können von einer Cyberversicherung profitieren, wenn die den Nachwuchs aus dem Schussfeld nimmt. Und ältere Menschen, die möglicherweise nicht so vertraut mit den neuesten Technologien und Cybersicherheitspraktiken sind, können ein leichtes Ziel für Cyberkriminelle sein und sind mit einer Cyberversicherung zusätzlich geschützt.

Tipps für die Vermittlung

Bevor eine separate Cyber-Deckung vermittelt wird, sollte geprüft werden, ob und wie ein Schutz gegen Internetdelikte bereits vorhanden ist oder anderweitig eingebunden werden kann. Wenn eine Person unabsichtlich Computerviren verbreitet, springt etwa die private Haftpflichtversicherung ein. Manche Hausratversicherungen beinhalten ebenfalls einen Cyber-Schutz. Versicherte erhalten unter anderem Hilfe bei der Datenrettung oder bei Vermögensschäden durch das Erbeuten von Bankdaten, dem sogenannten Phishing. Kommt es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen – etwa bei Klagen gegen Online-Händler – hilft eine Rechtsschutzversicherung.

Manche Versicherer bieten einen erweiterten Internet-Rechtsschutz und helfen bei Vermögensschäden beim Online-Shopping oder bei Datenmissbrauch. Bei der Vermittlung sollte der Schutzumfang der Cyberversicherung genau dokumentiert werden – oft haben die Kunden ganz andere Vorstellungen, was ein Cyber-Schutz beinhaltet. 

Produkt-Check 3 von 5 Sterne

Das Fazit

Daumen hoch? Daumen runter? Schwer zu beantworten bei der Cyberversicherung der WGV. Das Bedürfnis nach Schutz ist auf Kundenseite da, das Produkt wird nachgefragt und benötigt. Aber die Leistungsausschlüsse und auch die Summenbegrenzungen engen den wichtigen Schutz dann doch zu sehr ein. Natürlich ist der geringe Jahresbeitrag von 40 Euro zu berücksichtigen. Aber ein etwas höherer Beitrag könnte auch mehr Leistungen und weniger Ausschlüsse ermöglichen. In der Bewertung gibt es 3 von 5 Sternen, die für ein solides Produkt mit einigen Besonderheiten, die es in der Beratung zu beachten gilt, stehen.