Interview mit Matthias Schmidt

„Für die Kompass Group bestand die Gefahr einer Rufschädigung“

Zwischen der Kompass Group und der Kompass Group Deutschland herrscht ein offen ausgetragener Streit zwischen den ehemaligen bzw. neuen Chefs und dem Aufsichtsrat. Der designierte Kompass Group Deutschland CEO Matthias Schmidt spricht mit procontra ausführlich über seine Sicht der Dinge.

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11:05 Uhr | 10. Mai | 2024
CEO Matthias Schmidt

Matthias Schmidt, designierter CEO der Kompass Group Deutschland.

| Quelle: Kompass Group Deutschland AG

Ein Drama in 4 Pressemitteilungen - so lässt sich die offen ausgetragene Auseinandersetzung des auf Bestandskäufe spezialisierten Insurtechs Kompass mit seinem neuen Zwillingsbruder Kompass Deutschland zusammenfassen. Eine sachliche Ebene, dieser Eindruck muss jedenfalls entstehen, ist dabei schwer zu greifen und ist inzwischen ohnehin Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Im Interview mit dem designierten CEO der Kompass Group Deutschland Matthias Schmidt arbeitet procontra die vergangenen Wochen noch einmal auf und erfährt seine Sicht auf die Auseinandersetzung.

Für das Verständnis des Interviews hilft womöglich eine Chronik: Der Aufsichtsrat der Kompass Group hatte den beiden Vorständen Matthias Schmidt und Marcus Renziehausen Mitte April das Vertrauen entzogen, warum genau, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor. Dafür gibt es unmittelbar danach eine Mitteilung über die Neugründung einer Kompass Group Deutschland - wenig verwunderlich von eben diesen beiden Vorständen Matthias Schmidt und Marcus Renziehausen. Weitere Pressemitteilungen betreffen eine einstweilige Verfügung der alten Kompass und eine Erwiderung der neuen Kompass Group Deutschland.

Wer dabei wen hintergangen hat, beziehungsweise, wer rechtlich zur Verantwortung gezogen wird oder auch nicht, darüber werden sehr wahrscheinlich Gerichte entscheiden müssen. Eine Rolle spielt aber offenbar auch die Minderheitsaktionärin Deutsche Treuwert Wealth Management AG (DTW) und deren Tochtergesellschaft DR Deutsche Rücklage, bei der es Ungereimheiten gegeben haben soll (wird im Interview erläutert). Auf der Website der „alten“ Kompass werden Matthias Schmidt, René Fuchs und Marcus Renziehausen als designierte CEO, CSO und COO genannt. Während es nach Angaben des Aufsichtsrates jetzt einen noch sehr jungen neuen Vorstand namens Nicos Pohland gibt, der sich bislang eher in der Immobilienbranche getummelt hat. Hinter ihm steht jedoch fest der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Gerd Coenen, ein erfahrener Vertriebsexperte und ein vertrautes Gesicht mit verschiedenen Führungspositionen in der Versicherungsbranche - unter anderem als Vorstandsvorsitzender GHV und als langjähriger Vertriebsdirektor der BGV/Badische Versicherung.

Interview mit dem designierten Kompass Group Deutschland CEO Matthias Schmidt

procontra: Fangen wir am Anfang an. Warum hat der Aufsichtsrat der (alten) Kompass Group den Vorständen, also Ihnen, Matthias Schmidt und Marcus Renziehausen das Vertrauen entzogen? Woher kommt dieser Zwist der offenbar zwischen Ihnen herrscht?

Schmidt: Die Frage nach dem Grund für die Abberufung stellen wir uns auch. Eine fundierte Begründung einer solchen Entscheidung ist nötig, damit eine Abberufung überhaupt wirksam sein kann. Bislang ist uns ein solcher Grund nicht übermittelt worden.

Das, was Sie „Zwist„ nennen, ist eine einseitig initiierte Kampagne. Wie Sie aktuellen Medienberichten, wie etwa in „Das Investment“, entnehmen können, bestand für unsere AG durch die Minderheitsaktionärin Deutsche Treuwert Wealth Management AG (DTW) die Gefahr eines erheblichen Reputationsschadens. Das hat uns die Kanzlei Dierlamm in ihrem Zwischenbericht bestätigt. Die aktuellen Recherchen zeigen auch, dass wir der Gegenseite Angebote gemacht haben, ihre Anteile an uns zu verkaufen. Dabei haben wir rund dreißig Mal mehr geboten, als das, was die Minderheitsaktionärin in die AG eingebracht hatte. Die Gegenseite forderte aber einen höheren Betrag. Das haben wir uns nicht bieten lassen. Was wir in den Medien lesen, ist aus unserer Sicht die Retourkutsche dafür.

procontra: Warum haben Sie ein neues Unternehmen gegründet und welche Geschäfte verbleiben nun in dem alten Unternehmen? Warum haben Sie das neue Unternehmen nicht anders genannt? Wie lange war es schon geplant ein neues Unternehmen zu gründen?

Schmidt: Als Wachstumsunternehmen müssen wir handlungsfähig sein. Das von unserer ehemaligen Minderheitsaktionärin DTW ausgehende Reputationsrisiko haben wir mehrfach im Austausch mit unserem ehemaligen Aufsichtsrat (Name von Redaktion entfernt), der Teil des Vorstands der DTW war und mutmaßlich noch ist, aufzulösen versucht. Auch das ist von der Kanzlei Dierlamm dokumentiert worden. Als das nicht möglich war, sahen wir uns in Abstimmung mit Anwälten und Beratern dazu gezwungen, einen Plan B umzusetzen. Dieser sah vor, eine Bilanzposition auf die neue AG zu übertragen, einige Vermögenswerte waren auch nie in die Kompass Group AG eingebracht. Wir sind heute zu 100 Prozent handlungsfähig. Dazu gehört auch, dass wir verschiedene Rechte halten, die wir in den kommenden Wochen durchsetzen werden. Am Ende dieses Prozesses wird sich auch die Frage nach der Firmierung nicht mehr stellen. Zu Ihrer Erinnerung: Wir sind Gründer der Kompass Group AG und sehen uns als Mehrheitsaktionäre.

Zur Verdeutlichung skizziere ich Ihnen die Eigentumsverhältnisse, wie sie im Untersuchungsbericht der Kanzlei Dierlamm vom 4. März 2024 aufgeführt sind: Demnach hielten die designierten Vorstände der Kompass Group Deutschland AG, also Matthias Schmidt, René Fuchs und Marcus Renziehausen, zusammen über von ihnen beherrschte Kapitalgesellschaften 67,59 Prozent an der Kompass Group AG. Hinzu kommen 23,05 Prozent unseres Mitgründers Sandro Scheffler, der zwar künftig als Vorstand ausscheiden, der Kompass Group Deutschland AG aber als Mitarbeiter erhalten bleiben wird. Die übrigen Anteile von 9,36 Prozent hielt damals die DTW. Von Seiten dieser Minderheitsaktionärin wird seit zwei Wochen in haltlosen Pressemitteilungen gegen uns geschossen. Allein die belegten Mehrheitsverhältnisse sollten Fragen aufwerfen – Fragen, die Sie der Gegenseite stellen sollten, nicht uns.

procontra: Sie haben ja die Minderheitsaktionärin Deutsche Treuwert Wealth Management AG (DTW) für die neue Gruppe verloren. Was bedeutet das für die Möglichkeit weiterhin Bestände aufzukaufen?

Schmidt: Von einem Verlust würden wir nicht sprechen. Wir haben im Gegenteil viel gewonnen. Der Untersuchungsbericht der Kanzlei Dierlamm attestiert uns, dass von dieser ehemaligen Minderheitsaktionärin ein erhebliches Reputationsrisiko ausgegangen ist. Von diesem Risiko konnten wir uns dank unserer Weitsicht und einem von externen Profis begleiteten Prozess lösen. Die DTW hat uns am Anfang unserer Geschäftsbeziehung Unterstützung bei der Finanzierung in Aussicht gestellt, aber nie mehr als knapp 10.000 Euro investiert. Bestehende Investoren und auch potenzielle Geschäftspartner bewerten die Sache sehr klar und stehen hinter uns. Wir werden auch weiter Bestände kaufen und operativ tätig sein. Während wir Ihre Fragen beantworten, liegen unterschriftsreife Verträge mit Geschäftspartnern und Mitarbeitern vor.

procontra: Ist Ihnen der neue Vorstand der „alten“ Kompass Group Nicos Pohland bekannt? Kommt er aus dem Umfeld der Deutsche Treuwert Wealth Management AG (DTW)?

Nein, der Vorstandsvorsitzende ist uns nicht bekannt, er war auch nie unser „Kollege„, wie in einem Artikel behauptet. An Spekulationen über Zusammenhänge möchten wir uns nicht beteiligen. Sie können dazu aber gerne Recherchen anstellen. Eine Frage, die uns beispielsweise brennend interessiert, ist, wie die Kompass Group AG, wie in ihrer Pressemitteilung angekündigt, mit einem ihrer Aktionäre „einen neuen Fonds im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro auflegen“ will – schließlich gibt es im Umfeld der Personen, die die Kompass Group AG heute steuern, Ermittlungen der Bafin sowie weitere Vorwürfe, die man leicht recherchieren kann. Obwohl wir uns weiter als Hauptaktionäre der Kompass Group AG sehen, blicken wir nach vorne und treiben unser operatives Geschäft mit der Kompass Group Deutschland AG voran.

procontra: Sind die Mitarbeiter von der „alten Kompass„ mitgekommen zur „neuen Kompass“ und wie viele Mitarbeiter sind das?

Schmidt: Alle unsere knapp 90 Mitarbeitenden arbeiten weiter für uns.

procontra: Welche der Tochtergesellschaften wie Matching.de sind übergegangen?

Schmidt: Wir haben weiter Zugriff auf alle relevanten Tochtergesellschaften.

procontra: Welche rechtlichen Schritte haben Sie gegen die „alte Kompass“ eingeleitet und welche Schritte wurden gegen Sie angestrengt?

Schmidt: Juristische Fragen klären sich im schnellsten Fall binnen Wochen. Nach Gesprächen mit Rechtsanwälten sehen wir in gleich mehreren Rechtsgebieten eine für uns eindeutige Rechtslage und streben eine Klärung an. Wir müssen warten, sind aber sehr zuversichtlich.

procontra: Welchen Fokus wollen Sie nun mit der neu gegründeten Kompass Group Deutschland verfolgen und werden sämtliche Geschäfte der alten Kompass auf diese übergehen?

Schmidt: Wir sind Gründer und Mehrheitsaktionäre beider Gesellschaften. Wir setzen das bestehende Geschäft mit allen unseren Mitarbeitenden in unseren Büros fort. Wir werden schon bald weitere Versicherungsbestände kaufen und planen zudem eine größere Wertschöpfung als bisher. Wir werden mit unseren Versicherungsbeständen arbeiten und Beratern, Endkunden und auch unserem Unternehmen neue Perspektiven eröffnen.